Montag, 29. November 2010

Mehr als 600 000 Tote durch Passivrauchen

Etwa jeder hundertste Todesfall pro Jahr ereignet sich als Folge des Passivrauchens, das jährlich weltweit mehr als 600 000 Menschenleben fordert. Unter diesen Toten finden sich etwa 165 000 Kinder. Dies folgert ein bereits vorab online veröffentlichter aktueller Artikel, verfasst von Dr. Annette Prüss-Ustün und Kollegen von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf. Die Studie ist die erste, die das globale Ausmaß des Passivrauchens bewertet.

Um für den Vergleich eine gewisse Beständigkeit zu erhalten, verwendeten die Autoren für ihre Analyse Daten des Jahres 2004, da dies das letzte Jahr war, in dem umfassende Daten über 192 Länder hinweg erhoben wurden. Sie schätzten Todesfälle wie auch den Verlust an Lebensjahren bei guter Gesundheit (behinderungsbereinigte Lebensjahre, DALYs).

Im Jahr 2004 waren weltweit 40 Prozent der Kinder, 33 Prozent männliche Nichtraucher und 35 Prozent weibliche Nichtraucher dem Passivrauchen ausgesetzt. Diese Belastung hat vermutlich 379 000 Todesfälle durch ischämische Herzerkrankungen, 165 000 durch Infektionen der unteren Atemwege, 36 900 durch Asthma und 21 400 durch Lungenkrebs verursacht. 603 000 Todesfälle konnten 2004 dem Passivrauchen zugeordnet werden, dies entsprach etwa 1,0 Prozent der weltweiten Sterblichkeit. 47 Prozent der Todesfälle durch Passivrauchen betrafen Frauen, 28 Prozent Kinder und 26 Prozent Männer. Verlorene DALYs auf Grund der Belastungen durch Passivrauchen beliefen sich auf 10,9 Millionen, dies entsprach etwa 0,7 Prozent der weltweiten Gesamtbelastungen durch Krankheiten im Jahr 2004. 61 Prozent der DALYs fanden sich bei Kindern. Die größten Krankheitsbelastungen entstammten den Infektionen der unteren Atemwege bei Kindern unter 5 Jahren (5 939 000 / 54 Prozent), ischämischen Herzkrankheiten bei Erwachsenen (2 836 000 / 26 Prozent) sowie Asthma bei Erwachsenen (1 246 000 / 11 Prozent) und Kindern (651 000 / 6 Prozent).

Während die durch Passivrauchen verursachten Todesfälle unter Kindern in Richtung der Länder mit niedrigem bis mittlerem Einkommensstatus verschoben waren, fanden sich die Todesfälle unter den Erwachsenen über alle Länder jeglichen Entwicklungsstands hinweg verteilt. In den europäischen Industrienationen beispielsweise (Europazone A) traten nur 71 Todesfälle unter Kindern auf, unter Erwachsenen jedoch 35 388. In den bewerteten afrikanischen Staaten allerdings fanden sich auf Grund des Passivrauchens geschätzte 43 375 Todesfälle unter Kindern, demgegenüber nur 9514 bei Erwachsenen. Die Autoren stellen fest: "Zwei Drittel dieser Todesfälle ereignen sich in Afrika und Südasien. Die Kinder sind dem Passivrauchen wohl meist zu Hause ausgesetzt. Die Kombination von Infektionskrankheiten und Tabak scheint eine tödliche Mischung für Kinder dieser Regionen und könnte die Bemühungen behindern, die Sterblichkeit der unter 5-Jährigen zu verringern, wie es das Milleniumentwicklungsziel MDG4 eigentlich vorsieht."

Kinder sind dem Passivrauchen weltweit schwerer ausgesetzt als jede andere Altersgruppe, und sie können den Hauptquellen nicht ausweichen: Es sind vorwiegend ihre engsten Verwandten, die zu Hause rauchen. Die Autoren halten fest, dass die Rauchbelastungen zu Hause, wenn jemand raucht, über die Regionen hinweg vergleichsweise ähnlich erscheinen. Höhere Intensitäten finden sich in Asien und dem Mittleren Osten. Darüberhinaus gehören Kinder jener Gruppe an, die die stärksten Hinweise auf Schädigungen durch Passivrauchen aufzeigt. Diese beiden Faktoren sollten die Basis bilden für Verlautbarungen der öffentlichen Gesundheit und Ratschläge an Politiker.

Nahezu zwei Drittel aller Todesfälle bei Kindern und Erwachsenen durch Passivrauchen sowie ein Viertel der DALYs durch die Rauchexposition wurden durch ischämische Herzkrankheiten bei erwachsenen Nichtrauchern ausgelöst. Nichtrauchergesetze, die das Rauchen aus den Arbeitsplätzen in Innenräumen verbannen, können die Anzahl akuter koronarer Ereignisse rasch verringern. Die Autoren bemerken: "Politiker sollten berücksichtigen, dass eine Durchsetzung umfassender Nichtrauchergesetze wahrscheinlich bereits im ersten Jahr ihrer Einführung die Anzahl der Todesfälle, die dem Passivrauchen zuzuordnen sind, erheblich reduzieren wird, mit einer begleitenden Verringerung der Krankheitskosten in sozialen und Gesundheitssystemen."

Wie zuvor festgestellt, traten die größten Effekte hinsichtlich der Todesfälle bei den Frauen auf. Die Gesamtzahl der Todesfälle ist aus zwei Gründen unter Frauen höher als bei Männern. Erstens ist die Zahl der weiblichen Nichtraucher (somit dem Passivrauchen per Definition ausgesetzt) um etwa 60 Prozent höher als bei den männlichen Nichtrauchern (obgleich es weit mehr männliche Erstraucher gibt). Zweitens sind Frauen in Afrika und einigen Regionen Amerikas mit einer wenigstens um 50 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit dem Passivrauchen ausgesetzt als Männer.

Diese Todesfälle sollten den geschätzten 5,1 Millionen auf Grund aktiven Rauchens Gestorbenen hinzugefügt werden, um den Gesamteffekt passiven und aktiven Rauchens zu erhalten. Im Jahr 2004 war das Rauchen somit Ursache für mehr als 5,7 Millionen Tote jährlich. In ihrer Analyse vermuten die Autoren, dass jene, die bereits Erstraucher waren, durch Passivrauchen nicht beeinträchtigt waren. Sollten sich die Effekte des Passivrauchens allerdings auf Raucher und Nichtraucher gleichermaßen auswirken, dann läge die Anzahl der Todesfälle durch Passivrauchen um 30 Prozent höher.

Nur 7,4 Prozent der Weltbevölkerung leben gegenwärtig in Rechtssystemen mit umfangreichen Nichtrauchergesetzen. Der Vollzug dieser Gesetze wird in nur wenigen dieser Rechtssysteme straff gehandhabt. An solchen Orten hat die Forschung nachgewiesen, dass diese Gesetze die Belastungen durch Passivrauchen in Hochrisikoeinrichtungen wie Bars und Gaststätten um 90 Prozent und im Allgemeinen um 60 Prozent verringern. Zusätzlich zum Schutz, den sie Nichtrauchern bietet, reduziert diese Nichtraucherpolitik den Zigarettenkonsum der permanenten Raucher und führt zu steigenden Erfolgsraten bei jenen, die das Rauchen aufgeben wollen. Die Autoren empfehlen die sofortige Umsetzung der Tabak-Rahmenkonvention der WHO, die neben anderen Faktoren höhere Tabaksteuern, Einheitsverpackungen und Werbebanner beinhaltet.

Die Autoren folgern: "Politisch Verantwortliche sollten zudem auf zwei anderen Ebenen tätig werden, um Kinder und Erwachsene zu schützen. Erstens, obwohl sich der Nutzen von Nichtrauchergesetzen deutlich bis in die Wohnhäuser erstreckt, macht der Schutz von Kindern und Frauen vor dem Passivrauchen in vielen Regionen die Einbeziehung umfassender Bildungsstrategien erforderlich, um die Belastungen durch Passivrauchen zu Hause zu verringern. Maßnahmen zur freiwilligen Rauchfreiheit der Wohnungen verringern die Belastungen durch Passivrauchen für Kinder und erwachsene Nichtraucher, reduzieren das Rauchen bei Erwachsenen und offensichtlich auch bei Jugendlichen. Zweitens, das Ausgesetztsein dem Passivrauchen gegenüber trägt in den Entwicklungsländern zu den Todesfällen tausender Kinder unter 5 Jahren bei. Unverzügliche Aufmerksamkeit ist erforderlich, den Mythos zu zerstören, die Entwicklungsländer könnten warten, sich mit tabakbezogenen Krankheiten erst dann zu beschäftigen, wenn sie die Infektionskrankheiten bewältigt haben. Gemeinsam führen Tabakrauch und Infektionen bei Kindern zu erheblicher vermeidbarer Sterblichkeit und Verlust aktiver Lebensjahre."

