Montag, 6. August 2012

Österreich: Bioethikkommission ist „kein Garant für neues Kinderglück"

IMABE-Ethikerin übt im „Standard" scharfe Kritik an unsauberen Argumenten zur IVF-Liberalisierung

Österreichs Fortpflanzungsmedizingesetz
müsse liberalisiert werden, und zwar schnell: So lautete im April 2012 das Votum von 19 der 25 Mitglieder der Bioethikkommission (BEK, vgl. IMABE-Stellungnahme vom 24.4. 2012). Unter anderem wurde darin die Zulassung der künstlichen Befruchtung sowohl für Alleinstehende als auch für lesbische Paare gefordert. Doch wie stimmig ist die Argumentationslinie der Liberalisierungsbefürworter? Bei genauer Durchsicht der Thesen stoße man auf "zahlreiche Widersprüche, in die sich eine solche Forderung verwickelt", erklärt die Ethikerin Susanne Kummer. Die stv. IMABE-Geschäftsführerin analysierte jüngst in einem Gastkommentar im Standard (online, 3.7.2012), warum der Staat gut daran tut, auch in Zukunft die In-vitro-Fertilisation (IVF) auf heterosexuelle, zeugungsunfähige Paare zu beschränken - und warum es „wenig sinnvoll" ist, die Bioethikkommission „als Garant für neues Kinderglück zu zitieren".

Die Inanspruchnahme einer künstlichen Befruchtung, erinnert Kummer, ist laut geltendem FMedG zeugungsunfähigen Männern und Frauen vorbehalten, was weder für Lesben noch homosexuelle Männer prinzipiell zutrifft. Da auch heterosexuelle gesunde Paare laut Gesetz kein Recht auf künstliche Fortpflanzung haben, liege keine Diskriminierung Homosexueller vor - und auch keine medizinische Indikation für eine Unfruchtbarkeitsbehandlung per IVF.

Wenn die BEK nun offenbar die „künstliche Erzeugung von Menschen als solche aus dem Kontext medizinisch indizierter Behandlung herauslösen will“, sollte sie besser von einem „Gesetz zur Kindererzeugung“ o. ä. sprechen: „Mit Fortpflanzung und Medizin hat das aber nichts mehr zu tun, eher mit Lifestyle und Wunsch-'Medizin'“, stellt Kummer klar.

Zudem kann es nicht Aufgabe des Staates sein, Kinder zu "suboptimalen Lebensbedingungen zu verurteilen, in denen sie keinen leiblichen, sondern nur noch einen „Pipetten-Papa“ (und später auch keine leibliche, sondern nur noch eine „Gebärleih-Mutter“) haben“.

Kummer betont, dass Kinder ein Recht auf Vater und Mutter hätten - und nicht umgekehrt: „Es gibt kein Recht auf ein Kind.“ Dass jedes Kind optimalerweise unter der Obhut beider Elternteile aufwächst, werde niemand ernsthaft anzweifeln. „Hier muss das Kindeswohl vor dem Kinderwunsch Vorrang haben. Das prinzipielle Recht des Kindes auf Eltern darf nicht willkürlich missachtet werden.“

Quelle: IMABE-Newsletter August 2012

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Aids: Umstrittene "Präventions-Pille" in den USA zugelassen

Präparat soll Gesunde schützen, hat aber Nebenwirkungen und ist (zu) teuer

Die Studiendaten sind noch unvollständig, umstritten sind die teuren Truvada-Tabletten auch. Als Kombinationspräparat zur Aids-Therapie war das Mittel bereits zugelassen, nun wurde es über die bisherigen Indikationen hinaus auch als Präventiv-Pille zum Schutz vor HIV-Infektionen in den USA offiziell zugelassen, berichtet Focus (online, 17. Juli 2012).

Die FDA folgte damit der Empfehlung eines Expertenausschusses, der vor rund zwei Monaten geraten hatte, das vom US-Pharmaunternehmen Gilead Sciences produzierte Medikament mit dem Namen Truvada zur Prophylaxe zuzulassen. Zielgruppe sind gesunde Menschen mit hohem Infektionsrisiko – also beispielsweise mit einem HIV-positiven Partner. Die Tabletten müssen täglich eingenommen werden, Kondome der Behörde zufolge aber unbedingt zusätzlich verwendet werden.

