Dienstag, 15. November 2011

Studie: Nikotinsucht bahnt den Weg zu Kokainabhängigkeit

These der „Einstiegsdroge“ wird molekular untermauert

Sind Raucher (und Alkoholiker) anfälliger dafür, später zu härteren Drogen zu greifen? Dies war Teil der sogenannten Gateway-Hypothese der US-Epidemologin Denise Kandel aus dem Jahr 1975, die allerdings umstritten blieb. Von konservativen Politikern wurde sie gerne als Argument für das Cannabis-Verbot genannt, da diese Droge nach den Untersuchungen ebenfalls eine häufige Einstiegsdroge ist. Nun scheint eine aktuelle in Science Translational Medicine (doi: 10.1126/scitranslmed.3003062) publizierte Studie von US-amerikanischen und österreichischen Wissenschaftlern die These zu bestätigen. Den Forschern rund um Denise Kandel und den Neurobiologen Eric Kandel an der Columbia University Medical Center gelang es im Tierversuch nachzuweisen, dass Nikotin epigenetische Veränderungen bewirkt – also dauerhafte Veränderungen in der Kontrolle der Genexpression, die das Individuum später schneller und stärker von Kokain abhängig machen können.

So aktivierten süchtige Mäuse in verstärktem Maß das Gen FosB, das als molekularer Marker für Abhängigkeit gilt. Außerdem wies das Suchtverhalten der Mäuse signifikante Merkmale auf. Wenn es stimmt, dass Einstiegssüchte den Griff zu härteren Drogen fördern, werde dies auch, so Experten in Nature (online 2. 11. 2011, doi:10.1038/news.2011.627) in Zukunft Einfluss auf Präventionsmodelle, Therapien, aber auch die Gesetzgebung haben, wenn es um den Drogen- und Alkoholkonsum bei Jugendlichen geht.

Wenn es stimmt, dass Raucher bei Kokainkonsum ein erhöhtes Risiko für Abhängigkeit haben verglichen mit Menschen, die Kokain konsumieren und erst dann mit dem Rauchen anfangen, müssen die politischen Implikationen der Ergebnisse zweifellos diskutiert werden. So meint etwa die Psychiaterin an der Washington University in St. Louis-Missouri, Laura Bierutdie – sie ist auf Erforschung der genetischen Epidemiologie von Sucht spezialisiert -, die Columbia-Studie lege nahe, dass die bestehenden Strategien zur Verringerung des Tabakkonsums einen größeren Einfluss auf die öffentliche Gesundheit haben könnten als gedacht.

Der molekulare Mechanismus, den das Columbia-Team in ihrer Arbeit aufzeigt, "ist spannend, weil dies zu therapeutischen Interventionen führen könnte", sagt die Neuropharmakologin Francis Leslie von der University of California-Irvine. Sie hofft, dass es aufgrund der neuen Erkenntnisse in Zukunft weniger umstritten sei, den Begriff" Einstiegsdroge" in Fachliteratur und in Forschungsanträgen zu verwenden.

Quelle: IMABE-Newsletter November 2011

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Public Health: Modewort „Burnout“ ist zu unpräsize

„Krankheit“ Burnout gibt es diagnostisch nicht, dahinter steht häufig eine Depression

Vor einem inflationären Gebrauch des Modewortes „Burnout“ hat die Stiftung Deutsche Depressionshilfe. „Auch wenn zu begrüßen ist, dass hierdurch die große Bedeutung psychischer Erkrankungen deutlicher und die diesbezügliche Sensibilität erhöht wird, so wird der inflationäre Gebrauch des schwammigen Begriffs Burnout von vielen Betroffenen und Experten aus mehreren Gründen als Verwirrung stiftend, irreführend und längerfristig Stigma verstärkend eingeschätzt“, berichtet das Deutsche Ärzteblatt (online 3.11. 2011).

Ulrich Hegerl, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Leipzig und Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, wies darauf hin, dass der Begriff „Burnout“ nicht klar definiert sei. Entsprechend gäbe es für die psychischen Störungen, die unter Burnout zusammengefasst würden, auch keine Behandlungen mit Wirksamkeitsbelegen aus methodisch guten Studien.