In einem begleitenden Kommentar stellen Dr. Heather L. Wipfli und Dr. Jonathan M. Samet vom Department of Preventive Medicine der Keck School of Medicine of USC des USC Institute for Global Health an der University of Southern California in Los Angeles fest: "Obwohl sich die Änderungen der sozialen Normen, die mit Nichtrauchergesetzen einhergehen, bis in die Wohnhäuser auswirken können, sind breite Initiativen notwendig, Familien zu motivieren, ihre eigenen Maßnahmen umzusetzen, um die Belastungen durch Passivrauchen zu Hause zu verringern. In einigen Ländern werden rauchfreie Wohnungen zur Norm, jedoch noch weit entfernt von einer allgemeinen."

Die Kommentatoren folgern: "Es ist keine Frage, dass die 1,2 Milliarden Raucher dieser Welt weitere Milliarden Nichtraucher mit Passivrauch belasten, einer krankheitsauslösenden innenräumlichen Luftverunreinigung. Wenige Quellen dieser Luftverschmutzung können vollständig beseitigt werden. Allerdings kann das Rauchen im Haus beseitigt werden, mit erheblichem Nutzen, wie durch diese neue Reihe von Schätzungen angezeigt."

Original-Studie: Mattias Öberg and otheres. Worldwide burden of disease from exposure to second-hand smoke: a retrospective analysis of data from 192 countries. Lancet 2010; 376: 10.1016/S0140-6736(10)61388-8

Quelle: lancet.de vom 26. November 2010

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Mittwoch, 24. November 2010

408 zu 391 Stimmen. Nach stundenlanger Debatte ringt sich die CDU auf ihrem Parteitag zu einem Verbot der PID durch

Karlsruhe - Niemand ist laut geworden. Niemand hat die Gegner persönlich attackiert. Kaum jemand hat auf fernsehkompatible Statements statt auf Argumente gesetzt. Als nach fast vierstündigem Austausch von medizinischen Fachbegriffen, rechtlichen Expertisen und Bibelversen die Delegierten des 23. Parteitages der CDU matt, aber auch stolz auf die unbequemen Stühle in der Karlsruher Messehalle zurücksinken, kann nicht einmal der dröhnende Gastredner Horst Seehofer die ruhige Konzentration stören. Jetzt wagt keiner mehr, das Ergebnis der Abstimmung über die Präimplantationsdiagnostik (PID) vorherzusagen, es scheint nun wie die Debatte: völlig offen. Die Hauptprotagonisten sind hinter der Bühne: Peter Hintze, der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, der eindrücklich vom Leid von Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch sprach. Und Hubert Hüppe, der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, der schilderte, wie sich Eltern von Kindern fühlen, die es mit einer PID nie gegeben hätte. Beiden geht die Debatte so nahe, dass sie das Ergebnis nicht unter Beobachtung erfahren wollen.

Angela Merkel aber, die Bundeskanzlerin, sitzt auf der Bühne, im Tagungspräsidium und lächelt. Sie kennt das Ergebnis seit ein paar Sekunden, es ist ganz in ihrem Sinne ausgefallen: 408 Abgeordnete haben für ein Verbot der PID gestimmt, wie es das CDU-Grundsatzprogramm vorsieht. 391 Abgeordnete waren dagegen. 51 zu 49 Prozent. Das denkbar knappste Ergebnis. Das Verbot, also die Position, die Merkel überraschend einnahm, hat obsiegt. Aber auch die PID-Befürworter, die in Merkels Umfeld dominieren, haben durch das knappe Ergebnis Legitimation für ihre abweichende Meinung gewonnen.

In die Debatte auf dem Parteitag griff die Kanzlerin - anders als bei der Stammzellendebatte vor drei Jahren - bewusst nicht direkt ein. Wohl aber in den Debattenverlauf. Als am Montagabend der Bremer Landesvorsitzende Thomas Röwekamp den Vorschlag macht, nur 21 Wortmeldungen und drei Minuten Redezeit zuzulassen, fällt ihm Merkel ins Wort und redet den Delegierten gleich ins Gewissen: "Ich möchte, dass das Thema gründlich beredet wird. Ich will aber nicht, dass wir morgen mit der Hälfte des Parteitages dasitzen - ich weiß, wovon ich rede."

Nach der Stammzellendebatte vor drei Jahren war der Parteiführung vorgeworfen worden, eine nächtliche Abstimmung habe wegen vieler Abwesender eine Zufallsmehrheit ergeben. Diesem Vorwurf will sich Merkel diesmal auf keinen Fall aussetzen. Nicht allen passt, dass es nun, um eine Aussprache ohne Begrenzung von Zeit und Rednerliste zu ermöglichen, sogar eine Geschäftsordnungsdebatte gibt: "Sind wir hier bei den Grünen, oder was?", fragt Ole Schröder, Staatssekretär im Innenministerium, genervt.

Die Delegierten jedoch wollen reden und reden und reden. Sie stimmen am Dienstag noch einen zweiten Versuch, die Debatte nach drei Stunden abzubrechen, nieder: Jeder soll sprechen dürfen. Es handelt sich nicht um einen Konflikt zwischen Basis und Führung, Frauen und Männern, Protestanten oder Katholiken. Vielmehr gibt es beide Meinungen in allen Gruppen der Partei: Der PID-Skeptiker Volker Kauder, Fraktionsvorsitzender, steht gegen die PID-Befürworterin Ursula von der Leyen, Arbeitsministerin. Delegierte, die Mediziner sind, sprechen sich gegen die PID aus, studierte Theologen hingegen dafür. Auch Überraschungen sind dabei, als etwa der Bundestagspräsident Norbert Lammert, ein praktizierender Katholik, der einst Merkel für ihre Papst-Schelte rügte, nun offenbart, er neige eher zu einer Zulassung von PID. Mit Lammerts Beitrag nimmt die Debatte noch einmal eine überraschende Wendung, über die Merkel allerdings vorher informiert war: Der Bundestagspräsident schlägt nämlich einen Kompromiss vor. Die PID solle weiter verboten bleiben, ihre Anwendung jedoch nicht strafrechtlich verfolgt werden. Mit diesem Kompromiss ist schon die Straffreiheit von Abtreibung eingeführt wollen.

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Viele Delegierte betonen in der Debatte jedoch die hohe Zahl von Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland (einige sprechen von 120 000 im Jahr, andere sogar von 200 000). Eine Lösung, wie sie Lammert - und auch der saarländische Ministerpräsident Peter Müller - anstrebt, könnte freilich nicht der Partei-, sondern nur der Bundestag treffen. Doch die Delegierten wollen nicht vertagen, sondern entscheiden. Das zeichnete sich schon früh ab. Trotz desaströser Umfragewerte der schwarz-gelben Regierung, trotz der Neuwahl eines Großteils der Parteiführung, trotz Großreformen wie der Abschaffung der Wehrpflicht ist das eigentliche Thema des Parteitages von Anfang an die philosophische Frage, die hinter jeder Haltung zur PID steckt: Wann beginnt menschliches Leben? "Bei der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle", macht der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, schon im Gottesdienst vor dem Parteitag die katholische Position klar. Peter Hintze, der evangelische Pastor, Staatssekretär und Merkel-Vertraute, hält dagegen. Nicht erst in seiner Rede, in der er erklärt, menschliches Leben beginne immer erst im Körper der Frau und eben nicht schon in der Petrischale.

Hintze hat für seinen Antrag, PID in engen Grenzen zuzulassen, die Ministerinnen Ursula von der Leyen und Kristina Schröder gewonnen. Am Abend vor dem Partei-tag unterschreibt auch Wolfgang Schäuble bei Hintze. Nun wollen also die siebenfache Mutter, die Familienministerin und der behinderte Spitzenpolitiker die Zulassung der PID. Wird das die Delegierten beeindrucken? Zuerst scheint es so. Als Merkel schon am Montag in ihrer Rede von "Embryonenselektion" spricht, also den Begriff der PID-Gegner verwendet, gibt es nur wenig Beifall. Es scheint so, als am Dienstag Katharina Reiche, die Parlamentarische Staatssekretärin im Umweltministerium, von einer Amerikanerin berichtet, die fünf Kinder an die Krankheit Muskeldystonie verlor und deren überlebende Tochter deshalb später zur PID griff. Hintze erhebt die Methode gar zur "menschenfreundlichen Alternative zur Pränataldiagnostik", also dem vorgeburtlichen Fein-Ultraschall, der in Deutschland längst eine Routineuntersuchung bei Schwangeren geworden ist. Hintze zitiert sogar aus der Offenbarung des Johannes: "Gott wird abwischen alle Tränen, es wird kein Leid mehr sein und kein Schmerz mehr." Julia Klöckner, die junge Staatssekretärin, die im Frühjahr Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz werden will, entgegnet ihm: "Den Wunsch, Tod und Leid zu überwinden, wird die Politik niemals erfüllen können."

