Mittwoch, 14. September 2011

IMAGO HOMINIS-Vorschau: Lebensstil und Verantwortung

Der Mensch zwischen Schicksal, Verantwortung und Krankheit

Gesundheitsverhalten wird nicht nur durch Sachinformationen und Aufklärung beeinflusst, sondern auch durch das soziale Umfeld. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Prävention? Wie viel Verantwortung trägt jeder für sich selbst – und wann soll die Solidargemeinschaft einspringen? IMABE veranstaltete am 12./13. Mai 2011 in Wien ein Symposium zum Thema „Lebensstil und persönliche Verantwortung“ in Zusammenarbeit mit dem Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger sowie der Österreichischen Ärztekammer.

In der kommenden Ausgabe von Imago Hominis findet sich nun eine in Hinblick auf die Publikation erstellte Auswahl der Vorträge, in denen schwerpunktmäßig die Fragen des Zusammenhangs von Lebensstil und Krankheit sowie Prävention und Ethik, Ökonomie und Politik behandelt werden.

Der Medizinhistoriker Dietrich von Engelhardt (Universität Lübeck) beschreibt den geschichtlichen Wandel der Rechte, Pflichten und Tugenden im Umgang mit Gesundheit und Krankheit und hinterfragt den gängigen Gesundheitsbegriff. Sollte man Sanktionen bei ungesundem Lebensstil androhen? Der Medizinethiker Giovanni Maio (Universität Freiburg) lehnt dies ab und warnt vor einer neuen „Moralisierung von Krankheit“. Lebensstile werden nicht unbedingt rational gewählt, hält der Ethiker Enrique Prat (IMABE, Wien) fest. Prävention muss frei gewählt werden. Prat plädiert daher für eine Kultivierung der menschlichen Tugenden. Der Soziologe Manfred Prisching (Universität Graz) analysiert Tendenzen wie Individualisierung, Vergemeinschaftung, Sensationalisierung und Konsumismus kritisch und diskutiert sie unter dem Gesichtspunkt des „guten Lebens“. Der Sozialmediziner Horst Noack (Universität Graz) geht den Fragen der Gesundheitsgerechtigkeit am Beispiel Österreichs und Deutschlands nach und kommt dabei zu überraschenden Ergebnissen. Die Problematik der Effektivität von Kampagnen zur Primärprävention behandelt der Evaluationsforscher Wolf Kirschner (FB+E Forschung, Beratung + Evaluation GmbH, Berlin). Public-Health-Forscher Thomas Czypionka (IHS, Wien) setzt sich in seinem Beitrag mit Prävention aus volkswirtschaftlicher Sicht auseinander.

Die Imago-Hominis-Ausgabe 3/2011 mit dem Schwerpunkt „Lebensstil und Verantwortung“ findet sich auf http://www.imabe.org/index.php?id=1522 und kann als Einzelheft um € 10,– bezogen werden.

Quelle: Imabe-Newsletter September 2011

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Studie: Reproduktionsärzte klären Paare nicht hinreichend auf

Rechtzeitige Ausstiegstrategie hilft vor unrealistischen Erwartungen

Viele Paare in Deutschland werden vom Arzt nicht ausreichend über die Risiken der künstlichen Befruchtung und ihre psychischen Belastungen aufgeklärt. Viele Frauen wagen es trotz hoher emotionaler Belastung nicht, erfolglose Therapien zu beenden; Reproduktionsmediziner würden von sich aus auch kaum dazu raten. Dies zeigt eine Untersuchung des Instituts für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin an der Ruhr-Universität Bochum (Pressemitteilung, online, 3.8.2011), die im Journal Human Reproduction (Information provision and decision-making in assisted reproduction treatment: results from a survey in Germany, doi: 10.1093/humrep/der207) veröffentlicht wurde. Die Nachwuchsgruppe „Gerechtigkeit in der modernen Medizin“ unter der Leitung von Oliver Rauprich hatte 1.500 Patienten, 230 Reproduktionsmediziner sowie 66 Psychosoziale Berater befragt. Die wichtigsten Ergebnisse: Reproduktionsmediziner klären ihre Patienten deutlich besser über die Erfolgschancen und die unmittelbaren körperlichen Risiken künstlicher Befruchtungen auf, als über die Risiken und Belastungen durch mögliche Mehrlingsschwangerschaften oder über die emotionalen Risiken und Belastungen künstlicher Befruchtungen.

Dreiviertel der Befragten gaben einen überwältigenden Kinderwunsch an, der andere Lebensziele in den Hintergrund treten lässt. Jeder zweite hatte das Gefühl, die Kontrolle über die Situation zu verlieren.