Ein Großteil der Menschen, die wegen „Burnout“ eine längere Auszeit nähmen, liet in Wahrheit an einer depressiven Erkrankung. Dazu gehöre auch das Gefühl tiefer Erschöpftheit. Problematisch und nicht selten in gefährlicher Weise irreführend sei dabei, dass der Begriff „Burnout“ eine Selbstüberforderung oder Überforderung von außen als Ursache suggeriere, was mit einem ruhigeren Lebensstil bewältigt werden könnte. Verberge sich hinter diesem Begriff aber eine depressive Erkrankung, so seien dies keine empfehlenswerten und oft sogar gefährliche Gegenmaßnahmen. Menschen mit depressiven Erkrankungen reagierten zum Beispiel auf längeren Schlaf und eine längere Bettzeit nicht selten mit Zunahme der Erschöpftheit und Stimmungsverschlechterung.

Eine Vermengung von Stress, Burnout und Depression führe zu einer Verharmlosung der Depression. „Stress, gelegentliche Überforderungen und Trauer sind Teil des oft auch bitteren und schwierigen Lebens und müssen nicht medizinisch behandelt werden“, hieß es aus der Stiftung.

Depressionen dagegen seien eine schwere, oft lebensbedrohliche Erkrankung. Die Verharmlosung der Depression verstärke das Unverständnis gegenüber depressiv Erkrankten und das damit assoziierte Stigma. „Der beste Weg zu einem optimalen Umgang mit der Erkrankung Depression ist es, eine Depression auch Depression zu nennen“, betonte Hegerl.

Quelle: IMABE-Newsletter November 2011

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Israel: Kinder klagen auf Schadenersatz für ihre Existenz

Verfügbarkeit von nicht-invasiven genetischen Tests erhöht Druck auf Ärzte und Eltern

Immer mehr israelische Kinder mit Geburtsdefekten gehen zu Gericht und klagen Ärzte dafür, dass sie ihre Geburt zugelassen hätten. Der Anstieg bei den sogenannten „wrongful life“-Klagen (mittlerweile handelt es sich um an die 600 Fälle seit 1987) hat eine Untersuchung seitens der Regierung ausgelöst. Medizinethiker mahnen angesichts des Trends auf Schadenersatzklagen von Kindern im New Scientist (online, 26.10.2011), dass diese Fälle eine ernste ethische Sorge bedeuten – nicht zuletzt im Hinblick auf den Wert des Lebens behinderter Personen. Sie würden außerdem fördern, dass sich Ärzte in der Bewertung diagnostischer Verfahren zunehmend absichern, mit dem Ergebnis, dass im Zweifelsfall auch gesunde Föten der Abtreibung zum Opfer fallen. Offenbar gäbe es inzwischen auch unterbeschäftigte Anwälte, die Gebiete in Israel mit höheren Raten an (inzucht-bedingten) genetischen Defekten bereisen, um ihre „Hilfe“ anzubieten.

„Ich kann schwerlich nachvollziehen, dass Eltern sich in den Zeugenstand begeben, um ihren Kindern zu bestätigen, dass diese nicht hätten geboren werden sollen“, sagt Rabbi Avraham Steinberg von der Hebrew University-Hadassah Medical School in Jerusalem. „Was bedeutet dies wohl für die Psychologie dieser Kinder?“. Der gegenwärtige Trend in Israel geht allerdings dahin, dass die Kinder mit Behinderungen selbst Schadenersatz für ihre von ihnen nicht gewollte Existenz einklagen.

Diese bedenkliche Entwicklung wird durch die in Israel sehr populäre pro-genetische Testkultur verstärkt. „Es gibt da ein ganzes System – wobei es um viel Geld geht -, das die Forderung nach einem perfekten Baby unterstützt“, sagt die Juristin und Medizinethikerin Carmel Shalev von der Universität von Haifa. „Alle wollen da mitnaschen – Eltern, Ärzte, Labors: Die Eltern wollen ein gesundes Baby, die Ärzte raten zu den Tests, und so mancher genetischer Test kommt viel zu früh auf den Markt. Gentests bringen einen Haufen Geld, werden aber zu viel und sogar missbräuchlich eingesetzt“, kritisiert Shalev.