Viele Beiträge zeugen von intensiver Beschäftigung mit dem Thema, offenbaren echte Gewissensprüfung und oft auch intellektuelles Niveau. Zwei Redner lassen dem Parteitag besonders den Atem stocken: Der Behindertenbeauftragte Hüppe zitiert Zahlen der Europäischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin und Embryologie: 119 711 Embryonen wurden im vergangenen Jahr erzeugt und getestet. Von diesen wurden nur 21 478 für gut befunden und "transferiert". Aus diesen erwuchsen nur 3158 Schwangerschaften, die nur zu 2287 Geburten führten, von denen 99 trotz PID schwerstbehindert waren. Hüppes unausgesprochenes Argument: PID ist ein falsches Versprechen. Peter Liese, Europaabgeordneter und selbst Arzt, berichtet von einer jungen Rechtsanwältin aus Brüssel, die gut mit einem Mukoviszidose-Gen lebt. Dieses aber ist die Hauptanwendung für PID. Liese ruft in die riesige, immer noch stille Messehalle: "Ich möchte, dass sich hier einer ans Rednerpult stellt und sagt: Mukoviszidose: Ja oder Nein. Downsyndrom: Ja oder Nein. Dann wissen wir, woran wir sind." Keiner der Befürworter der PID geht darauf ein. Dennoch wird diese Frage zumindest auf die Abgeordneten der CDU erneut zukommen, spätestens wenn der Bundestag im Frühjahr die Entscheidung über die PID trifft.

Quelle: Die Welt am 17. November 2010

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Dienstag, 16. November 2010

Abtreibung und ihre verschwiegenen Folgen

Das „4. interdisziplinäre Gespräch zu Biomedizin und Bioethik“, das kürzlich an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt stattfand, stellte ein sowohl ethisch wie auch gesellschaftspolitisch brisantes Thema in den Mittelpunkt: die Folgen des Schwangerschaftsabbruchs für die betroffenen Personen. Viele Frauen, aber auch manche Männer leiden ein Leben lang. Von Magdalena Hager

„Für über 80 Prozent der Frauen, die eine Abtreibung vornehmen lassen, ist es eine schwere traumatische Erfahrung; mehr als 20 Prozent tragen dauerhafte psychische Schäden davon“, so Angelika Pokropp-Hippen, Ärztin aus Münster, die sich auf die Betreuung und Begleitung von Menschen nach einer Abtreibung spezialisiert hat. Wenn man bedenke, dass alleine in Deutschland pro Jahr weit über 100 000 Kinder abgetrieben werden, bedeute dies eine erschreckend hohe Anzahl an betroffenen Personen: „All dies trifft bei weitem nicht nur Frauen, die vorher schon labile Persönlichkeiten waren.“

Frau Pokropp-Hippen äußerte sich auf dem „4. interdisziplinären Gespräch zu Biomedizin und Bioethik“. Schon der Titel der Veranstaltung, „Schwangerschaftsabbruch. Hintergründe – Folgen – Heilung“, machte deutlich, dass es keineswegs nur darum ging, die Problematik aufzuzeigen, sondern sich auch um Auswege und Prävention zu bemühen. Veranstalter der Tagung waren das „Netzwerk Leben“ im Bistum Eichstätt sowie der Lehrstuhl für Moraltheologie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, zusammen mit der Juristen-Vereinigung Lebensrecht und dem Verein „Ärzte für das Leben“.

Der Langenfelder Gynäkologe Detlev Katzwinkel und Dorothee Erlbruch, die Leiterin der Beratungsstelle „Aus-WEG?!“ in Pforzheim, berichteten aus ihrer Praxis übereinstimmend von denselben Symptomen bei Betroffenen. Die Frauen scheinen nach außen hin häufig weiterhin zu „funktionieren“ – nach innen hin erleben sie sich aber als leer, erstarrt, wie eingesperrt in die Gedanken an die Abtreibung. Viele ziehen sich von ihrer Umwelt wie in ein Schneckenhaus zurück. Manche empfinden so starke Schuldgefühle, dass sie beginnen, sich selbst zu verletzen. Depressionen, Angstzustände, Schlafstörungen können auftreten, Suizidgedanken schleichen sich ein.

Depressionen, Angstzustände, Schlafstörungen

Doch nicht nur Frauen sind betroffen. Auch Männer, deren Frauen eine Abtreibung vornehmen ließen, können schwer an der Last tragen, dass sie eigentlich Vater wären, ihr Kind aber nie geboren wurde. Der gemeinsame Schmerz verbindet die Partner jedoch nicht, sondern stellt sich wie eine Wand zwischen Mann und Frau. Viele Beziehungen zerbrechen nach einer Abtreibung.

Von selbst heilen die Wunden nicht, die ein Schwangerschaftsabbruch zumeist nach sich zieht. Die Betroffenen brauchen Hilfe. Manche Frauen leiden lange, bis sie endlich einen Therapeuten finden, der mit ihnen das Trauma aufarbeitet. Dieser Weg der Aufarbeitung muss dabei ein Weg der Versöhnung sein: Versöhnung mit dem abgetriebenen Kind, mit sich selbst, mit dem Partner, der Familie, Versöhnung mit dem Leben – und Versöhnung mit Gott: „Es genügt nicht, nur die Symptome zu behandeln“, betonte Frau Pokropp-Hippen. Lange kann sich so eine Therapie hinziehen. Aber die Referenten können durchaus auch von Erfolgen berichten: von Frauen, die wieder aufleben, die ihr Leben wieder in die Hand nehmen können. Um das Leid der Frauen von vornherein zu verhindern und das menschliche Leben von Anfang an zu schützen, ist eine wirkungsvolle Prävention gegen Abtreibung notwendig. Dafür ist das gesellschaftliche Klima, das im Hintergrund der Entscheidung für oder gegen eine Abtreibung steht, von großer Bedeutung.

Von juristischer Seite aus machte Rainer Beckmann, Richter in Würzburg, darauf aufmerksam, dass in der Abtreibungsdebatte sehr viel von der Bewertung des Status eines Embryos abhänge. Materialistische Strömungen, die den Embryo lediglich als „Zellhaufen“ ansehen, begünstigten natürlich eine Abtreibungsmentalität, während dort, wo der Embryo als Mensch und Person anerkannt wird, auch mit der Frage der Abtreibung anders umgegangen werde. In den Lehrplänen der Schulen komme die Thematik oft zu kurz. Gerade bei jungen Menschen finde man daher viel Halbwissen und Verwirrung. Ihnen das erforderliche Wissen mit auf den Weg zu geben, sei ein wichtiger Auftrag für die Gesellschaft.

Aus der Sicht der christlichen Ethik stellte Professor Stephan E. Müller vom Lehrstuhl für Moraltheologie in Eichstätt die Bedeutung der Gewissensbildung für den Lebensschutz heraus. Dabei gehe es sowohl um Normvermittlung (Tötungsverbot) als auch um die Vermittlung von Werthaltungen (Tugenden). Dazu gehört das Ja zum unermesslichen und unverletzlichen Wert jedes Menschenlebens in allen Stadien seiner Entwicklung. Solche Lebensbejahung ist angewiesen auf die Erfahrung von Solidarität gerade in Lebenslagen, die einen breiten Bedarf an Unterstützung erfordern, wie es in einer Schwangerschaft generell und in einem Schwangerschaftskonflikt in besonderer Weise der Fall ist. Gewissensbildung gehe Hand in Hand mit Beziehungsbildung, deren Mitte eine sich entfaltende Liebesfähigkeit darstellt, um Partnerschaftskompetenz zu lernen, die Grundlage von Elternschaft in Liebe und Verantwortung ist. Empirische Studien zeigen, dass die Einstellung zum Lebensschutz abhängt von den familialen Erfahrungen in Kindheit und Adoleszenz.