Vor diesem Hintergrund sollte nach Ansicht der Autoren eine Strategie zur Beendigung der Behandlung bei Erfolglosigkeit fester Bestandteil jeder ärztlichen Betreuung von Kinderwunschpaaren sein. Die Paare müssen frühzeitig und wiederholt auf die Probleme unrealistischer Erwartungen, überwältigender Kinderwünsche und Kontrollverluste aufmerksam gemacht werden. Alternative Bewältigungsstrategien von Kinderlosigkeit, etwa durch eine unabhängige psychosoziale Beratung, sollten in Anspruch genommen werden.

Quelle: Imabe-Newsletter September 2011

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Public Health: Wissenschaftler fordern Zusatzsteuern auf ungesunde Nahrungsmittel

Weltweit sind zwei Milliarden Menschen übergewichtig oder fettleibig

Regierungen weltweit müssen der Zunahme von Übergewicht (Body Mass Index von 25-29,9 kg/m2) und Fettleibigkeit (BMI > 30 kg/m2) mit radikalen Schritten entgegentreten. Das fordern Wissenschaftler im Editorial von The Lancet (2011; 378(9793):741, doi:10.1016/S0140-6736(11)61356-1). Die Vereinten Nationen müssten ähnlich wie im Fall des Tabakkonsums eine Rahmenkonvention zur Kontrolle von Adipositas verabschieden. Anstoß für die drastischen Forderungen liefern unter anderem neue Zahlen: Einer Studie der Universität im australischen Melbourne zufolge sind mittlerweile mehr als 1,5 Milliarden erwachsene Menschen auf der Welt übergewichtig. Hinzu kommen 500 Millionen Fettleibige sowie 170 Millionen Kinder, die entweder übergewichtig oder fettleibig sind. Während in Japan und China beispielsweise nur eine von 20 erwachsenen Frauen adipös sei, fiele in den USA eine von dreien in diese Kategorie.

Um der Zunahme von Fettleibigkeit Einhalt zu gebieten, müssten Regierungen unter anderem Zusatzsteuern auf ungesundes Essen und Trinken erheben, fordern Forscher der Harvard School of Public Health im US-amerikanischen Boston. Außerdem müsse ähnlich wie beim Rauchen die Werbung für ungesundes Essen kontrolliert werden, vor allem, um Kinder zu schützen. Bei einem Treffen der Vereinten Nationen im September müsse das Thema dringend behandelt werden. Ohne staatliche Führung sei die Epidemie des Übergewichts nicht mehr zur kontrollieren, warnen die Wissenschaftler.

Quelle: Imabe-Newsletter September 2011

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Studie: US-Geistliche haben positiven Einfluss im Krankenhaus

Gespräche erleichtern seelische Leiden und verbessern Kommunikation mit Patienten

Welchen Nutzen stiften die rund 10.000 Geistlichen in den Krankenhäusern der USA für Patienten, ihre Angehörigen und das medizinisch-pflegerische Personal? Diese Frage stand im Mittelpunkt einer weitgehend qualitativen Pilotstudie über die Rolle von Geistlichen in Palliativ-Behandlungsteams für Kinder – aus der Sicht von Ärzten und den Geistlichen selbst. Die im Journal of Palliative Medicine (2011; 14(6): 704-707) publizierte Studie wurde im Auftrag des The Hastings Center und des Rush University Medical Center in Chicago durchgeführt.

Im Fokus der durchgeführten Erhebung standen 8 von 28 USA-weit verbreiteten Programmen zur kindbezogenen Schmerzbehandlung (so genannte "pediatric palliative care" ), in die Geistliche strukturell eingebunden waren. Die befragten Chefärzte beschrieben die Arbeit der überwiegend fest am Krankenhaus angestellten Geistlichen so: Als erstes erleichterten sie das geistig verursachte Leiden der jungen Patienten und ihrer Familien. Zweitens verbesserten Gespräche mit den Geistlichen die Kommunikation zwischen den Familien und dem Behandlungsteam über die Ziele der Behandlung.

Drittens vermitteln Geistliche auch den anderen Teammitgliedern eine etwas andere oder aufmerksamere Sichtweise der Behandlung und Behandelten. Umso wichtiger ist daher die Erkenntnis der Untersuchung, dass Geistliche in der Regel zu den gut integrierten Mitgliedern der PPC gehörten.

Die interviewten Geistlichen berichteten, dass sie sich dabei aber mehr auf den Prozess ihrer Arbeit als darauf konzentrierten, wie sie zu besseren Ergebnissen führt. Beide Gruppen waren sich einig, dass es darauf ankommt, gemeinsam im Team zu lernen, wie man den Bedürfnissen der Patienten und ihrer Angehörigen nach seelischer Unterstützung besser entgegen kommt und ihre Erwartungen an Geistliche genauer zu erkennen lernt. Zudem müssen die bei Angehörigen verbreiteten Vorurteile beseitigt werden, nämlich dass Geistliche nur dann präsent wären, wenn der Tod des Kindes kurz bevor stünde, oder dass sie nur als Missionare ihrer eigenen religiösen Überzeugung auftreten würden.

