Dienstag, 8. Juli 2014

Save the Date: „Die Sprache des Schmerzes verstehen“ am 5. 12. 2014 in Wien

Menschen mit Schmerzen erwarten medizinische Hilfe, Schmerzen zu lindern gehört zum Grundauftrag der Medizin. Dies gelingt jedoch nur, wenn der Mensch in seiner Ganzheit in den Blick genommen wird. Symptomkontrolle alleine genügt nicht. Wo also liegen die Möglichkeiten und Grenzen der Schmerztherapie? Welche Rolle spielt die Geschichte und Psyche des Patienten in der Wahrnehmung, Verarbeitung und Bewältigung von Schmerz? Und welche therapeutischen Konsequenzen ergeben sich daraus? Welche Kompetenzen im Umgang mit Leidenden braucht es angesichts eines gesellschaftlich utopischen Anspruchs, das Leben müsse frei von jedem Schmerz sein?
Namhafte Experten werden darüber auf Einladung von IMABE – Institut für Medizinische Anthropologie und Bioethik in Kooperation mit der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA), dem Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger und der Österreichischen Ärztekammer am 5. Dezember 2014 in Wien diskutieren.

Das interdisziplinäre Symposium DIE SPRACHE DES SCHMERZES VERSTEHEN findet in der AUVA, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65) statt, Tagungsgebühr: 30 Euro. Das Programm finden Sie unter IMABE-Veranstaltungen.

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Medizinjournalismus: Maßstäbe zwischen Information und Marketing verschwimmen

Deutsche Wissenschaftsakademien stellen Empfehlung für eine qualitätsvolle Berichterstattung vor

In der Branche des Wissenschaftsjournalismus wächst das Unbehagen über die sinkende Qualität der Berichterstattung. Die Grenzen zwischen Information und Marketing würden verschwimmen, schreiben der Kommunikationswissenschaftler Holger Wormer von der Technischen Universität Dortmund und der Soziologe Peter Weingart in der Zeit (online, 6. 7. 2014). Journalisten übernehmen Pressemitteilungen von Forschungseinrichtungen häufig zu unkritisch. Angesichts knapper Forschungsmittel bestehe einerseits der Druck von Universitäten und Einrichtungen, ihre Erfolge zu präsentieren. Andererseits würden auch die Medien unter ökonomischem Druck stehen. „Redakteursstellen werden abgebaut (wobei die Wissenschaftsressorts mangels ausreichender Lobby oft zu den ersten Opfern gehören), es fehlen Zeit und Geld für gründliche Recherchen“, so die Autoren. Eine Handhabe für mehr Qualität sollen die nun präsentierten Empfehlungen Zur Gestaltung der Kommunikation zwischen Wissenschaft, Öffentlichkeit und den Medien (Pressemitteilung, online, 17. 6. 2014) der deutschen Wissenschaftsakademien bieten.
Die Empfehlungen sind kritisch im Hinblick auf die Medien wie auch selbstkritisch im Hinblick auf die Wissenschaft und ihre Kommunikation. „Gefragt sind nicht nur Journalisten, sondern auch Pressestellen, Forscher, Universitätsleitungen und nicht zuletzt die Politiker. Denn sowohl Wissenschaft wie Journalismus sollten sich einer sachlich-aufklärerischen Kommunikation verpflichtet fühlen.“ Die Errichtung eines Wissenschaftspresserats und eines unabhängigen Science Media Centers zählt zu den Vorschlägen, die die Qualität der Berichterstattung über wissenschaftliche Sachverhalte sichern sollen.

Als Hilfen für Qualitätssicherung stehen Journalisten derzeit folgende Foren zur Verfügung: Der Medien-Doktor ist ein seit 2010 bestehendes Online-Angebot von Journalisten für Journalisten, angesiedelt am Lehrstuhl Wissenschaftsjournalismus der Technischen Universität Dortmund. Mit Hilfe eines Gutachterpools aus Journalisten werden mehrmals pro Woche medizinjournalistische Beiträge aus deutschen Print-, TV-, Hörfunk- und Online-Medien nach definierten Kriterien beurteilt. In Österreich nimmt das Online-Portal Medizin-Transparent.at hiesige Presseberichte unter die Lupe. Erwähnenswert ist auch das MedizinMag, das als Checkliste sich auch für Journalisten eignet, die nicht täglich mit Medizinthemen zu tun haben und sie bei der korrekten Recherche und Einschätzung medizinischer Themen unterstützt. Es beruht auf den Arbeiten von medien-doktor.de und dessen internationaler Vorbilder (healthnewsreview.org).