Mit philosophischen Hintergründen der Abtreibungsmentalität beschäftigte sich die (durch Professor Würmeling vorgetragene) Ausarbeitung von Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, Professorin an der TU Dresden. Das in unserer Gesellschaft herrschende Frauenbild berge in sich die Gefahr einer grundlegenden Beziehungsstörung zum eigenen Körper, wie sie in manchen feministischen Richtungen zum Ausdruck komme. Dort, wo der Körper als reines Objekt des menschlichen Willens betrachtet wird, mit dem nach Belieben verfahren werden kann, gehe der Blick auf die Würde des menschlichen Leibes und auf den tieferen Sinn von Weiblichkeit verloren. Abtreibung erscheine dann als plausibles Mittel, den eigenen Körper zu unterwerfen und scheinbar die Autonomie zu erhalten. Dieses Autonomiekonzept zielt aber an der eigentlichen Selbstbestimmung der Frau vorbei.

Sensibilisierung der Gesellschaft nötig

„Die Entscheidung zur Abtreibung wird von vielen Frauen im Nachhinein als ein Fehler erkannt, unter dem sie sehr leiden. Dass die Entscheidung selbstbestimmt getroffen wurde, macht sie nicht richtiger und die Folgen nicht leichter“, führte Professor Enrique H. Prat de la Riba aus, einer der Gründer des „Instituts für Medizinische Anthropologie und Bioethik“ (IMABE). Es brauche daher eine Sensibilisierung der Gesellschaft und eine Aufklärung über die gravierenden Folgen der Abtreibung, damit eine Frau in Not nicht aus Unwissen den vermeintlich leichteren Weg der Abtreibung wählt. Erst dann könne man von tatsächlicher Selbstbestimmung und Autonomie sprechen. Die Sorge um die Selbstbestimmung der Frau sei außerdem ein Anliegen, das geeignet sei, auch einen breiten politischen Konsens zu erreichen. Eine Diskussion, die auf dieser Grundlage geführt werde, könne dazu beitragen, den Lebensschutz wirksamer als bisher in der Gesetzgebung zu verankern.

Als Ergebnis der Tagung zeigte sich deutlich, dass erst dann, wenn das Leid von Frauen nach einer Abtreibung nicht mehr als „Tabu“ behandelt wird, eine Chance für eine Änderung der gesellschaftlichen Ansicht zu diesem Thema besteht. Dort, wo die Gesellschaft dazu tendiert, vermeintliche „Problemfälle“ wie behinderte Kinder von vornherein durch Abtreibung aus der Welt zu schaffen, lädt sie gleichzeitig unendliche Lasten auf die Schultern vieler Frauen, die unter dem Druck einer Abtreibung zustimmen und nachher schwer an den Folgen tragen. Abtreibung ist eben keine bequeme Lösung von Problemen, sondern Tötung eines Kindes. Und die Mutter leidet darunter. Das Bestreben, dieses Leid wirkungsvoll zu lindern und, wo möglich, zu verhindern, steht deshalb am Ende der Tagung – als Fazit ebenso wie als Auftrag.

Quelle: Die Tagespost vom 15. November 2010

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Donnerstag, 11. November 2010

IVF: Indien boomt als Markt von Leihmüttern für Paare aus Übersee

Ärzte wollen mehr Klarheit über das Gesetz zum Import von Embryonen

Das Indian Council of Medical Research (ICMR) hat im Jahre 2007 Leitlinien herausgegeben, die den Export von menschlichen Embryonen verbieten. Ärzte fordern nun eine klare Rechtsprechung bezüglich des Imports. Hintergrund der Debatte ist die Leihmutterschaft, die in Indien zu einer regellosen Industrie geworden ist. Eine medizinisch-rechtliche Debatte entbrannte erst kürzlich, als ein menschlicher Embryo in einem Behälter mit flüssigem Stickstoff von der Zollbehörde als unannehmbares Gepäck klassifiziert und in die USA zurückgeschickt worden war. IVF-Kliniken implantieren Embryos, die von weither an Frauen aus meist sozial niedrigen Schichten gelangen und gegen Geld ihre Gebärmütter zur Verfügung stellen. Das Verfahren wird dadurch billiger als in den westlichen Staaten. Geht es nach dem ICMR, soll diese Vorgangsweise nicht verboten werden, sondern auf ganz legalem Wege möglich sein. Der Gesetzesentwurf spricht von staatlich akkreditierten „Banken“, die künftige Leihmütter sowie Eizellen und Spermien aus dem Versandhaus in einer Datei registrieren. R. S. Sharma, Vize-Generaldirektor des ICMR, argumentiert damit, dass das Gesetz der Ausbeutung von armen Leihmüttern ein Ende setzen werde, berichtet Times of India (online, 4. Oktober 2010). „Infertile Paare müssen dann nicht auf die Jagd nach Leihmüttern gehen. Die ‚Bank’ wird ihnen dabei behilflich sein! Außerdem wird das Paar mit aller Information über den sozialen Hintergrund und die medizinischen Befunde jener Person versorgt, deren Uterus sie mieten wollen“, sagt Sharma. Den Frauen werden fünf Lebendgeburten zugestanden, die eigenen Kinder eingerechnet. Nach dem neuen Gesetz sollen Frauen nicht mehr als fünf Lebendgeburten haben dürfen; Eizellspenden sollen nur sechsmal in ihrem Leben gestattet sein. „Dass über die psychischen Auswirkungen auf Frauen und das Problem, dass reiche Länder offenbar von Frauen profitieren, die sich aus finanzieller Not zu Dumping-Preisen als lebende Brutkästen zur Verfügung stellen, kein Wort verloren wird, ist ein Skandal“, betont Susanne Kummer, stv. Geschäftsführerin von IMABE. Die Herstellung von Menschen zu kostenniedrigsten Produktionspreisen gehorche nur noch einer Logik des Marktes und widerspreche eindeutig der Würde des Menschen, so Kummer.

Quelle: IMABE-Newsletter November 2010

Studie: Ärzte beklagen mangelnde Kommunikation mit Kranken

Technik und Bürokratie lassen kaum noch Zeit für die Patienten

Vier Minuten am Krankenbett, 20 Sekunden für die Angehörigen: Das ist die Zeit, die Stationsärzte durchschnittlich am Krankenbett des Patienten bzw. für die jeweiligen Verwandten aufbringen. Das ist das Ergebnis einer Studie, die an der Universitätsklinik in Freiburg durchgeführt wurde und im BMC Health Services Research (2010; doi:10.1186/1472-6963-10-94) publiziert wurde. Die flüchtigen Patientenkontakte standen zugleich in einem markanten Kontrast zu den fast elf Stunden währenden Arbeitstagen der Ärzte. Auf Ruhepausen entfielen dabei lediglich 35 Minuten und auf Gespräche mit sämtlichen Patienten und deren Angehörigen achtzig Minuten. Die verbleibende Zeit erledigten die Stationsärzte zahlreiche andere Aufgaben, darunter etliche Schreibtischarbeiten. Sie hatten Patientendaten zu dokumentieren und Abrechnungsformulare auszufüllen. Die wachsende Überfrachtung mit solchen nicht-ärztlichen Tätigkeiten machen viele Ärzte auch dafür verantwortlich, dass ihnen kaum noch Zeit für ihre Patienten bleibt, heißt es in einem Übersichtsartikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (online, 21. November 2010), der sich der für Ärzte und Patienten unbefriedigenden Kommunikationssituation und möglichen Auswegen widmet.

Nicht die Quantität, sondern die Qualität mache es aus, sagen die einen. Unübersehbar ist zugleich der Trend, dass der Einsatz von medizintechnischen Untersuchungen finanziell besser abgegolten wird als die zeitliche Widmung am Patienten – und das trotz der Erkenntnis, dass die gute Kommunikation und das Vertrauen zum Arzt einen erheblichen Faktor für den Therapieerfolg ausmachen. Auch Ärzte leiden unter der „Entmenschlichung der technikorientierten modernen Medizin“, stellen Thomas Cole und Nathan Carlin vom Gesundheitszentrum der University of Texas in Lancet (2009; 374: 1414-1415) fest. Die Kluft zwischen den beruflichen Idealen und den limitierenden Umständen des Arbeitsalltags kann zu einer Dauerspannung führen, zu chronischem Stress und Burnout. Einen Ausweg aus diesem Dilemma sieht der deutsche Kommunikationsexperte und Mediziner Linus Geisler in einer stärkeren Gewichtung der „sprechenden Medizin“. Ärzte, die über gute kommunikative Fertigkeiten verfügen, würden demnach nicht so empfindlich auf beruflichen Stress reagieren, könnten die Krankheiten ihrer Patienten emotional besser verkraften und würden außerdem weniger zu Depressionen und Suizid neigen.

