IMABE fordert Gesetzgeber zum Umdenken auf: Das Kindeswohl schützen – und das der Frauen
In Österreich liegt ein Entwurf für ein neues
Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG) auf dem Tisch. Darin ist weitgehend
jede Option erlaubt, um Kinderwunsch zu realisieren, die der Markt zur
Zeit bietet: Selektion von Embryonen vor dem Einpflanzen in die
Gebärmutter (PID), vorsätzliches Splitting von genetischer und sozialer
Elternschaft (Ermöglichung von Eizellen- oder Samenspende durch Dritte).
Selbst dann, wenn keine medizinische Unfruchtbarkeit vorliegt, wie etwa
bei lesbischen Paaren, soll es in Zukunft mögich sein, auf die Technik
der künstlichen Befruchtung zurückzugreifen. Einzig prinzipiell verboten
bleibt vorerst die Leihmutterschaft und die Samenspende für
Alleinstehende. Damit würde Österreich Regelungen einführen, die zum
Teil weder in Deutschland noch der Schweiz erlaubt sind (vgl. Die
Presse,
online, 14. 11. 2014).
Scharfe Kritik an dem Entwurf übte
Aktion Leben.
Die Rechte des Kindes würden „sträflich missachtet“. Der
Gesetzesentwurf ignoriere völlig das Recht eines Kindes, seine
biologischen Eltern zu kennen und bei ihnen aufzuwachsen. Ebenso sei die
vorgesehene Beratung durch einen Arzt über die Risiken einer
Eizellenspende eine „Farce“, da es keine Trennung zwischen beratendem
und behandelndem Arzt gäbe, kritisiert
Aktion Leben-Präsidentin Gertraude Steindl (
Pressemitteilung,
online, 13. 11. 2014).
Familienbischof Klaus Küng sprach von einem
„Dammbruch“: Durch die Zulassung einer Samenspende für die
In-vitro-Fertilisation (IVF), die Eizellspende und die
Präimplantationsdiagnostik (PID) würden „im Namen einer
Fortschrittlichkeitsgläubigkeit“ eine ganze Reihe von Problemen und
Leiden, vor allem für die als Spenderinnen oft unter Druck stehenden
Frauen, geschaffen, warnte der Bischof, selbst Mediziner. Es sei ein
Recht der Kinder „Vater und Mutter zu kennen und mit ihnen
aufzuwachsen“, sie würden mehr und mehr zu einem Produkt der
Fortpflanzungsindustrie, berichtet
Kathpress (
online, 14. 11. 2014).
„Es überrascht, dass der Gesetzgeber zu diesen
extrem heiklen Fragen offenbar keine Diskussion wünscht“, kritisiert
IMABE-Geschäftsführerin Susanne Kummer angesichts der knappen Frist:
Einwände können nur noch bis 1. Dezember vorgebracht werden. „Was
Österreich braucht, ist eine Regelung, die das Kindeswohl schützt und
auch das der Frauen vor einem zunehmend aggressiven Markt“, betont
Kummer: „Die Schattenseiten der Reproduktionsmedizin, die
Gesundheitsrisiken und geringen Erfolgsquoten der Methoden werden in der
Debatte ausgeblendet. Das ist unverantwortlich.“
Wie dünn die Informationen sind, aber gleichzeitig
illusionäre Hoffnungen geweckt werden, zeigte jüngst die
Social-Egg-Freezing-Debatte. Denn die Chance, dass eine Frau nach
Einfrieren ihrer Eizellen und künstlicher Befruchtung überhaupt ein Kind
bekommt, liegt unter der 10-Prozent-Marke – je älter die Frau, desto
geringer. Nach einer künstlichen Befruchtung ab 38 Jahren seien laut
American Society of Reproductive Medicine (vgl.
ASRM Fact Sheet 2014)
überhaupt nur 2 bis 12 Prozent der aufgetauten und künstlich
befruchteten Eizellen implantationsfähig und könnten zu einer
Lebendgeburt führen, sagt Josephine Johnston, Forschungsdirektorin am
Hastings Center in New York (
Newsrepublic,
online, 1. 11. 2014).