Die FDA stützt sich bei der Zulassung vor allem auf zwei Studien, denen zufolge Truvada das Risiko der Ansteckung mit HIV sowohl für heterosexuelle als auch für homosexuelle Menschen deutlich mindert. In einer klinischen Studie mit Truvada hatte sich unter anderem das Infektionsrisiko heterosexueller Partner, von denen einer seropositiv war, um bis zu 75 Prozent verringert. In einer anderen Studie unter homosexuellen Nichtinfizierten sank das Infektionsrisiko um bis zu 73 Prozent.

Die Ankündigung der Zulassung des Medikaments erfolgte medienwirksam knapp vor Beginn der internationalen Aids-Konferenz, die von 22. bis 27. Juli mit rund 25.000 Teilnehmern in Washington stattfand. Von „Meilenstein“ und „Durchbruch“ war die Rede, doch es gab auch harsche Kritik. So sprach Michael Weinstein, Präsident der AIDS Healthcare Foundation, von einer „Katastrophe für die HIV-Prävention“.

Kritiker wie er warnen davor, dass Truvada dazu verleiten könnte, das HIV-Infektionsrisiko zu unterschätzen. Ärzte befürchten, dass HI-Viren resistent gegen Truvada werden könnten. Außerdem weiß man erst wenig über mögliche Spätfolgen etwa für die Nieren- und Knochengesundheit bei einer jahrelangen Einnahme. Die Wirkungsweise der Pille im weiblichen Organismus ist angesichts der Studienausrichtung zu wenig erforscht. Und schließlich seien die Kosten mit rund 800 Euro pro Monat sehr hoch.

Glenda Gray und Neil Martinson von der vorgeburtlichen HIV-Forschungsabteilung der Universität Witwatersrand in Johannesburg weisen darauf hin, dass sich die Versorgung mit HIV-Medikamenten in vielen Gebieten bereits jetzt nicht sicherstellen lasse. Die Programme dafür seien vielfach überfordert, warnten sie soeben im New England Journal of Medicine (2012; 367: 462-465). Ob die europäische Zulassungsbehörde EMEA dem Vorbild der FDA folgen wird, ist offen.

Mehr als 34 Millionen Menschen weltweit leben mit HIV, davon rund 23,5 Millionen in Afrika südlich der Sahara. 2011 infizierten sich 2,5 Millionen Menschen neu mit HIV - ein Fünftel weniger als noch 2001. Doch nicht überall sinken die Neuinfektionszahlen - in Zentralasien, Osteuropa, dem Mittleren Osten und Nordafrika steigen sie sogar, ebenso unter Homosexuellen. Außerdem nehmen die Resistenzen gegen HIV-Medikamente zu. Hilfsorganisationen kritisieren, dass neu entwickelte Medikamente immer noch viel zu teuer sind.

Quelle: IMABE-Newsletter August 2012

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Gentechnik: Neuer Bluttest auf Down-Syndrom löst heftige Debatte aus

Ärzte befürchten durch den PraenaTest Paradigmenwechsel in der Pränataldiagnostik

Das Deutsche Bundesforschungsministerium hatte die Entwicklung des Trisomie 21-Erkennungstests mit 230.000 Euro gefördert. Nun ist der Bluttest, der Babys mit Down-Syndrom während der Schwangerschaft erkennen soll, marktreif. Das deutsche Pharmaunternehmen LifeCodexx verspricht, dass der Test sicher und ungefährlich ist, da er die bislang notwendige invasive Fruchtwasseruntersuchung ablöst, bei der die Gefährdung des Kindes, durch einen Spontanabort zu sterben, rund 1 Prozent beträgt. Den Start des Produkts PraenaTest musste der Konzern allerdings nach heftigen Protesten von Ärzten, Behindertenverbänden, Politikern und Ethikern auf Mitte August verlegen (vgl. Die Welt, 28.7.2012). Die Schweiz hat bereits grünes Licht für eine Einführung gegeben. Österreich prüft noch die rechtlichen Möglichkeiten, das AKH Wien hat bereits Interesse an dem 1.200 Euro teuren Test angemeldet (vgl. Die Presse, online 30.7.2012).