Quelle: IMABE-Newsletter November 2010

USA: Warnung vor fragwürdigen Gentests privater Anbieter

Wenig seriöse Firmen wollen einen Markt begründen und Geschäft machen

Immer mehr Menschen scheinen davon überzeugt, dass die Zukunft ihrer Gesundheit aus den Genen abgelesen werden kann. Das Geschäft mit Gentests, die von privaten Firmen übers Internet angeboten werden, nimmt dementsprechend zu. Sie stellen sich als seriös dar, doch gegen kommerzialisierte Gentests gibt es ernsthafte Einwände, heißt es in einer Analyse in Lancet (2010; 376: 1377-1378).

Erst im Juli 2010 hatte das US General Accounting Office (GAO) einen besorgniserregenden Bericht vorgelegt. Das GAO hatte genetisches Material von angeblichen Kunden an verschiedene private Anbieter von Gentests geschickt, wobei der Einsender direkt die Ergebnisse zugesandt bekam. Nach einer kritischen Analyse dieser Tests war das Urteil vernichtend: Die Resultate waren „irreführend und hatten nur geringe oder keine praktische Bedeutung“.

Vor kurzem hat auch das Nuffield Council on Bioethics (London) die Frage aufgeworfen, ob es zulässig sei, „einen Aspekt der Gesundheit als Konsumgut und damit als Ware“ zu betrachten. Der Council gab außerdem zu bedenken, dass diese Tests „nicht nur der Befriedigung eines Kundenwunsches entsprechen, sondern auch dazu genutzt werden, diese Wünsche zu manipulieren und darauf einen dauerhaften Markt zu gründen“. Auch andere Regierungen zeigen sich besorgt: In Deutschland etwa wurde heuer ein Gesetz verabschiedet, wonach genetische Vorsorgeuntersuchungen „ausschließlich von in Humangenetik oder verwandten Disziplinen spezialisierten Ärzten durchgeführt und befundet werden dürfen“.

Lancet-Autorin Laurie Udesky fasst die Einwände der Experten wie folgt zusammen: Tests für triviale Belange (wie die Prognose der Glatzenbildung bei Männern) würden automatisch mit Tests für heikle Krankheitsprognosen (z. B. Alzheimer) verquickt. Der Konsument könne die Konsequenzen aus den Testergebnissen nicht abschätzen, er wird beunruhigt, verängstigt, auch Fälle von Suizid wurden bekannt. Es fehle die dringende weiterführende genetische Beratung. Einige Firmen würden sich dazu hergeben, genetisches Material ohne Information und Einwilligung des Betroffenen auf bestimmte Merkmale zu testen, was offenkundig unethisch und auch gesetzeswidrig ist.

Quelle: IMABE-Newsletter November 2010

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Werbung: Neue Richtlinien mahnen Ärzte zur Einhaltung des Berufsethos

Deutsche Bundesärztekammer sieht Missstände und reagiert

Die Informationstechnologien zählen zu den wichtigsten Neuerungen jüngster Zeit. Sie nehmen in vielfacher Hinsicht auch Einfluss auf die Arzt-Patient-Beziehung. Ihre Nutzung wirft erhebliche ethische Fragen auf, nicht zuletzt, weil zur gleichen Zeit andere Entwicklungen in der Medizin das Berufsbild des Arztes beeinflussen, auch im Bereich der Werbung, erklärt der Vorsitzende der Zentralen Ethikkommission bei der deutschen Bundesärztekammer (ZEKO), Urban Wiesing. Aus diesem Grund hat die ZEKO nun eine umfassende Stellungnahme publiziert, in der sie praxisorientiert auf die neuen Informationstechnologien eingeht. Aus ethischer Sicht sei festzuhalten, dass das spezifische Verhältnis von Arzt und Patient sich von anderen Dienstleistungs- und Informationsverhältnissen unterscheidet. „Medizinische Informationen und Leistungen sind nicht Dienstleistungen wie alle anderen. Grundsätze wie ‚nihil nocere’ und ‚neminem laedere’ gelten für ärztliche Werbung und Kommunikation nicht weniger als für die eigentliche ärztliche Behandlung“, betonen die Autoren (Deutsches Ärzteblatt (2010; 107(42): A-2063 / B-1795 / C-1767 22.10).

Im ärztlichen Berufsbild hätten sich gravierende Veränderungen durch ökonomische, technische und rechtliche Entwicklungen im Zusammenhang mit Werbung und neuen Formen technischer Kommunikation ergeben. In ökonomischer Hinsicht versuchen viele Ärzte, sich mehrere Standbeine und damit neue Erwerbsquellen zu erschließen. Insofern entsteht ein „Gesundheitsmarkt“, für dessen Angebote auch geworben wird. In technischer Hinsicht haben neue Kommunikationsformen wie Internet, interaktive Medien und E-Mail die Tätigkeit des Arztes und das Verhältnis zum Patienten erreicht und verändert. Zeitgleich hat die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und anderer Gerichte traditionelle rechtliche Beschränkungen der Werbung und Information im Bereich der freien Berufe mehr und mehr gelockert.

Vor diesem Hintergrund, so betont das ZEKO, könne es nicht um ein defensives Verhalten gehen. Vielmehr soll ein Beitrag zur Entwicklung von Standards einer „good medical communication practice“ geleistet werden, die ihrerseits normativer Bestandteil eines gewandelten Arztbildes sein könnten.

Die Stellungnahme wendet sich an Ärzte, Gesundheitspolitiker, Juristen, Wissenschaftler und Medien. Mit ihr hofft die ZEKO, eine der Bedeutung des Gegenstandes entsprechende Diskussion in den Fachgesellschaften und der Öffentlichkeit anzustoßen. Es bleibt zu hoffen, dass diese Diskussion auch von den entsprechenden Gremien in Österreich aufgegriffen wird.

Quelle: IMABE-Newsletter November 2010

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Frankreich: Höchster Staatspreis geht an Locked-in-Syndrom-Patientin

56-jährige Französin setzte sich beispielhaft gegen Euthanasie ein

Frankreich setzt ein Zeichen: Der höchste Orden der Republik, die Légion d'honneur, ging vor wenigen Tagen an eine 56-jährige Französin, die seit 26 Jahren am Locked-in-Syndrom (LIS) leidet. Maryannick Pavageau erhielt die Auszeichnung für ihre Verdienste im Kampf gegen Euthanasie. Beim Locked-in-Syndrom sind Patienten meist genauso aufnahmefähig wie Gesunde, können alles in ihrer Umgebung hören und verstehen, sich aber nur schwer oder gar nicht mitteilen. Es ist vom Wachkoma abzugrenzen, da das Bewusstsein der Patienten größtenteils erhalten bleibt. Als die Französin als 30-Jährige im Jahr 1984 nach einem Schlaganfall am LIS erkrankte, war die Krankheit noch kaum näher erforscht und wenig bekannt. Erst mit dem vom Chefredakteur der französischen Elle-Ausgabe, Jean-Dominique Bauby, verfassten Bestseller Schmetterling und Taucherglocke (1997) gelangte das Schicksal von LIS-Patienten an eine größere Öffentlichkeit. Pavageau wachte nach drei Monaten im Koma auf und war bei vollem Bewusstsein. Dank intensiver Therapie und fast eineinhalb Jahren Spitalsaufenthalt lernte sie von Neuem zu sprechen. Sie ist an den Rollstuhl gefesselt und braucht eine Rundum-Pflege. Als Mitglied der Association of Locked-in-Syndrome (ALIS) trug sie wesentlich zum 2008 verfassten „Leonetti-Bericht“ bei. Dieser bekräftigte aufgrund der Erfahrungen mit dem 2005 beschlossenen Gesetz zur Sterbehilfe, dass aktive Sterbehilfe in Frankreich eine Straftat bleibt.

„Jedes Leben ist lebenswert“, betont Pavageau in einem Interview mit der Regionalzeitung Saint-Nazaire anlässlich der Preisverleihung (online, 27. November 2010). „Das Leben kann schön sein, unabhängig davon, in welchem Zustand wir uns befinden. Ich bin entschieden gegen Euthanasie, denn nicht das physische Leiden bringt den Todeswunsch mit sich, sondern die Mutlosigkeit, sich bloß als Last zu fühlen.“ Dem medialen Bombardement, wonach ein Leben wie das ihre nicht lebenswert sei und daraus ein „Recht auf Sterbehilfe“ abzuleiten wäre, hält die Französin den Lebenswillen von LIS-Patienten entgegen. In einer Studie zur Lebensqualität von Locked-in-Syndrom-Patienten hatte eine große Mehrheit geantwortet, dass sie im Falle eines gravierenden Herzinfarkts wiederbelebt werden wollten. Die Frage nach Euthanasie sei in den meisten Fällen ein Schrei nach Liebe. Die Kraft, um selbst weiterzukämpfen, verdanke sie der Liebe ihres Mannes und ihrer Familie.