In Israel sind bei genetischen Tests, Embryonenforschung, Klonen usw. kaum gesetzliche Schranken gesetzt, auch Spätabtreibung (nach der 22. Woche bis zu Geburt) ist erlaubt. In Österreich wurde ein Schadenersatzanspruch des (behinderten) Kindes im Hinblick auf das unerwünschte eigene Leben ("wrongful life") durch den OGH in einer Entscheidung aus dem Jahr 1999 ausgeschlossen. Dass die neuen Möglichkeiten auch eine neue ethische Debatte fordern, wurde jüngst in Nature diskutiert (2011: 478, 440 (2011), doi:10.1038/478440a). Die steigende Verfügbarkeit von nicht-invasiven genetischen Tests erhöhe den Druck auf Eltern und Ärzte.

Quelle: IMABE-Newsletter November 2011

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EuGH: Keine Patente auf menschliche embryonale Stammzellen

Stammzellforschung der Zukunft kann leicht darauf verzichten, sagt deutscher Wissenschaftler

Stammzellen, die aus menschlichen Embryonen gewonnen wurden, dürfen nicht für die wissenschaftliche Forschung patentiert werden. Dies entschied der Europäische Gerichtshofs (EuGH) am 18.10.2011 (Rechtssache C-34/10). Wenn Embryonen zur Gewinnung von Stammzellen zerstört und als Rohstoff für die Forschung verwendet werden, verstoße dies gegen den Schutz der Menschenwürde, urteilten die Richter in Luxemburg. Die Entscheidung gilt für Patente auf embryonale Stammzellen (ES) sowie für die Verfahren zu ihrer Herstellung.

Die Nutzung von ES-Zellen ist äußerst umstritten, weil sie aus Embryonen stammen, die bei der Gewinnung zerstört werden. Nach Ansicht des Gerichts verstößt dies gegen die guten Sitten, weil es sich auch bei befruchteten Eizellen rechtlich um Embryonen handle. „Der Begriff des menschlichen Embryos ist weit auszulegen“, schreiben die höchsten EU-Richter in ihrer Begründung, jede menschliche Eizelle sei vom Stadium ihrer Befruchtung an als „menschlicher Embryo anzusehen, da die Befruchtung geeignet ist, den Prozess der Entwicklung eines Menschen in Gang zu setzen“. Das Gleiche gelte für unbefruchtete Eizellen, die durch Zellkern-Transplantation oder anderer technische Eingriffe von außen zur Weiterentwicklung angeregt werden.

Hintergrund des Spruchs der Höchstrichter war ein Patentstreit zwischen der Umweltorganisation Greenpeace und dem Bonner Neurobiologen Oliver Brüstle. Er hatte 1997 ein Patent auf die Herstellung von Zellen aus menschlichen Embryonen, sowie ihrer Verwendung zu therapeutischen Zwecken, beantragt. Dieses Patent ist zunächst von den deutschen Behörden erteilt worden. Das deutsche Gericht gab jedoch dem Einspruch von Greenpeace gegen das Patent statt. Brüstle legte Revision ein, woraufhin der Deutsche Bundesgerichtshof dem EuGH den Fall vorlegte (vgl. IMABE-Newsletter Jänner 2011: Biopolitik: Europaparlament ist gegen Patentierung embryonaler Stammzellen). In der EU-Biopatentrichtlinie aus dem Jahr 1998 heißt es in Artikel 6, Absatz 2, „dass die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken“ nicht patentierbar ist.

Interessant ist am jetzigen Richterspruch, dass der EuGH einer für die EU allgemein verbindliche Definition des Embryos selbst in seiner frühesten Phase („früher Embryo“, „Präembryo“ genannt) als nicht kommerzialisierbarer Ware folgt. Damit setzt er ein Signal gegen die in weiten Teilen der EU verbreitete radikal utilitaristische Auffassung, wonach die Zerstörung von Embryonen im Dienste der Wissenschaft oder der Entwicklung von zukünftigen Therapien legitim sei. Diese Position könnte nun angesichts des EuGH-Urteils ins Wanken kommen.

Insgesamt ist zu erwarten, dass die durch private oder EU-Gelder geförderte Embryonen vernichtende Forschung ohne Anspruch auf Patente auslaufen wird, da sie sich finanziell kaum lohnt. Im Vergleich zur dynamischen Entwicklung auf dem Gebiet der induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS) und schon bestehender zahlreicher Therapien mit adulten Stammzellen haben ES-Projekte zuletzt ohnehin an Attraktivität verloren.