Fotos:  © Tim Reckmann  / pixelio.de

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Studie: Aufwachsen bei leiblichen Eltern minimiert Traumarisiko für Kinder

70 Prozent blieben traumatische Erfahrungen überhaupt erspart

Der Einfluss von Familie als positiver als auch negativer Determinante von Gesundheit ist bekannt. Traumatische Kindheitserlebnisse können lange nachwirken, mit schweren gesundheitlichen Langzeitfolgen. Eine US-amerikanische Studie verglich nun das Risiko eines traumatischen Erlebnisses in der Kindheit mit der Familienkonstellation. Das Ergebnis der im National Health Statistics Reports publizierten Studie (2014; 74: 7): Kinder, die mit ihren leiblichen Eltern lebten, hatten das geringste Risiko, traumatische Erfahrungen machen zu müssen.

Die vom Center for Disease Control and Prevention durchgeführte Studie beruht auf einer im Auftrag des US-Gesundheitsministeriums geplanten landesweiten Untersuchung im Zeitraum 2011/12 zur Gesundheit von Kindern. Es wurden 95.677 Umfrageinterviews in Haushalten mit Kindern zwischen 0 und 17 Jahren durchgeführt. Mit traumatischer Erfahrung wurden in der Studie benannt: Erleben von Scheidung oder Trennung der Eltern, Tod eines Elternteils, Inhaftierung eines Elternteils; Erleben von psychischen Krankheiten in der Familie, Alkohol- oder Drogenmissbrauch; von häuslicher Gewalt, Kindesmissbrauch, Gewalt in der Nachbarschaft, Rassismus und Armut.

70 Prozent der Kinder, die bei beiden biologischen Eltern leben, sind laut den Autoren traumatische Erfahrungen überhaupt erspart geblieben. In anderen familiären Konstellationen sieht die Situation wesentlich ungünstiger aus. 78 Prozent der Kinder, die bei nur einem biologischen Elternteil leben, mussten eines oder mehrere dieser traumatischen Ereignisse erfahren. Für Kinder, die bei keinem ihrer biologischen Eltern leben, ist die Lage noch schlechter: 81 Prozent der Kinder in Pflegefamilien oder bei anderen Verwandten waren von einem oder mehreren traumatischen Erlebnissen betroffen, 30 Prozent dieser Gruppe sogar von vier oder mehr Ereignissen.

Insgesamt leben in den USA 63 Prozent der Kinder mit beiden leiblichen Eltern, 22 Prozent leben mit einem Elternteil und 3 Prozent ohne Eltern. Die restlichen, rund 12 Prozent der Kinder gehören Haushalten nicht-biologischer Eltern (Stief- oder Adoptiveltern) an. Diese Gruppe wurde in der Studie nicht berücksichtigt, ebenso wenig das Haushaltseinkommen oder andere demografische Faktoren. Dennoch seien die Zahlen laut Autoren aussagekräftig dafür, dass Kinder in der Obhut der beiden biologischen Eltern am ehesten traumatischen Erfahrungen entgehen können. (vgl. Imabe-Info 2009: Familie und Krankheit)

Foto: © Wilhelmine Wulff / pixelio.de

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Nocebo: Wenn zu viel Wissen Patienten krank macht

Ärzte im Dilemma zwischen detaillierter Aufklärung und dosierten Worten

Die positiven Auswirkungen von ärztlicher Kommunikation, Behandlungserwartung und Scheinbehandlung sind als „Placebo“-Phänomene bekannt und erforscht. Dagegen wird das umgekehrte Nocebo-Phänomen („Ich werde schaden“) noch kaum beachtet: Suboptimale ärztliche Kommunikation oder Erwartungshaltungen bei ängstlichen Patienten können auch zu so genannten Nocebo-Effekten führen und den Krankheitsverlauf negativ beeinflussen. Die Erwartung eines negativen Ergebnisses kann vorab beim Patienten schon zum entsprechenden Symptom führen oder es verschlimmern (vgl. Dtsch Aerztebl 2013; 110(41): A-1904 / B-1681 / C-1648).