Quelle: IMABE-Newsletter November 2010

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PID: Ethische Debatte über Gentests an Embryonen spitzt sich zu

CDU-Politiker sprechen sich für uneingeschränktes Verbot der PID aus

Der deutsche CDU-Behindertenbeauftragte Hubert Hüppe hat sich für ein eindeutiges Verbot von Gentests an Embryonen vor der Einpflanzung in den Mutterleib ausgesprochen. Auch eine eingeschränkte Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID) würde letztlich eine Entscheidung erfordern, ob Leben lebenswert oder lebensunwert sei, sagt Hüppe.

Der gesundheitspolitische Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament (EVP/Christdemokraten), Peter Liese, hält ebenfalls eine eingeschränkte Zulassung der PID für nicht praktikabel. Die Erfahrung im Ausland zeige, dass die Begrenzung auf Erkrankungen, die entweder zu einer Fehlgeburt oder zu einem frühen Tod des Kindes nach extremem Leiden führen, nicht umsetzbar sei. Nach Einschätzung Lieses ist es unvermeidbar, dass bei der PID nicht nur Krankheiten, sondern auch zusätzliches erkannt werde, etwa das Geschlecht der Embryonen. Diese Informationen könnten dann nur schwer Eltern vorenthalten werden. Beide Politiker und zahlreiche Prominente aus Kultur und Gesellschaft unterstützen die Internet-Plattform www.stoppt-pid.de.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich zuletzt ebenfalls für ein Verbot der PID ausgesprochen. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen und Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (beide CDU) unterstützen nach Zeitungsangaben einen Initiativantrag für eine begrenzte Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID). Gruppenanträge über die Parteigrenzen hinweg werden eine entscheidende Rolle in der parlamentarischen Abstimmung spielen, denn: In der Frage eines möglichen Verbots der Präimplantationsdiagnostik sind die Abgeordneten von Union und FDP nur ihrem Gewissen verpflichtet und können ohne Fraktionszwang entscheiden, so hatten es kürzlich CDU, CSU und FDP vereinbart.

Wann die Abstimmung stattfinden soll, ist offener Streitpunkt: Die schwarz-gelbe Regierungskoalition drängt im Bundestag, noch vor Weihnachten über eine Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID) zu entscheiden, SPD und Grüne wollen diese Pläne verhindern. Für Peter Liese ist eine rasche Entscheidung wichtig. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte die Präimplantationsdiagnostik (PID) Anfang Juli 2010 in Einzelfällen für zulässig erklärt. Liese, der als Arzt am humangenetischen Institut der Universität Bonn promovierte, hat ein Hintergrundpapier mit Argumenten für ein Verbot zusammengestellt. Sollte der Bundestag nicht schnell handeln, werde das Urteil des Bundesgerichtshofes „dramatische Auswirkungen auf den Embryonenschutz und die gesellschaftlichen Entwicklungen in Deutschland und darüber hinaus haben“.

Quelle: IMABE-Newsletter November 2010

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Symposium Fehlerkultur, 19./20. 11. 2010: Vertrauen sichern, Verantwortung übernehmen, Kommunikation fördern

Wie man das Beste aus einer misslichen Situation machen kann

Gesunde Niere entfernt, falsches Bein amputiert: Es sind tragische Ereignisse, mit denen die Medizin in Österreich derzeit Schlagzeilen macht. Unwillkürlich drängen sich dabei Fragen auf: Wie lassen sich solche Fehler vermeiden? Wer trägt dafür Verantwortung? Was heißt Schuld? Lassen sich Fehlerquellen nicht früher erkennen? Was ist in der internen Kommunikation schief gelaufen? Wie sagt man es dem Patienten?

Am IMABE-Symposium „Fehlerkultur in der Medizin“ (19./20. November 2010 in der AUVA, Wien) greifen Experten diese aktuellen Fragen im interdisziplinären Austausch auf. Der Philosoph Clemens Sedmak (Universität Salzburg) hält es für problematisch, dass durch die „Kultur der Rechenschaftspflicht“ in der Medizin ein „unglaublich bürokratischer Apparat“ entstand. Das „Moment der Verantwortung“, nämlich selbst einzuschätzen und selbst zu urteilen, werde zunehmend an anonyme Instanzen delegiert, kritisiert Sedmak in einem Interview mit der Österreichischen Ärztezeitung aus Anlass des Symposiums (25. Oktober 2010). Fehlerkultur setze eine Kultur von Verantwortung voraus.

Für Markus Schwarz, vormaliger Wirtschaftsdirektor der Christian-Doppler-Klinik und Leiter des Public Health Instituts der PMU in Salzburg, hängt der mangelhafte Umgang mit Fehlern im medizinischen Alltag mit zu strengen Hierarchien zusammen. Je nach Leitung könne der Einzelne über eigene Fehler oder die eines anderen sprechen – oder es wird geschwiegen. In der Entwicklung einer internen Fehlerkultur sollte man davon wegkommen, alles auf einen Schuldigen abzuwälzen, denn „in der Regel ist ein Fehler ein Fehlverhalten mehrerer Beteiligter“, sagt Schwarz (vgl. Österreichische Ärztezeitung, 25. Oktober 2010). Fehler sollten deshalb „als ein gemeinsam zu verhinderndes Ereignis wahrgenommen werden“, betont der Experte.

Wenn es zu einem tragischen Vorfall gekommen ist, stellt sich die Frage: Wie sage ich es dem Patienten? Der Wiener Unfallchirurg Titus Gaudernak wird anhand von „Sechs Kriterien einer patientenorientierten Kommunikation“ (vgl. „Umgang mit Fehlern“, Ärztewoche online 27. Oktober 2010) erläutern, dass Ärzte gegenüber dem Patienten die Pflicht zur Ehrlichkeit haben. Nur ein klar pro-aktives Verhalten kann einem drohenden Vertrauensverlust vorbeugen.

Weitere prominente Referenten des Symposiums sind u. a. der Gynäkologe Norbert Pateisky (Leiter der Abteilung für Risikomanagement und Patientensicherheit des AKH Wien), der Medizinsoziologe Holger Pfaff (Universität Köln), der Jurist Michael Memmer (Universität Wien), die Kommunikationstrainerin Gabriele Cerwinka, Pflegedirektorin Astrid Engelbrecht (KH Hietzing), sowie Andreas Greslehner, Ärztlicher Direktor der AUVA.

Weitere Infos zum Symposium „Fehlerkultur in der Medizin“ entnehmen Sie unserer Homepage: http://www.imabe.org/index.php?id=1392

Download Programm: http://www.imabe.org/fileadmin/downloads/2010-11-19_Programm.pdf.

Anmeldeschluss: 10. November 2010

Quelle: IMABE-Newsletter November 2010

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Donnerstag, 4. November 2010

'IVF destroyed my family': How a mother's desperate quest for a second child took over her life

When Helen James embarked on fertility treatment in pursuit of her longed-for ‘perfect’ family, she didn’t anticipate how all-consuming her quest would become. Then, when her marriage began to crumble under the pressure, she found herself facing the most difficult decision of her life.

When I look at my three-year-old son, I am filled with an immense, empowering love. I feel I could lift cars, end wars and change the world. He is my life. He is also my prize – the IVF baby I thought I would never have.

Medical technology has made me a mother, and my amazing son is living proof of how mind-blowing science truly is. At the same time, IVF technology and the hope it proffers has driven a stake through the very heart of my life. I have a son but I also have a divorce to my name, a string of lost or radically altered friendships, and the emotional scars of years of medical intervention. Society would call me churlish for saying it, because I got my ‘prize’, but the relentless pursuit of fertility has been a poisoned chalice.

Every year, one UK couple in six has problems conceiving, according to the Human Fertilisation and Embryology Authority (HFEA). Infertility is now the most common reason, after pregnancy itself, why women aged 20 to 45 see their GP. The latest HFEA statistics show that almost 37,000 women have IVF treatment each year, resulting in around 14,000 babies born (including multiple births). In other words, it takes an average of three treatment cycles to get a healthy baby. For most couples, it’s a journey replete with false hopes and disappointments. Choosing not to undergo fertility treatment can mean the heartache of turning your back on the chance to have your own biological child. But, in my experience, doggedly pursuing parenthood can devastate in its own way.