Für Ralf Huss, Pathologe an der Ludwig-Maximilians-Universität München und seit Oktober 2011 Geschäftsführer des Münchner Stammzellpioniers Apceth, ist die ganze Aufregung um das EuGH-Urteil unverständlich. Für Deutschland würden sich keinerlei Nachteil ergeben, sagt Huss gegenüber der Tageszeitung Die Welt (online 25.10.2011): "Wir entwickeln wie alle in der deutschen Branche ohnehin nichts auf Basis embryonaler Zellen - nicht aufgrund der strengen Gesetzgebung, sondern weil die embryonalen Stammzellen bisher weder im Labor noch in der Klinik den Therapieerfolg gezeigt haben, der erhofft wurde."

Quelle: IMABE-Newsletter November 2011

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Studie: Gesetze Erwartungen in Nutzen von Vorsorgeuntersuchungen häufig überzogen

Hohes Risiko für falsch-positive Befunde bei Mammographie, PSA-Test und Thorax-Röntgen

Die Sinnhaftigkeit von Vorsorge- bzw. Screening-Untersuchungen wird den letzten Jahrzehnten immer wieder kontroversiell diskutiert, da die Kosten-Nutzen-Rechnung nicht eindeutig ist und häufig überzogene Erwartungen an die Effizienz von solchen Screening-Untersuchungen gesetzt werden. In Hinblick auf die Brustkrebsvorsorge wurden nun unter der Leitung von Karla Kaerliowkse von der Universitiy of California-San Francisco die Daten des US-Breast Cancer Surveillance Consortium ausgewertet, das seit 1994 fast 170.000 Mammographien durchgeführt hat. Die Untersuchung wurde damals in den USA bereits ab dem 40. Lebensjahr empfohlen. Das Ergebnis: Innerhalb eines Jahrzehnts mit jährlichem Screening bekam fast zwei Drittel aller Frauen mindestens einmal ein falsch-positives Resultat, sieben bis neun Prozent unterzogen sich deshalb einer (eigentlich unnötigen) Biopsie, so das Ergebnis der in den Annals of Internal Medicine (2011; 155: 481-492) veröffentlichten Studie.

Lag das Intervall der Untersuchungen zwei Jahre auseinander, sank die Rate für eine zweite grundlose Biopsie, ebenso verringerte sich die Rate der falschpositiven Befunde auf 41,6 Prozent. Die prospektive Kohortenstudie zeigte, dass auch bei Frauen, die das Screening erst mit dem 50. Lebensjahr begannen, wie dies auch in den Leitlinien der WHO und EU empfohlen wird, eine ähnlich hohe Rate von falschpositiven Befunden und Biopsien festzustellen war.

Über den Nutzen von Früherkennungsprogrammen wird auch in andere Gebieten kontrovers diskutiert: Eben erst zeigte eine randomisierte Studie im US-amerikanischen Ärzteblatt JAMA (2011; 306: 1865-1873), dass ein jährliches Thorax-Röntgen sich nicht zur Früherkennung von Lungenkrebs eignet.

Auch beim Prostata-Screening sind die Effekte spärlich: Eine über 20 Jahre geführte randomisierte im British Medical Journal (2011: 342:d1539 doi:10.1136/bmj.d1539) veröffentlicht Studie untersuchte die Effizienz des PSA-Tests bei über 9.000 Männern. Bei 1.410 drei Mal jährlich untersuchten Männern wurde innerhalb von 20 Jahren bei 5,7% ein Prostatakarzinom entdeckt, bei einer nicht-gescreenten Kontrollgruppe waren es 3,9% - ein Unterschied, der nicht signifiikant war. Dem Mangel an signifikantem Nutzen des Screenings für ein längeres Leben mit Prostatakrebs stünde dagegen ein beträchtliches Risiko zur Überentdeckung ("overdetection") von zum Teil (noch) harmlosem Prostata-Krebs und einer Überbehandlung ("overtreatment") mit Nebenwirkungen entgegen.

