Dienstag, 18. November 2014

SYMPOSIUM und IMAGO HOMINIS: „Die Sprache des Schmerzes verstehen“

Interdisziplinäre Veranstaltung am Freitag, 5. Dezember 2014 in Wien stößt auf breites Interesse

Die Zahlen erschrecken: 33 Prozent der chronischen Schmerzpatienten in Österreich schlittern bis in die Berufsunfähigkeit, 21 Prozent werden in die Frühpension entlassen. Insgesamt werden die in Österreich jährlich durch chronische Schmerzen verursachten gesamtwirtschaftlichen Kosten auf 1,4 bis 1,8 Milliarden Euro geschätzt. Was tun? 

Die Sprache des Schmerzes verstehen heißt, den leidenden Menschen als Mensch zu verstehen, in seiner Not, in seinen Lebensbezügen, in seinen Ängsten und auch in seinen Möglichkeiten. Viele Schmerzpatienten haben eine jahrelange Odyssee hinter sich, in der Hoffnung, dass der nächste Arzt eine Art Wundermittel findet, um ihre Schmerzen wegzunehmen – doch dieses Wunder tritt nicht ein. Viele Patienten fühlen sich nicht mehr ernst genommen, zumal gerade beim chronischen Schmerz keine klare körperliche Ursache dingfest gemacht werden kann. 

Die optimale Behandlung von Schmerz erfordert deshalb ein multiprofessionelles und multimodales Vorgehen. In einer rein handlungsorientieren und leistungsorientierten Medizin haben Schmerzpatienten keinen Raum, sie fordern eine zuwendungsorientierte Medizin ein. Das birgt eine Chance: für den Patienten, für seine Umgebung und die Zukunft des Gesundheitswesens. „Die Sprache des Schmerzes verstehen“ lautet das Thema des diesjährigen interdisziplinären IMABE-Symposiums, das am 5. Dezember 2014, 9.00 bis 13.00 Uhr, in Wien stattfinden wird – in Kooperation mit der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, der Österreichischen Ärztekammer und dem Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger. Dazu wird die Ausgabe zum selben Thema (Band 1) bei der Tagung aufliegen, mit folgenden Themen: 

Patienten mit lange bestehenden, bereits chronifizierten Schmerzen, die häufig auch an psychischen Belastungen und sozialen Problemen leiden, erhoffen sich von invasiven schmerztherapeutischen Interventionen schnelle Erfolge. Vor einer guten Therapie ist jedoch eine exakte Schmerzabklärung nötig, betont Astrid Chiari (Anästhesie, Krankenhaus Barmherzige Brüder, Wien) in ihrem Beitrag. Sie behandelt Möglichkeiten und Grenzen der Schmerztherapie anhand von vier Fällen aus der Praxis. 

Jeder Schmerz hinterlässt eine Erlebnisspur, die spätere Schmerzerfahrungen beeinflusst. Diese wird, so Michael Bach (APR – Ambulante Psychosoziale Rehabilitation, Salzburg), von der Psyche mitbestimmt. Wo ein biopsychosozialer Therapieansatz verfolgt wird, lernen Patienten mit der emotional geprägten Erfahrung von Schmerz besser umzugehen. Eine multimodale Schmerztherapie umfasst deshalb auch sinnvoller Weise psychotherapeutische Interventionen. 

Wie können Schmerzen bei an Demenz erkrankten Menschen erkannt und gelindert werden? Für die Palliativmedizinerin Martina Schmidl (Pflegewohnhaus Liesing, Wien) liegt der Schlüssel im Aufbau einer tragfähigen Beziehung zwischen Behandlern und Patienten. Technik und Routine alleine genügen nicht, man muss und kann das Vertrauen dieser Patienten gewinnen, die auf einer Gefühlsebene in der Regel hochsensibel ansprechbar bleiben. 

Johannes Bonelli (Internist, IMABE) und Susanne Kummer (Ethikerin, IMABE) gehen der heiklen Frage nach, ob Krankheit auch eine heilsame Dimension für den Betroffenen haben kann. Wo ein Sinn gefunden wird, lassen sich auch schwere Umstände im Leben besser tragen. Die Qualität des Umgangs mit dem Leidenden ist auch ein Barometer für Werthaltungen und gelebte Menschlichkeit in der Gesellschaft. 