‘Infertility can take over your life,’ says Clare Lewis-Jones, chief executive of Infertility Network UK. ‘In a recent survey, 90 per cent of the 900 women questioned said they had experienced feelings of depression and one in five had had suicidal thoughts.’

When my husband and I began our IVF journey in July 2005, I had just turned 36 and my husband 35 (he hadn’t been ready to have a family before that and, as luck would have it, when we started trying naturally we found that he had problems as a result of his low sperm count). We were filled with anxiety about the procedure and whether it would work. Having been told I’d never conceive naturally, I felt I’d suffered a bereavement that family and friends had little sympathy for (even my own mother said, ‘At least you haven’t got cancer’).

But when our IVF specialist told us it wasn’t a case of ‘if’ but ‘when’ we had a baby, we were emboldened by his confidence and became convinced we’d soon be parents. Sure enough, within weeks, we had a positive pregnancy test from our first
IVF round. Then we suffered a blow that was to mark the setting in of the infertility rot. I had a miscarriage at nine weeks. From that point on, neurosis was my constant companion and, therefore, my husband’s, too.

I was convinced that ‘it’s never going to work for us; we’ll never have a baby’. I was consumed by jealousy when I heard about anyone who was pregnant, whether they’d conceived naturally or through fertility treatment. I fell out with my best friend, who was terrified to tell me she was pregnant. As she later confessed, ‘I have to be honest, you were the last person I told. I was frightened that you would be upset.’ And indeed, when she did tell me, I was angry for days. Despite having been through so much together, including her brush with cancer in our 20s, we decided with sadness not to be friends any more. Although we are now back in touch, and are planning to get together so that I can meet her two children (she is currently pregnant with her third), our friendship has been changed for ever by my infertility. Her easy fertility was too painful for me, and my mania and selfishness were intolerable to her.

Within months of the miscarriage, after another round of treatment, my husband and I found to our delight that I was pregnant again, this time with twins – an instant family to put an end to our fertility journey. But at 20 weeks we discovered that one of the babies was severely brain damaged and were advised to end his life because it wasn’t viable. Leaving the termination until 30 weeks (they advised 32, but in the event I started having contractions two weeks earlier) would maximise the chances of our remaining son being born healthy.

Our world crashed down around us. I spent the remaining ten weeks of my pregnancy, before the selective reduction and subsequent premature birth of both boys – one alive and one dead – feeling suicidal. As I tried to prepare myself for the loss of one of the twins, wondering if I could muster the courage to kill myself, my husband battled to pull me out of depression, all the time dealing with his own sadness. At a time when we had very little money, he plundered his savings to buy me a piano so I could play to our unborn babies. His unerring goal was the pursuit of my happiness.

After the birth (our surviving son was delivered by emergency caesarean, six hours after the termination of his twin), I was told by a consultant psychologist at the hospital that I was suffering from a form of post-traumatic stress disorder from carrying a baby who I knew was going to die. I thought I would never smile again, and even though I had a healthy surviving son, I learned that raw grief easily eclipses joy. It was 18 months before I realised I was feeling the kind of happiness I thought would elude me
for ever. It was the most ‘normal’ I’d felt since the start of our infertility journey.

Instead of basking in this contentment, I forged ahead with my next mission – to have another child, to continue my pursuit of the ‘perfect family’ and to compensate for my dead son. My husband said he just wanted me ‘to be happy’ and went along with my plans, even though it meant spending more on expensive treatment and putting our life on hold again. Within 12 months, we had had three more disappointing rounds of IVF, chiefly because of my ageing eggs, and had nothing to show for it but around £70,000 of debt (later to creep up to £100,000).

I was prepared to ask any woman who'd listen if I could have her eggs

But instead of accepting where we were – the lucky parents of our own biological son – we made a decision that, although my husband didn’t seem to need any persuading at the time, was to prove a bridge too far for our marriage. We decided to pursue the egg-donation route. I now look back on my doggedness with some embarrassment, because I was like a woman possessed, prepared to ask any woman who’d listen whether I could have her eggs – but there is little that will deflect a desperate, infertile woman on her mission to grow a family. I knew I wanted any child born of donation to have access to their genetic mother because I think it is really important to know where you come from.

Aware that in the UK, children born via donated sperm or eggs through a fertility clinic can’t know anything more than the donor’s physical description, occupation and interests until they are 18 (or 16 if they need to ensure they aren’t marrying someone they are genetically related to), I turned my sights to Canada where we could choose our donor and go further than gleaning mere tantalising facts about her. In the UK, anonymous donors are matched to families by fertility clinic staff, but in Canada you can see pictures of the donor – and possibly even get to meet her if the clinic or agency helps you find a non-anonymous donor who may be happy to have an ongoing relationship with you and your child.

After months of intensive searching, we found a student who seemed perfect – she had Scottish parents (my family are Welsh) and my husband remarked, ‘She looks like she could be your sister.’ She even played the flute, like me. I was bowled over by possibility and my tunnel vision intensified. In retrospect, my husband was showing signs of anxiety, but I ignored it.

Seven months after I started my research into Canada, we were on a plane with our son, flying out to – with luck – get him a sibling. But barely 30 minutes into the flight, my husband had what we now both describe as a ‘meltdown’. He burst into tears and tried to tell me that he had misgivings about the treatment, that it just didn’t feel ‘right’, that we had our son and should see him as a miracle and leave it at that. But I didn’t hear it – I didn’t want to. I explained away his outburst as being more to do with work pressures than anything else. And I felt irritated that he was trying to get in the way of my happiness, especially as I felt that the reason we were having to use donor eggs was because it had taken him five years after we’d met to be ready to start a family, and it seemed my biology could have done with starting much earlier than we had.

During our two weeks in Canada we got to know our donor, and I even held her hand when she had her egg-collection procedure. My husband continued to have mini-meltdowns, crying at times, saying something didn’t feel quite right but then rallying round and saying, ‘Let’s go ahead with it.’ I was worried about his state of mind, but selfishly I was more worried that he might pull the plug on the donation process, whether for financial or emotional reasons; or might refuse to provide the sperm. All I could think was that I wanted our son to have a sibling and I wanted to be pregnant again. At one point I made a mini-concession, saying we could always freeze any embryos, return to the UK and have a ‘cooling-off period’ to think about it. He was mollified by this, but the next day he said, ‘Let’s just do it now.’ Even though I remember saying to the doctor that I was worried about my marriage, I didn’t realise what deep trouble it was in.

When we got back to the UK, we discovered that I was once again pregnant with twins, and it was at this point that things started to unravel. My husband didn’t come with me for the first scans and didn’t show anything like the interest he’d expressed during my pregnancy with the boys. Known as a man who loved nothing more than being at home, he stayed out late at night and went straight to work. The deterioration in our relationship was palpable, but I was on the way to completing my family and that was all that mattered to me. I also blithely concluded that we’d been through so much together that we were permanently bonded by our experiences.

But when I was eight weeks pregnant and visiting my parents, I received the phone call that changed that belief system for ever. ‘It’s not good news, I’m afraid – I want a divorce,’ he told me. He said the marriage had ‘snapped’, like a Perspex ruler when you bend it under stress for too long. Returning home, I pleaded with him to give it a chance, but he said it couldn’t be fixed. It was my turn to go into meltdown. I had wanted to be a mum again so much that I’d been prepared to travel to another continent and be impregnated with another woman’s eggs. But the thought of being a single mother to three children, two of whom had a father who didn’t want them and wouldn’t be sharing their home, and a mother who wasn’t genetically related to them, was too much to handle. I asked him to move out. I felt it would just be prolonging the agony if he stayed. And, as rationally as I could while still in shock and with my hormones all over the place, I made the decision, with him, to have a termination.

As I sat in the waiting room, I thought, ‘I’ve sat in clinics for five years wishing I was pregnant, and now I’m sitting in one waiting not to be.’ I’ve read since that, according to HFEA statistics, 80 women each year have a termination following IVF, despite having gone through so much to conceive in the first place. Before my own experiences, I would probably have thought, ‘Why would they do that?’ but now I can see how such a tragic decision could be made. When they put me under the anaesthetic, I remember thinking, ‘I wish they could give me a big dose of this and wake me up in six months when I don’t feel so distraught and shocked,’ and crying when I came round afterwards. Family and friends were devastated for me – for both the termination and the divorce that followed ten months later.