Quelle: Imabe-Newsletter September 2011

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Fehlerkultur: Vermeidungsstrategien bei angehenden Ärzten zu wenig bekannt

Sicherheit muss im Medizinstudium stärker verankert werden

Knapp 17 Prozent der angehenden Ärzte kennen Wege zu mehr Patientensicherheit und zur Vermeidung von Behandlungsfehlern. Das berichtet die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie auf Basis einer Umfrage unter Medizinstudierenden, so das Deutsche Ärzteblatt (online, 12.8.2011). Die Studie ist im Zentralblatt für Chirurgie erschienen (doi 10.1055/s-0031-1271469, Abstract der Studie).

Von 799 anonym befragten Jungmedizinern haben 345 geantwortet: Knapp 17 Prozent der Studierenden im Praktischen Jahr und knapp zwölf Prozent der Studierenden gaben an, Empfehlungen zur Patientensicherheit zu kennen, wie diese Mittel in der Praxis aussehen, war den meisten Studierenden jedoch unbekannt, so etwa Armbänder zur eindeutigen Identifizierung von Patienten. Ebenso wie anonyme Meldesysteme für Fehler oder Beinahe-Fehler oder auch das „Team-Time-Out“, wobei das OP-Team vor dem ersten Schnitt innehält, um sich der korrekten Vorbereitungen zu vergewissern und den Eingriff zu vergegenwärtigen.

„Sicherheitskultur beginnt damit, den chirurgischen Nachwuchs umfassend darin zu qualifizieren“, sagte Hartwig Bauer, Generalsekretär der DGCH. Dazu gehörten neben dem offenen Umgang mit Fehlern, Falldiskussionen und Konferenzen über Komplikationen auch methodische Kenntnisse des Risk-Managements, beispielsweise durch den Einsatz von Checklisten zur Vermeidung von Seitenverwechslungen oder des Zurücklassens von Fremdkörpern. Aktuelle Beiträge und einen umfassenden Überblick über die Problematik und die Zielsetzungen einer effektiven Fehlerkultur nach den Anforderungen heutiger moderner Gesundheitseinrichtungen finden sich in Imago Hominis 1/2011 mit dem Schwerpunkt „Fehlerkultur in der Medizin“ (http://www.imabe.org/index.php?id=1482).

Quelle: Imabe-Newsletter September 2011

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PID: Lebensschutzfrage nicht Expertengremium überlassen

Die Umsetzung des deutschen PID-Gesetzes weist viele Widersprüche auf

Anfang Juli 2011 hatte der Deutsche Bundestag ein Gesetz beschlossen, wonach eine Präimplantationsdiagnostik (PID), also der umstrittene Gen-Check von Embryonen im Reagenzglas, bei Verdacht auf schwerwiegende Erkrankungen durchgeführt werden darf. Dies schließt die Verwerfung und Selektion von Embryonen ein.

Bis Herbst sollte die Deutsche Bundesregierung Regelungen zur konkreten Umsetzung des Gesetzes erarbeiten. Doch diese werfen zahlreiche Fragen, ja „Wertungswidersprüche gegenüber anderen Gesetzen“ auf, stellte der Vize-Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Johannes Singhammer (CSU) in einem Interview mit der KNA (online, 12.8.2011) fest.

So sei im deutschen Embryonenschutzgesetz (ESchG) festgelegt, dass im Rahmen einer künstlichen Befruchtung maximal drei Embryonen hergestellt werden dürfen. Nach Stand der Medizin verlangt die PID allerdings die Herstellung von mindestens acht Embryonen. Das ESchG könne nicht einfach durch ein später zustande gekommenes Gesetz entwertet werden, kritisiert Singhammer. Ein weiterer Wertungswiderspruch: Die PID soll künftig bei „schwerwiegenden Erkrankungen“ erlaubt sein. Diese allgemeine Festlegung schließe Krankheiten ein, die möglicherweise erst im späten Erwachsenenalter auftreten könnten. Dem widerspreche jedoch das Gendiagnostikgesetz: Es verbietet ausdrücklich solche Tests während der Schwangerschaft. Auf diese Widersprüche und ungelösten Fragen hätten die PID-Gegner auch schon während der monatelangen Debatten hingewiesen. Nun würden sie im Zuge der Umsetzung des Gesetzes offen zutage treten. Kritisch sieht Singhammer auch die Rolle der Ethikkommissionen, die künftig über die Zulässigkeit der PID im Einzelfall entscheiden sollen: „In einer so grundlegenden Frage des Lebensschutzes darf es nicht einfach einem Expertengremium überlassen bleiben, welche Grenzen und Ausweitungen zu setzen sind.“ Der Gesetzgeber – und nicht unterschiedliche Wertungen je nach Ethikkommission – müsse im Rahmen des Beschlossenen das letzte Wort haben.

Quelle: Imabe-Newsletter September 2011

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