Die Imago-Hominis-Ausgabe 4/2014 „Die Sprache des Schmerzes verstehen“ (Band 1) findet sich auf http://www.imabe.org/index.php?id=1522 und kann als Einzelheft um € 10,– aus dem Inland (aus dem Ausland fällt das reguläre Porto an) bezogen werden. Der Band 2 enthält weitere Vorträge des Symposiums und Beiträge anderer Autoren, Erscheinungstermin ist Frühjahr 2015. 

Das interdisziplinäre Symposium findet in der AUVA, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65 statt, Tagungsgebühr: 30 Euro. Das Programm sowie die Anmeldemodalitäten finden Sie unter IMABE-Veranstaltungen. Anmeldeschluss ist der 21. November 2014.

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Großbritannien: Parlament stimmt gegen Abtreibung nach Geschlecht

Politik darf bei Missständen nicht länger wegschauen

Mit überwältigender Mehrheit hat das britische Parlament dafür gestimmt, die geschlechtsselektive Abtreibung explizit für gesetzeswidrig zu erklären. Seit Herbst 2013 hatte sich für diesen Beschluss eine Allianz quer durch alle politische Lager formiert. Anlass war das Auffliegen von zwei Ärzten, die zugegeben hatten, auf Wunsch der Eltern auch Abtreibungen aufgrund des „falschen“ Geschlechts (Genderzid) durchzuführen (vgl. The Telegraph, online, 22. 2. 2012). Laut britischem Abtreibungsgesetz (Abortion Act) aus dem Jahr 1967 ist eine Abtreibung allein aufgrund des Geschlechts verboten. In der Praxis wurde dieses Gesetz aber umgangen. Statt einer lückenlosen Aufklärung wurde das Verfahren gegen die beiden Ärzte von der Staatsanwaltschaft eingestellt, mit der Begründung, dass es „kein öffentliches Interesse“ an der Verfolgung der Taten gebe. 

Dagegen hatten 50 britische Abgeordnete verschiedenster politischer Lager in einem offenen Brief protestiert. Sie hätten zwar sehr unterschiedliche Meinungen über die Abtreibung. Geeint seien sie aber „in der Besorgnis“ über die Entscheidung der Staatsanwaltschaft. Wenn die gezielte Tötung weiblicher Föten nicht strafrechtlich verfolgt würde, wäre das „ein Schritt zurück im Kampf um die Gleichstellung der Geschlechter“, so die Abgeordneten. Genderzid, also die geschlechtsspezifische Abtreibung, sei „illegal“ und „verfassungswidrig“ (vgl. The Telegraph, online 17. 9. 2013). 

Nun votierten 181 der Abgeordneten (nur eine Gegenstimme), ein neues Gesetz gegen Genderzid zu erlassen (vgl. The Telegraph, online, 4. 11. 2014). Für Jänner 2015 ist eine zweite Lesung anberaumt.
Die schottische Abgeordnete Fiona Bruce, Mitglied der Conservative Party, unterstrich in der Debatte, dass diese notwendig gewordene gesetzliche Klarstellung „eine Schande“ sei. In Großbritannien sei die gezielte Abtreibung von Mädchen bereits ein ernstes Problem. Die illegale Abtreibung weiblicher Föten wird offenbar in einigen ethnischen Gemeinschaften in Großbritannien praktiziert und hat in diesen Bevölkerungsgruppen inzwischen zu einem erheblichen Ungleichgewicht zwischen Burschen und Mädchen geführt (vgl. IMABE 2014: Europarat: „Gezielte Abtreibung von Mädchen muss verboten werden“). Die Politik dürfe nicht länger wegschauen, auch nicht von der damit verbundenen psychischen und physischen Gewalt gegen Frauen. Das Verbot dürfe kein totes Recht werden, im Gegenteil: „Dieser Gesetzentwurf wäre ein Schritt auf dem Weg zur Bewältigung dieser tragischen und diskriminierenden Praktiken, die eine fundamentale Form der Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist“, so Bruce in ihrem Schlussplädoyer (vgl. Parlament, Protokoll vom 4. 11., Abortion Sex-Selection). 