Das Verfahren des PraenaTests beruht auf dem Umstand, dass im Blut einer Schwangeren kindliches Erbgut zu finden ist. So kann mit einem Bluttest festgestellt werden, ob das Ungeborene Trisomie 21, also das Down-Syndrom, hat. Dies führt im Großteil der Fälle zur Abtreibung des behinderten Kindes. Kritiker halten die Einführung des Tests für einen Rückschritt: Es gehe um ein neues Mittel zur „Aussortierung von Behinderten“; der Druck auf Frauen, auf eigene Kosten den Test durchführen zu lassen, würde steigen, die Schwelle zur „genetischen Selektion“ sinken. Der nicht-invasive Test, der wegen seiner leichten Handhabung als Screening auch ohne besondere Indikation angewendet werden könnte, werde in der Gesellschaft bald nur noch als Instrument zur umfassenden „Verhinderung“ der Geburt von Kindern mit Down-Syndrom wahrgenommen. „Eine solche kollektivistische Strategie hätte neoeugenische Züge und wäre mit dem ärztlichen Berufsethos unvereinbar“, schreibt Wolfram Henn vom Institut für Humangenetik der Universität des Saarlandes kritisch im Deutschen Ärzteblatt (2012; 109(25): A-1306 / B-1129 / C-1111). Er spricht von einem „Paradigmenwechsel in der Pränataldiagnostik“.

PraenaTest steht erst am Anfang neuer denkbarer humangenetischer Diagnoseverfahren. Die Forschung bereitet schon die nächsten Schritte vor. Vor kurzem berichteten US-Wissenschaftler, das gesamte Genom - also alle genetischen Informationen - eines ungeborenen Kindes entschlüsseln zu können – durch das mütterliche Blut und den väterlichen Speichel (vgl. Die Zeit, online 3.6.2012). Inwieweit aus DNA-Informationen abgeleitete statistische Aussagen zur Wahrscheinlichkeit für diese oder jene Krankheit hilfreich sind, bleibt offen. Ein Umdenken in der Pränataldiagnostik, die zunehmend als Instrument zu „Rasterfahndung" von behinderten Menschen eingesetzt wird, ist jedenfalls dringend notwendig.

Quelle: IMABE-Newsletter August 2012

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Public Health: Immer mehr Krankenstände aufgrund psychischer Erkrankung

Seelische Krankheit als Hauptursache für Invaliditätspensionen bei Frauen in Österreich

In den vergangenen fünf Jahren sind Krankschreibungen infolge psychischer Erkrankungen um 60 Prozent angestiegen. Das geht aus dem im Juni 2012 veröffentlichten Gesundheitsreport 2012 der Deutschen Techniker Krankenkasse (TK) hervor. Während zwischen 2000 und 2005 vor allem arbeitslose Erwerbspersonen überdurchschnittlich von psychisch bedingten Krankschreibungen betroffen waren, sind es seit 2006 vor allem Berufstätige, darunter besonders Arbeitnehmer mit hoher Mobilität sowie Menschen in Dienstleistungsunternehmen.

Aktuell werden 12,5 Prozent aller betrieblichen Fehltage in Deutschland durch psychische Erkrankungen verursacht. Der Anteil der Fehltage an allen Krankschreibungen hat sich laut Deutscher Bundestherapeutenkammer seit dem Jahr 2000 etwa verdoppelt. Psychische Erkrankungen führen zu besonders langen Fehlzeiten von durchschnittlich 30 Tagen. Depressiv erkrankte Arbeitnehmer fehlen durchschnittlich sogar 39 Tage. Nach jüngsten Berechnungen der Deutschen Bundesregierung entstehen den Unternehmen jährlich durch psychische Krankheiten Produktionsausfälle von 26 Milliarden Euro.

Berufspendler wären häufiger und langwieriger von psychischen Krankheiten betroffen, heißt im Report. Wohnort- und Arbeitsplatzwechsel sowie höheres Alter steigerten das Risiko. Frauen seien häufiger seelisch belastet, was die Autoren u. a. darauf zurückführen, dass sie Dienstleistungsberufe (Erziehung, Pflege usw.) häufiger ausübten. Außerdem komme bei Frauen zwischen Mitte 30 und Mitte 50 die Doppelbelastung durch Karriere und Familie mehr zum Tragen. Umfragen haben wiederholt gezeigt, dass Depressionen, Stress und Angstkrankheiten zu jenen gesundheitlichen Problemen zählen, die am häufigsten von Beschäftigten im Zusammenhang mit ihrem Arbeitsplatz erwähnt werden. Insgesamt waren die Versicherten der TK, auf deren Daten der Gesundheitsreport basiert, im vergangenen Jahr 12,8 Tage krankgeschrieben. Gut zwei Tage entfielen dabei auf die Diagnose Psychische Störungen.