Die Fakten zeigen, dass ein gut gemeinter, aber undifferenzierter Ruf nach flächendeckenden Vorsorgeuntersuchungen nicht zielführend und noch dazu kostspielig ist. Dafür sollte mehr zur Definition des individuellen Risikos geschehen, und zwar im direkten, vertraulichen Kontakt mit dem behandelnden, entsprechend geschulten Arzt. Den Weg zu diesem findet der (Risiko-)Patient aber wieder durch die öffentliche Bewusstmachung.

Quelle: IMABE-Newsletter November 2011

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Österreich: Verbot von Ei- und Samenzellspenden ist keine Menschenrechtsverletzung

Nationalstaaten haben das Recht, eigene Regelungen zu erlassen

Das in Österreich geltende Verbot von Samen- und Eizellenspenden für die künstliche Befruchtung verstößt nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Das entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in einem Urteil vom 3.11. 2011 (S. H. and Others v. Austria, application no. 57813/00). Darin hält der EGMR fest, dass die Nationalstaaten nicht verpflichtet seien, jede Technik der künstlichen Befruchtung zu erlauben.

Hintergrund des Urteils war die Klage zweier österreichische Paare, die ihren Kinderwunsch verwirklichen wollten, dies jedoch mit den in Österreich zulässigen Methoden nicht konnten. In beiden Fällen konnten die Frauen keine Eizellen produzieren, einer der Ehemänner war unfruchtbar. Nach geltendem österreichischen Fortpflanzungsmedizingesetz darf ein Paar – ausgenommen bei Insemination der Frau durch Samen eines Dritten – keine fremden Eizellen bzw. Samenzellen für eine künstliche Befruchtung verwenden. Der Österreichische Verfassungsgerichtshof lehnte es ab, die biologische Elternschaft im Zuge der IVF auf drei Personen zu splitten – mit guten Gründen: Zum einen sollten damit „ungewöhnliche Familienverhältnisse“ durch die Existenz zweier Mütter (einer genetischen und der austragenden) verhindert werden, argumentierten die Verfassungsschützer. Sie verwiesen aber auch auf das Risiko, dass Frauen aus „sozial benachteiligten Schichten“ unter Druck gesetzt werden könnten, um Eizellen zu spenden.

Nachdem die klagenden Paare mit ihrer Verfassungsbeschwerde im Jahr 1999 abblitzten, wandten sie sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), da sie sich durch die entsprechenden Verbote in ihren Menschenrechten auf Achtung des Privat- und Familienlebens aus Art. 8 der Menschenrechtskonvention diskriminiert sahen (vgl. IMABE-Newletter April 2010: Eizellen-Spende: EGMR zwingt Österreich zu Liberalisierung). In erster Instanz gab die Kleine Kammer des Straßburger Gerichts 2010 den Paaren recht, die Republik legte Berufung ein.

Die Richter der Großen Kammer betonen nun in ihrem Urteil, dass zwar in den Mitgliedstaaten des Europarates ein klarer Trend zu verzeichnen sei, Keimzellspenden zum Zweck der In-vitro-Fertilisation zu erlauben, dies aber den Beurteilungsspielraum einzelner Staaten jedoch nicht einenge. Die Richter äußerten zudem „grundlegende Bedenken“, dass Keimzellspenden, die den Einsatz Dritter in einem hochgradig technischen medizinischen Verfahren mit sich brächten, in der österreichischen Gesellschaft ein umstrittenes Thema seien. Es werfe „komplexe ethische Fragen auf, zu denen noch kein Konsens besteht“. Gegen die Entscheidung der Großen Kammer des Menschenrechtsgerichtshofs sind keine weiteren Rechtsmittel mehr möglich.

Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) zeigte sich über das EGMR-Urteil erfreut: Die Haltung der österreichischen Bundesregierung werde auf ganzer Linie bestätigt. Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) will dagegen an seiner Forderung festhalten, das in Österreich bestehende Verbot von Eizellen- und In-vitro-Samenspende aufzuheben – mit dem Ziel, die künstliche Befruchtung auch für Homosexuelle und Alleinstehende zu ermöglichen. Unterstützt wird er dabei u. a. von der Vorsitzenden der Österreichischen Bioethikkommission und Vizerektorin der Meduni Wien, Christiane Druml. (vgl. T. J. Piskernigg, Verbot von Samen- und Eizellenspende: eine Menschenrechtsverletzung?, in: Imago Hominis (2010); 17(2): 143-149)

Quelle: IMABE-Newsletter November 2011

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