In Großbritannien wurden im Jahr 2013 insgesamt 202.577 Abtreibungen durchgeführt, 69 Prozent der Frauen waren zwischen 20 und 34 Jahre alt. Die meisten Frauen gaben an, dass sie allein oder in keiner fixen Partnerschaft lebten (vgl. Abortion Statistics, England and Wales: 2013). 

Österreich ist eines der letzten europäischen Länder, in denen keine Datenerhebung über Abtreibung stattfindet. Die Bürgerinitiative Fakten Helfen, gestartet von der Aktion Leben, fordert 40 Jahre nach Einführung der Fristenregelung eine anonyme Erhebung von Zahlen und Motiven zu Abbrüchen. Nur wer die Fakten kenne, könne Schwangeren in Not auch helfen. Die Bürgerinitiative kann noch bis 30. März 2015 unterschrieben werden.

Foto: © Thommy Weiss - pixelio.de

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Studie: Indikation für Sondenernährung ist streng zu handhaben

IMABE: „Ärzte müssten lernen, Nein zu sagen, wo das Wohl des Patienten es erfordert“

Die PEG-Sonde (perkutane endoskopische Gastrostomie) zählt zu Routineverfahren, wenn es darum geht, Patienten vorübergehend auf künstlichem Weg mit Nahrungsmitteln und Flüssigkeit zu versorgen. Im Falle von Patienten mit schwerer fortgeschrittener Demenz oder anderen „Near-End-of-Life“-Erkrankungen sollten diese aber nur sehr zurückhaltend angeboten und keinesfalls „aufgezwungen“ werden. Das ist das Ergebnisse einer aktuell in Nutrition in Clinical Practice veröffentlichten Studie (doi:10,1177 /0884533614546890). Die evidenzbasierten Daten würden, so Studienautorin Denise Baird Schwartz vom Providence Saint Joseph Medical Center in Burbank/California, zeigen, dass in dieser Patientengruppe eine Sondenernährung mehr Schaden als Nutzen bringen kann. Zudem könne keine Lebensverlängerung erreicht werden. Die Entscheidung für oder gegen den Einsatz einer PEG-Sonde sollte nicht von einem behandelnden Arzt alleine getroffen werden. Eine eingehende Aufklärung des Patienten und der Angehörigen und Absprache im Behandlungsteam seien in solchen Fällen essenziell. 

„Die Indikation zur Ernährung über eine PEG-Sonde ist sehr streng zu stellen“, betone auch IMABE-Direktor Johannes Bonelli, selbst Internist. „Der Sterbeprozess wird natürlicherweise dadurch eingeleitet, dass die Triebkraft des Patienten, sein Leben zu erhalten, allmählich nachlässt. Anzeichen dafür sind oft ein reduzierter Lebenswille und ein vermindertes Hunger- und Durstgefühl.“ Die Sondenernährung erreicht in diesen Fällen ihre Zielsetzung, nämlich Leiden zu lindern und Leben zu erhalten, in keiner Weise, betont Bonelli. „Im Gegenteil: Der Prozess des natürlichen Sterbens mit langsamer Trübung der Wahrnehmung wird verhindert. Es muss daher als therapeutischer Übereifer bewertet werden, wenn solchen Menschen am Ende ihres Lebens noch künstlich Flüssigkeit und Nahrung aufgezwungen werden.“ 

Der bewusste Verzicht auf den Einsatz einer PEG-Sonde stellt in dieser Endphase der Demenzerkrankung kein moralisch unzulässiges Verhungern- oder Verdursten-Lassen des Patienten dar. „Ärzte müssten lernen, Nein zu sagen, wo das Wohl des Patienten es erfordert.“ 

Zur Unterstützung der Entscheidungsfindung, wann eine Therapiereduktion angezeigt ist, hat IMABE in einer fächerübergreifenden Arbeitsgruppe von Medizinern ein Konsens-Paper erstellt, abrufbar unter: Konsens. Therapiereduktion und Therapieverzicht (2006).