In Österreich sind psychische Erkrankungen als (diagnostizierte) Krankenstandsursache in den vergangenen Jahrzehnten ebenfalls angestiegen. Bemerkenswert ist jedoch, dass ihr Anteil am gesamten Krankenstandsgeschehen nach wie vor sehr gering ist, sagt Thomas Leoni vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung und Studienautor des Fehlzeitenreports 2011. Die Zahl der krankheitsbedingten Frühpensionierungen aus psychischen Gründen steigt dagegen hierzulande dramatisch an: So sind psychische Erkrankungen inzwischen bei österreichischen Männern die zweithäufigste und bei Frauen sogar die häufigste Ursache von Invaliditätspensionen.

Quelle: IMABE-Newsletter August 2012

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Organtransplantation: „Hirntodnachweis ist sicherstes Kriterium zur Feststellung des Todes“

IMABE-Direktor wendet sich gegen Kritiker der Hirntod-Definition

Ab wann ist der Mensch tot? In der medizinischen Wissenschaft besteht kein Zweifel, dass die sicherste Methode zur Todesfeststellung der Nachweis des sogenannten „Hirntodes“ ist. Er ist in seinem Symptomenkomplex klinisch klar definiert (irreversibles Koma, Ausfall der Hirnstammreflexe und Apnoe) und dank modernster technischer Mittel (EEG, MRT, Angiographie, Nuklearmedizin) feststellbar. Umso erstaunlicher scheint es, wenn im Zuge der gesetzlichen Neuregelung zur Organtransplantation in Deutschland eine emotionale Debatte über medizinisch fundierte, seit Jahrzehnten bewährte Leitlinien vom Zaun gebrochen wurde, erklärt IMABE-Direktor Johannes Bonelli in der Neuen Zürcher Zeitung („Zum Streit um den Hirntod“, 14. August 2012).

Der Internist hält fest, dass der Hirntod - der irreversible Zerfallsprozess des Organismus – die davor gängige Definition des Todes (Herz- und Atemstillstand) zu Recht abgelöst habe. Denn erst wenn die Gehirnzellen als Folge des Sauerstoffmangels nach Herz- und Atemstillstand irreversibel zerstört sind, ist der Zerfallsprozess endgültig. Unter normalen Bedingungen beträgt dieses Zeitfenster ca. 8-10 Minuten. Herz- und Kreislaufstillstand zeigen den Tod also nur indirekt an. Mithilfe der Gehirnphysiologie lasse sich eindeutig nachweisen, dass es bei der Zerstörung des Gehirns zu einer Desintegration des Organismus in seiner Ganzheit kommt, betont Bonelli.

Er wehrt sich gegen die Unterstellung einiger Hirntodgegner, dass „die Hirntoddefinition absichtlich nur dazu erstellt wurde, um möglichst leicht vitale Organe für deren Transplantation zu erhalten“. Wenn „der letztlich unaufhaltsame Zersetzungsprozess der Organe des Hirntoten durch eine aufwendige medizinische Intervention von außen noch für einige Stunden künstlich in die Länge gezogen wird, um deren Transplantation zu ermöglichen und einem sonst todgeweihten Mitmenschen das Leben zu retten, kann dies doch nicht plötzlich verwerflich sein“, kontert Bonelli.

Der Nachweis des Funktionsausfalls des Gehirns durch dessen vollständige Zerstörung sei das bis heute sicherste Zeichen beziehungsweise Kriterium für den Tod eines Menschen. Bonelli: „Deshalb kann die Intensivtherapie ohne juristische Komplikationen beendet werden und eine Organentnahme aus dem Leichnam ohne schwerwiegende ethische Bedenken erfolgen.“ In Österreich ist es gesetzlich erlaubt (vgl. Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten (KAKuG) § 62a ff.), Menschen, deren Hirntod unwiderruflich festgestellt wurde, Organe zum Zwecke der Transplantation zu entnehmen, sofern im Widerspruchsregister keine Eintragung erfolgt ist.