Für jede künstliche Befruchtung gilt: Nicht nur die
Qualität der Eizellen sinkt mit steigendem Alter, auch der Organismus
der Frauen ist für Komplikationen leichter anfällig. Die Zahl der
Lebendgeburten sind gering, die Frauen geraten unter Erfolgsdruck, immer
mehr Versuche machen zu lassen. So wurden laut einer im Mai 2013 im
Journal
Fertil Steril publizierten Übersichtstudie (
2013 Aug; 100(2):492-9.e3. doi: 10.1016/j.fertnstert.2013.04.023)
1805 Frauen (Durchschnittsalter 34 Jahre) zwecks künstlicher
Befruchtung hormonell stimuliert. Es wurden invasiv 13.000 Eizellen
entnommen und eingefroren. 60 Prozent der Eizellen erwiesen sich nach
dem Auftauen jedoch als unbrauchbar. Von den restlichen 40 Prozent
ließen sich zwar einige befruchten, nisteten sich aber dann nicht in der
Gebärmutter ein. Mehr als 95 Prozent der Embryonen gingen im Mutterleib
zugrunde. Unterm Strich überlebten nur 4,3 Prozent (!) der erzeugten
Embryonen (224 Lebendgeburten, darunter Zwillinge und Drillinge), was
1,7 Prozent der aufgetauten Eizellen entspricht.
Bei minus 196 Grad kann man Eizellen einfrieren,
auch künstlich befruchtete Embryonen lagern, aber nicht den eigenen
Körper. Je älter, desto eher müssen Schwangere nach IVF mit überhöhtem
Blutdruck oder Diabetes und einem medizinisch notwendigen Kaiserschnitt
rechnen (vgl.
FAZ,
online, 6. 11. 2014).
Auch die Gesundheitsrisiken für Kinder aus
künstlichen Befruchtungen werden kaum thematisiert. Dazu zählen
Frühgeburten, niedriges Geburtsgewicht, Mehrlingsschwangerschaften, ein
vierfaches höheres Risiko für Totgeburten (vgl.
IMABE 2010), Verengungen der Harnwege, neurologische Störungen oder systemische Fehlbildungen.
Auch bei einer „normalen“ künstlichen Befruchtung
mit frischen Eizellen liegt die Baby-Take-Home-Rate bei geringen 15 bis
20 Prozent. Mit anderen Worten: Mehr als 80 Prozent der Frauen kommen
trotz psychisch, emotional und körperlich stark belastender Eingriffe
auch nach mehreren IVF-Versuchen zu keinem Kind. „Der Großteil der
IVF-Versuche führt zu keinem Kind, sondern zu vielen Wunden und
Traumata. Die psychischen und emotionalen Belastungen der Frauen durch
künstliche Befruchtungen sind immer noch ein Tabu-Thema“, kritisiert
Ethikerin Susanne Kummer. „Aufgrund der aggressiven Vermarktung und
liberaler Gesetze, die diese begünstigen, wird die künstliche
Befruchtung häufig leichtfertig angewendet“, betont Kummer unter
Berufung auf eine kürzlich vom
Zentrum für Reproduktionsmedizin an der Universität Amsterdam publizierten Studie (vgl.
IMABE 2014).
„Drei Viertel der Frauen, die wegen vermeintlicher Unfruchtbarkeit eine
künstliche Befruchtung durchführen ließen, bekamen drei Jahre später
auch auf völlig normalen Weg ein Kind. Hier scheinen also
Marktinteressen die Beratung zu beeinflussen. So eine Medizin lehnen wir
ab.“ Auch die ethische Grundsatzfrage, was es heißt, Embryonen
herzustellen und einzufrieren, müsse neu diskutiert werden.
Am Traum vom Kind lässt sich jedenfalls verdienen: Laut dem aktuellen Report
Global In-Vitro Fertilization (IVF) Market 2013 – 2020 des Internationalen Marktforschungsinstituts
Allied Analytics LLP
ist die Reproduktionsmedizin zu einer gewinnbringenden Industrie
geworden: Der globale IVF-Markt lag Ende 2012 bei 9,3 Milliarden
US-Dollar, bis 2020 wird er auf schätzungsweise 21,6 Milliarden Dollar
ansteigen.
IMABE hat ausführlich zu Fragen der Liberalisierung des FMedG Stellung genommen. Eine Übersicht findet sich hier:
www.imabe.org/index.php.
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Labels: Eizellspende, Fortpflanzungsmedizin, IMABE, Kind, Künstliche Befruchtung, PID, Reproduktionsmedizin, Samenspende