Foto: © BirgitH - pixelio.de

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Studie: Ärzte fühlen sich nicht auf Umgang mit sterbenden Patienten vorbereitet

Österreichische Sterbehilfe-Enquete fordert Rechtsanspruch für Hospizbetreuung

Menschen wollen zu Hause sterben. Doch die Realität sieht anders aus: 70 Prozent der Österreicher sterben in Institutionen, davon 50 Prozent in Krankenhäusern. Auch Tumorpatienten, die keine mobile Palliativversorgung haben, sterben zum Großteil im Spital, nur 20 Prozent erleben ihre letzten Stunden zu Hause (vgl. Standard, online, 4. 11. 2014). Gerade in Krankenhäusern sind sterbende Patienten aber unterversorgt, wie eine aktuelle, in Cancer veröffentlichte Studie zeigt (2014; 120: 3254–3260). 

In einer Querschnittsstudie befragten die Autoren rund 1130 Ärzte und Pflegekräfte in 16 deutschen Krankenhäusern und 10 Krebszentren in Baden-Württemberg. Es ging dabei um ihre eigene Sicht auf die Palliativversorgung und End-of-Life-Care in den Krebskliniken. Das Ergebnis ist ernüchternd: Nur etwa die Hälfte der Befragten meinten, dass ein würdevoller Tod auf ihrer Station möglich sei. 50 Prozent der Befragten gab an, grundsätzlich zu wenig Zeit für sterbende Krebspatienten zu haben. 55 Prozent klagten über strukturelle Probleme: So gebe es zu wenig adäquate Räumlichkeiten für Terminalpatienten. 

Düster ist auch die Einschätzung der persönlichen Kompetenz: Nur 19 Prozent der Befragten waren der Ansicht, selbst auf den Umgang mit Sterbenden gut vorbereitet zu sein, bei den Ärzten waren es überhaupt nur 6 Prozent, wie die Sozialwissenschaftlerin Karin Jors und Kollegen vom Universitätsklinikum Freiburg schreiben. „Die Zahlen dürften angesichts der Weigerung vieler Krebszentren, sich an der Untersuchung zu beteiligen, sogar ein zu optimistisches Bild der Situation zeichnen“, so die Autoren. Einzig an den Palliativstationen selbst waren die dort tätigen Mitarbeiter überzeugt (95 Prozent), dass in ihrem Krankenhaus ein würdevolles Sterben möglich ist (vgl. FAZ, online, 9. 9. 2014). Das Ziel müsste folglich sein, mehr Geld in den Aufbau von professioneller Palliativversorgung und die Ausbildung der Mitarbeiter zu investieren, fordern die Studienautoren. 

Österreich ist drastisch unterversorgt, was die spezialisierte Betreuung Sterbender betrifft (vgl. Die Presse, online, 30. 10. 2014). Bei der öffentlichen Sitzung der parlamentarischen Enquete-Kommission zur Würde am Ende des Lebens am 7. 11. 2014 herrschte politischer Konsens darüber, dass die Hospiz- und Palliativbetreuung flächendeckend zugänglich sein sollte. Laut Waltraud Klasnic, Präsidentin des Hospizdachverbands, werden derzeit nur 36 Prozent der bedürftigen Patienten in Österreich mit Hospiz erreicht. Die mobile Sterbebegleitung sei überhaupt nur durch den Einsatz der mehr als 3300 Ehrenamtlichen möglich und wird übrigens rein durch Spenden finanziert (vgl. Der Standard, online, 7. 11. 2014). „Niemand käme auf die Idee, für die medizinische Behandlung eines Beinbruchs Spenden zu sammeln“, ergänzte Caritas-Präsident Michael Landau. Bei der Intensivversorgung sei die Betreuung für jeden Menschen in Österreich gesichert, nicht aber, wenn es um das Sterben geht. Gemeinsam mit anderen Organisationen wie der Diakonie fordert die Caritas einen einklagbaren Rechtsanspruch darauf. 

Im Deutschen Bundestag fand die erste Orientierungsdebatte ohne Fraktionszwang über Tod und Sterben statt. In der vierstündigen Debatte ging es um Selbstbestimmung, Abhängigkeit, Würde und Rechtssicherheit. Über einen Gesetzesentwurf soll erst im Herbst nächsten Jahres abgestimmt werden. (vgl. Deutsches Ärzteblatt, online, 13. 11. 2014).