The pursuit of fertility has left an indelible mark on my life

I felt immensely sad for my son, who the other day asked me for a brother or sister and I had to say, ‘I’m too old’ (I’m 41 now and although technically I could do egg donation again, I couldn’t bear to go through it). I also felt for our donor. I still haven’t told her about the pregnancy ending, and when I do pluck up the courage I intend to tell her I had a miscarriage rather than an abortion. I would have given birth at the beginning of June, and I try to keep thoughts about the termination at the back of my mind, otherwise I feel a huge sense of loss.

To other people’s surprise, my ex-husband and I are now good friends, partly for the sake of our son but mainly because we always were, especially before infertility loomed so large in our lives. We were together for ten years and married just short of seven. We feel a shared sadness for how the baby race left us so weather-beaten. He has told me that we tried so hard to have a family (or rather my vision of the ‘perfect family’) that we lost sight of what we actually had. Living with my tireless striving for motherhood made him feel trapped and helpless, and he believed that whatever he did, I would never be happy.

He was right. The pursuit of fertility dominated every waking hour. Jenny Clifford, a counsellor with the British Infertility Counselling Association, talks about the ‘imprint of the kind of family you thought you were going to have’, the dream you may have had since childhood, and I now realise that my husband could never have made me happy while I held on to this lifelong expectation.

So I am facing up to my family, which is ‘perfect’ in many ways but is not what I had envisaged. I am alone with one child and, with scant hope of having any more, I am starting to accept the hand that life has dealt me. But that doesn’t stop me wondering how life (and our marriage) might have ended up had we not been faced with the decisions infertility forced us to make.

My experiences have opened my eyes to the unacknowledged devastation IVF can wreak. No one talks about how the pursuit of fertility can bring negative consequences: you are expected to set your eye on the goal and just keep going until you get there. And when it has worked for you, no one will countenance you talking about how long or difficult the process was. Every discussion tends to be rounded off by someone saying, ‘At least you’ve got your little boy,’ as if what you went through is cancelled out by the end result.

Of course, mothers say that, however awful the pregnancy or birth, having a baby makes it all worthwhile. Society (including doctors, nurses and health visitors) tends to prevent women who have suffered any motherhood ‘loss’ (including the inability
to conceive) from acknowledging it and
thus working through it.

A few years ago, fertility expert Lord Winston made a speech to a reproductive and genetics charity in which he said, ‘The fertility clinic is more distressing than anything else in medicine. Even if you compare it to the cancer ward, there is no contest. In my early days, I was doing a lot of the work that young doctors do, which included cancer patients. It struck me that although cancer patients were often distressed, they live with the hope that they might get better. Infertility patients don’t always have that hope: they realise that most of the time the treatment doesn’t work.’

My husband and I went through five years of stress brought on by our desire to be parents, and amazingly we have our son. But we also have the scars borne by many parents who have been through fertility treatment. A friend of mine who has one IVF son and another conceived naturally, as well as having lost a twin pregnancy, says:
‘I still feel traumatised by fertility treatment and I don’t think that will ever go, even though I have my family. People, including my mother, tell me I should be grateful. But infertility leaves its mark, like when you move a sofa and there are still dents in the carpet long after the furniture has gone.’

It has certainly left an indelible mark on my life and my marriage. Fertility expert Professor Alison Murdoch, then chair of the British Fertility Society, once told me that infertility can ‘tear a couple’s world apart’. I was able to comprehend the sense of joint loss but couldn’t see how it could become so seismic. Now I understand.

Quelle: dailymail.co.uk vom 23. Oktober 2010

Dienstag, 2. November 2010

Umgang mit Fehlern

Wie sage ich es meinem Patienten? Murphys Gesetz lautet in der bekannten Form: Alles, was schief gehen kann, wird auch schief gehen. Umgelegt auf die Medizin heißt das: Jeder wird früher oder später mit Fehlern und Fehlleistungen konfrontiert.

Ärzte dürfen keine Fehler machen, das haben wir schon in unserer Ausbildung gelernt. Im traditionellen Verhältnis einer Fehler-(Un)Kultur lautet deshalb nicht selten die Devise nach Bekanntwerden eines Fehlers: Besser nichts reden, Vorwürfe zurückweisen und nur noch fragen: Wo ist der Schuldige?

Für den Patienten ist trotz guter Aufklärung das Eintreten eines unerwünschten Ereignisses oft schwer zu verstehen, vor allem dann, wenn ein Schaden offensichtlich wird oder der Verdacht einer Schädigung aufkeimt. Spätestens dann steht die Fehlerkultur der Organisation auf dem Prüfstand.

Die Kommunikation mit dem Patienten

Wenn es im Rahmen einer Institution keine klaren, verbindlichen Definitionen über die verschiedenen, möglichen und unerwünschten Begleiterscheinungen einer Behandlung gibt und wenn keine Einigkeit darüber besteht, welche von diesen mit dem Patienten zu besprechen sind, dann gibt es rasch Probleme. Der Patient erwartet sich den optimalen Verlauf einer Behandlung, der Arzt wiederum geht davon aus, dass der Patient über alle Komplikationen ohnedies Bescheid weiß, und denkt vielleicht im Stillen: Jetzt ist eben eine Komplikation eingetreten, was muss ich da noch viel erklären? Folge ist, dass der Patient nicht ausreichend oder gar nicht informiert wird. Doch er schöpft häufig am Verhalten der Ärzte (der Operateur erscheint vielleicht nicht mehr) und des Pflegepersonals, am komplikationsreichen Genesungsverlauf Verdacht, dass hier etwas schief gelaufen sein muss. Ist das Vertrauensverhältnis erst einmal gestört, ist der Vertrauensverlust meist nicht wieder gut zu machen.

Sechs Kriterien einer patientenorientierten Kommunikation

Damit es nicht so weit kommt, braucht es klare Vorgaben, worin eine adäquate Fehlerkultur besteht und wie sie sich in der Kommunikation mit dem Patienten zeigen muss.

Rasches Handeln
Nach einer raschen, möglichst umfassenden Faktensammlung soll das erste Gespräch frühzeitig, innerhalb der ersten 24 Stunden erfolgen, vorausgesetzt, der Patient ist physisch und psychisch in der Lage, diese Information zu verkraften.

Vertrauen wiederherstellen
Der Patient ist in der Regel bereits verunsichert, er ahnt Schlimmes und ist entsprechend emotional aufgeladen. Es ist verständlich, dass ein vom Patienten vermutetes Ereignis, das nicht angesprochen oder entsprechend erklärt wird, einen starken Anreiz für eine Beschwerde oder Klage darstellt. Ein mitfühlendes und ehrliches Gespräch in geordneter Umgebung ist der erste und so wichtige Schritt, der oft am schwersten fällt.

Den objektiven Schaden minimieren
Hier geht es um die Zusicherung gegenüber dem Patienten, dass alles getan wird, um die Schädigung zu mildern und weitere Schäden zu vermeiden.

Mut zu Wahrheit
Die Angst davor, womöglich einen Behandlungsfehler einzugestehen und mit einer Klage rechnen zu müssen, spielt für den Arzt eine wesentliche Rolle, so dass solche Gespräche unbefriedigend verlaufen können. (Das Eingeständnis eines Fehlers kann zum Ausschluss der Haftpflichtversicherung führen!) Die ersten Erklärungen sollen sich deshalb auf Fakten beschränken: was vorgefallen ist, wie sich das Ereignis auf den Patienten auswirken wird, sowohl unmittelbar als auch hinsichtlich der Prognose. Aber keine Analysen, Vermutungen oder Schuldzuweisungen! Eine offene und ehrliche Kommunikation beinhaltet auch, dass glaubhaftes Bedauern zum Ausdruck gebracht wird.
Wenn es sich jedoch um einen offensichtlichen und eindeutig zuschreibbaren Fehler handelt, muss der Arzt diesen Fehler eingestehen und die Zusicherung abgeben, dass alles getan wird, um lückenlos aufzuklären, warum es zu diesem Fehler gekommen ist.

Bereitschaft für Fehlerwiedergutmachung zeigen
Es ist Aufgabe des Arztes, genauestens darüber zu informieren, wie eine Schadenswiedergutmachung aussehen könnte.

Angehörige mit einbeziehen
Bei Kindern geschieht das selbstverständlich immer, bei Erwachsenen nur nach Rücksprache mit dem Patienten.

Doz. Dr. Titus Gaudernak ist FA für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie in Wien

Quelle: Ärzte Woche 43/2010

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