Quelle: IMABE-Newsletter August 2012

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Deutschland: Zahnlose PID-Verordnung öffnet Markt für Selektion

Kritiker fordern rasche Überarbeitung des Entwurfs

Kritische Stimmen haben Recht behalten: Das im Juli 2011 beschlossenen deutsche Gesetz zu einer beschränkten Zulassung der umstrittenen Präimplantationsdiagnostik (PID) sollte eine „eng begrenzte Anwendung der PID" sicherstellen: beschränkt auf schwere Erbkrankheiten oder Chromosomenstörungen, auf wenige, speziell zugelassene Zentren und unter strenger Aufsicht einer Ethikkommission (vgl. IMABE-Newsletter Mai 2012). Herausgekommen ist in dem nun vorliegenden Entwurf einer Rechtsverordnung (Stand: 11. Juli 2012) eine praktisch komplette Freigabe des Verfahrens. Politiker von Union und Grünen, Kirchenvertreter sowie die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Christiane Woopen, üben scharfe Kritik an dem von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) vorgelegten Papier. Die obersten Landesgesundheitsbehörden können bis zum 17. August dazu Stellung nehmen. Anschließend muss noch der Bundesrat der Verordnung zustimmen.

Dass die Anwendung der PID begrenzt wird und der Gesetzgeber sie kontrollieren kann, könne man angesichts dieses Entwurfes „getrost bezweifeln“, kritisiert Woppen (vgl. Deutsches Ärzteblatt, online 1.8.2012) So sei die Anzahl der PID-Zentren nicht festgelegt, es fehlten zudem einheitliche Kriterien für die dort angesiedelten Ethikkommissionen. Paare würden in einem „Kommissions-Tourismus“ von einem Bundesland ins andere fahren, bis sie ihre Bewilligung bekämen, warnt Woopen.

Der Ethikkommission komme laut PID-Verordnung ohnedies nur noch eine Feigenblatt-Funktion zu: Sie müsste alle Anträge genehmigen, wenn sie den gesetzlichen Kriterien entsprechen, kritisiert der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung Hubert Hüppe (CDU). Außerdem sei die Verordnung in Hinblick auf Indikationen „so formuliert, dass letztlich alle PIDs durchgeführt werden können, die nur verlangt werden", so Hüppe.

Angesichts der auch in Österreich von PID-Befürwortern fadenscheinig geführten Diskussion wird immer deutlicher, was die offiziellen Zahlen der Europäischen Gesellschaft für Humane Reproduktion und Embryologie (ESHRE) bereits belegen: Der Hauptgrund für PID ist nicht das Vermeiden von seltenen Krankheiten, sondern die Steigerung der Erfolgsraten der künstlichen Befruchtung (vgl. FAZ, online 12.7.2012). IVF-Zentren wollen ungerichtet nach allen möglichen Defekten in den Embryonen jener Paare suchen, die unfruchtbar sind, obwohl keine Erbkrankheit bekannt ist. So erklärt sich auch, warum der deutsche Entwurf nun offenbar jedes größere Wunschkind-Zentrum für PID zertifizieren will: Die Verfasser gingen von sehr hohen Fallzahlen aus, entsprechend viele Zentren wolle man zulassen. Insofern „könnte es mit dieser Verordnung dazu kommen, dass die PID zum Regelangebot bei der künstlichen Befruchtung wird", sagt Hüppe.

Jörg T. Epplen, Vorstand der Humangenetik Medizinische Fakultät Ruhr-Universität Bochum, rückt angesichts der Gencheck-Debatten die Aussagekraft der Methoden der DNA-Analyse zurecht (vgl. Pressaussendung, 23.7.2012): Die Programme zur Vorhersage der Krankheitsbedeutung neuer DNA-Variationen seien derzeit „mitunter widersprüchlich und daher insgesamt noch völlig unzureichend“, korrigiert Epplen überzogene Erwartungen: Unzählige DNA-Sequenzauffälligkeiten würden sich komplett konkreten Aussagen zu ihrer Bedeutung für den Träger entziehen.

Quelle: IMABE-Newsletter August 2012

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