Foto: © PeterFranz - pixelio.de

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Reproduktionsmedizin: Frauen werden kaum über Risiken und Fehlerquoten informiert

IMABE fordert Gesetzgeber zum Umdenken auf: Das Kindeswohl schützen – und das der Frauen

In Österreich liegt ein Entwurf für ein neues Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG) auf dem Tisch. Darin ist weitgehend jede Option erlaubt, um Kinderwunsch zu realisieren, die der Markt zur Zeit bietet: Selektion von Embryonen vor dem Einpflanzen in die Gebärmutter (PID), vorsätzliches Splitting von genetischer und sozialer Elternschaft (Ermöglichung von Eizellen- oder Samenspende durch Dritte). Selbst dann, wenn keine medizinische Unfruchtbarkeit vorliegt, wie etwa bei lesbischen Paaren, soll es in Zukunft mögich sein, auf die Technik der künstlichen Befruchtung zurückzugreifen. Einzig prinzipiell verboten bleibt vorerst die Leihmutterschaft und die Samenspende für Alleinstehende. Damit würde Österreich Regelungen einführen, die zum Teil weder in Deutschland noch der Schweiz erlaubt sind (vgl. Die Presse, online, 14. 11. 2014).

Scharfe Kritik an dem Entwurf übte Aktion Leben. Die Rechte des Kindes würden „sträflich missachtet“. Der Gesetzesentwurf ignoriere völlig das Recht eines Kindes, seine biologischen Eltern zu kennen und bei ihnen aufzuwachsen. Ebenso sei die vorgesehene Beratung durch einen Arzt über die Risiken einer Eizellenspende eine „Farce“, da es keine Trennung zwischen beratendem und behandelndem Arzt gäbe, kritisiert Aktion Leben-Präsidentin Gertraude Steindl (Pressemitteilung, online, 13. 11. 2014). 

Familienbischof Klaus Küng sprach von einem „Dammbruch“: Durch die Zulassung einer Samenspende für die In-vitro-Fertilisation (IVF), die Eizellspende und die Präimplantationsdiagnostik (PID) würden „im Namen einer Fortschrittlichkeitsgläubigkeit“ eine ganze Reihe von Problemen und Leiden, vor allem für die als Spenderinnen oft unter Druck stehenden Frauen, geschaffen, warnte der Bischof, selbst Mediziner. Es sei ein Recht der Kinder „Vater und Mutter zu kennen und mit ihnen aufzuwachsen“, sie würden mehr und mehr zu einem Produkt der Fortpflanzungsindustrie, berichtet Kathpress (online, 14. 11. 2014). 

„Es überrascht, dass der Gesetzgeber zu diesen extrem heiklen Fragen offenbar keine Diskussion wünscht“, kritisiert IMABE-Geschäftsführerin Susanne Kummer angesichts der knappen Frist: Einwände können nur noch bis 1. Dezember vorgebracht werden. „Was Österreich braucht, ist eine Regelung, die das Kindeswohl schützt und auch das der Frauen vor einem zunehmend aggressiven Markt“, betont Kummer: „Die Schattenseiten der Reproduktionsmedizin, die Gesundheitsrisiken und geringen Erfolgsquoten der Methoden werden in der Debatte ausgeblendet. Das ist unverantwortlich.“ 

Wie dünn die Informationen sind, aber gleichzeitig illusionäre Hoffnungen geweckt werden, zeigte jüngst die Social-Egg-Freezing-Debatte. Denn die Chance, dass eine Frau nach Einfrieren ihrer Eizellen und künstlicher Befruchtung überhaupt ein Kind bekommt, liegt unter der 10-Prozent-Marke – je älter die Frau, desto geringer. Nach einer künstlichen Befruchtung ab 38 Jahren seien laut American Society of Reproductive Medicine (vgl. ASRM Fact Sheet 2014) überhaupt nur 2 bis 12 Prozent der aufgetauten und künstlich befruchteten Eizellen implantationsfähig und könnten zu einer Lebendgeburt führen, sagt Josephine Johnston, Forschungsdirektorin am Hastings Center in New York (Newsrepublic, online, 1. 11. 2014).

