Wunschziel "Designermenschen"?
Zur Standard-Berichterstattung über Vorzeichen einer parteiübergreifenden Zustimmung in Österreich für die Aufhebung des Verbots der Präimplantationsdiagnostik genannten Gentests an Embryonen vor einer künstlicher Befruchtung - Von Klaus Küng
Im Zusammenhang mit der Präimplantationsdiagnostik (PID) und der sehr emotionalen Debatte, die darüber derzeit in Deutschland tobt, versucht ein Artikel im Standard den Eindruck zu erwecken, dass es in Österreich längst einen breiten überparteilichen Konsens für PID gebe und nur das Justizministerium noch bremsend auf einem Verbot beharre. Soweit ich das aus meinen Gesprächen mit Politikern beurteilen kann, ist das nicht der Fall; in der Österreichischen Volkspartei gibt es etwa ein Bioethik-Papier, das sehr klar gegen PID Stellung bezieht. Und das ist gut so. Denn bei PID entscheidet sich unsere Grundhaltung zum Leben, zu den schwächeren und benachteiligten Menschen in unserer Gesellschaft. Und das geht letztendlich jeden von uns an.
Man argumentiert gerne, es ginge ja nur um einige wenige Fälle in Österreich; jene Eltern, die durch Implantation ein Kind bekämen, sollten nicht auch noch durch ein krankes und/oder behindertes belastet werden. Ganz abgesehen davon, dass neuere Studien nachweisen, wie oft mit Trisomie-21 diagnostizierte Kinder sich später "normal" entwickelt haben: Wo wird die Grenze sein? Schon jetzt richtet sich PID nicht "nur" auf Behinderungen, sondern auf mögliche, später auftretende Krankheiten.
Wir dürfen wohl davon ausgehen, dass die Gentechnik sich verbessern wird. Irgendwann wird man von der Augenfarbe bis zu möglichen Neurosen oder denkbaren späteren Alterskrankheiten viele Gründe finden, die Mehrzahl der bereits lebenden Embryonen "auszusortieren", um ein "Wunschbaby" einzupflanzen. Und dann darf sich jeder von uns fragen, ob er den PID-Test "überlebt" hätte.
Schon jetzt gibt es kaum noch Menschen mit Trisomie-21; die meisten Paare treiben das Kind nach solch einer Diagnose sofort ab. Welche Botschaft schickt die Gesellschaft hier Menschen mit Behinderungen? Wird man als Mensch im Rollstuhl in einigen Jahren gefragt werden, ob man "bei der PID übersehen" wurde?
Die Präimplantationsdiagnostik stellt die entscheidende Frage: Ist Platz in unserem Land für alle Menschen, alles Leben, oder wird in einigen Jahren das Straßenbild von in jeder Hinsicht designten Kindern und Erwachsenen beherrscht werden? - Vor so einer Gesellschaft hätte ich Angst.
Quelle: Der Standard vom 7. Jänner 2011
Labels: Abtreibung, Kind als Schaden, Politik
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