Für jede künstliche Befruchtung gilt: Nicht nur die Qualität der Eizellen sinkt mit steigendem Alter, auch der Organismus der Frauen ist für Komplikationen leichter anfällig. Die Zahl der Lebendgeburten sind gering, die Frauen geraten unter Erfolgsdruck, immer mehr Versuche machen zu lassen. So wurden laut einer im Mai 2013 im Journal Fertil Steril publizierten Übersichtstudie (2013 Aug; 100(2):492-9.e3. doi: 10.1016/j.fertnstert.2013.04.023) 1805 Frauen (Durchschnittsalter 34 Jahre) zwecks künstlicher Befruchtung hormonell stimuliert. Es wurden invasiv 13.000 Eizellen entnommen und eingefroren. 60 Prozent der Eizellen erwiesen sich nach dem Auftauen jedoch als unbrauchbar. Von den restlichen 40 Prozent ließen sich zwar einige befruchten, nisteten sich aber dann nicht in der Gebärmutter ein. Mehr als 95 Prozent der Embryonen gingen im Mutterleib zugrunde. Unterm Strich überlebten nur 4,3 Prozent (!) der erzeugten Embryonen (224 Lebendgeburten, darunter Zwillinge und Drillinge), was 1,7 Prozent der aufgetauten Eizellen entspricht. 

Bei minus 196 Grad kann man Eizellen einfrieren, auch künstlich befruchtete Embryonen lagern, aber nicht den eigenen Körper. Je älter, desto eher müssen Schwangere nach IVF mit überhöhtem Blutdruck oder Diabetes und einem medizinisch notwendigen Kaiserschnitt rechnen (vgl. FAZ, online, 6. 11. 2014).
Auch die Gesundheitsrisiken für Kinder aus künstlichen Befruchtungen werden kaum thematisiert. Dazu zählen Frühgeburten, niedriges Geburtsgewicht, Mehrlingsschwangerschaften, ein vierfaches höheres Risiko für Totgeburten (vgl. IMABE 2010), Verengungen der Harnwege, neurologische Störungen oder systemische Fehlbildungen. 

Auch bei einer „normalen“ künstlichen Befruchtung mit frischen Eizellen liegt die Baby-Take-Home-Rate bei geringen 15 bis 20 Prozent. Mit anderen Worten: Mehr als 80 Prozent der Frauen kommen trotz psychisch, emotional und körperlich stark belastender Eingriffe auch nach mehreren IVF-Versuchen zu keinem Kind. „Der Großteil der IVF-Versuche führt zu keinem Kind, sondern zu vielen Wunden und Traumata. Die psychischen und emotionalen Belastungen der Frauen durch künstliche Befruchtungen sind immer noch ein Tabu-Thema“, kritisiert Ethikerin Susanne Kummer. „Aufgrund der aggressiven Vermarktung und liberaler Gesetze, die diese begünstigen, wird die künstliche Befruchtung häufig leichtfertig angewendet“, betont Kummer unter Berufung auf eine kürzlich vom Zentrum für Reproduktionsmedizin an der Universität Amsterdam publizierten Studie (vgl. IMABE 2014). „Drei Viertel der Frauen, die wegen vermeintlicher Unfruchtbarkeit eine künstliche Befruchtung durchführen ließen, bekamen drei Jahre später auch auf völlig normalen Weg ein Kind. Hier scheinen also Marktinteressen die Beratung zu beeinflussen. So eine Medizin lehnen wir ab.“ Auch die ethische Grundsatzfrage, was es heißt, Embryonen herzustellen und einzufrieren, müsse neu diskutiert werden. 

Am Traum vom Kind lässt sich jedenfalls verdienen: Laut dem aktuellen Report Global In-Vitro Fertilization (IVF) Market 2013 – 2020 des Internationalen Marktforschungsinstituts Allied Analytics LLP ist die Reproduktionsmedizin zu einer gewinnbringenden Industrie geworden: Der globale IVF-Markt lag Ende 2012 bei 9,3 Milliarden US-Dollar, bis 2020 wird er auf schätzungsweise 21,6 Milliarden Dollar ansteigen. 

IMABE hat ausführlich zu Fragen der Liberalisierung des FMedG Stellung genommen. Eine Übersicht findet sich hier: www.imabe.org/index.php.

Foto:  © 49502705 - Fotolia

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