Dass Ärzte unter Druck stehen, voll zu informieren, auch um sich rechtlich abzusichern, andererseits sich aber zugleich bewusst sind, dass zu viel Wissen Patienten schaden kann, wirft Fragen auf. Wissenschaftler beginnen, die Nachteile einer umfassenden Risikoaufklärung bei Eingriffen und Narkosen offen zu diskutieren, berichtete die FAZ jüngst in einem bemerkenswerten Artikel (online, 29. 6 2014). Gesetz und Rechtsprechung, aber auch die Zeitstruktur des Klinikalltags, ließen keinen Raum für das vertrauensvolle Ausloten dessen, was der Patient an Informationen für seine Entscheidung wirklich braucht oder wünscht. „Der Arzt hat inzwischen keine Möglichkeit mehr, einen stillschweigenden Verzicht auf das Wissen um bestimmte Risiken bei dem Patienten anzunehmen“, warnte Jurist Elmar Biermann beim Deutschen Anästhesie Congress in Leipzig vor impliziten Vermutungen im Aufklärungsgespräch. „Das, was unter dem so genannten ‚therapeutischen Privileg‘ diskutiert wird, also die Möglichkeit, Fakten, die den Patienten verunsichern würden, nicht mitzuteilen, lassen Gesetz und Rechtsprechung nicht zu“, so Biermann.

Der Internist und Psychosomatiker Winfried Häuser hat in einer Übersichtsarbeit die Bedeutung von Nocebo-Phänomenen im klinischen Alltag untersucht (vgl. Dtsch Arztebl Int 2012; 109(26): 459-65, DOI: 10.3238/arztebl.2012.0459).

Wie Smadar Cohen von der Ben-Gurion University of the Negev (vgl. Bioethics 2014; 28(3): 147-54, doi: 10.1111/j.1467-8519.2012.01983.x) sieht auch Häuser darin ein ethisches Dilemma. Er plädiert als Lösung unter anderem auf Kommunikationstrainings während des Medizinstudiums und in der ärztlichen Fort- und Weiterbildung, um die „Macht der Worte“ des Arztes zum Nutzen des Patienten einzusetzen und Schaden von ihm abzuwenden. Für Karin Meißner ist ebenfalls die Wahl der Worte entscheidend. „Wir wissen zum Beispiel aus einer Studie zur Aufklärung über eine Peridural- oder rückenmarksnahe Anästhesie, dass allein die Wortwahl die Schmerzen nach der Operation verschlimmern kann“, erklärt die Ärztin laut FAZ den Einfluss der Gesprächsführung. Meißner forscht an der Ludwig-Maximilians-Universität in München über Placebo- und Noceboeffekte in der Medizin.

Foto:  © Alexander Raths - Fotolia.com

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Studie: Warnung vor schädlichen Folgen von Cannabis-Konsum bei Jugendlichen

Laut aktuellem Weltdrogenreport steigt die Zahl der Designerdrogen weltweit an

Vor den gravierenden Folgen von Cannabis-Konsum in jungen Jahren warnt eine aktuelle im New England Journal of Medicine (2014; 370: 2219-2227) publizierte Übersichtsarbeit. Das Suchtmittel Cannabis (Rohstoff der Drogen Marihuana und Haschisch) richte dauerhafte gesundheitliche Schäden an, das Suchtpotenzial der Droge wurde bislang offenbar unterschätzt.
Sucht- und Hirnforscherin Nora Volkow vom US-amerikanischen National Institute on Drug Abuse (NIDA) in Bethesda/Maryland hat rund 80 einschlägige Studien aus den vergangenen zehn Jahren ausgewertet. Schon bei kurzfristigem Cannabis-Konsum zeigten sich Störungen des Kurzzeitgedächtnisses und der motorischen Koordinierung. Eine hohe Dosis könne bei den Konsumenten auch Wahnvorstellungen oder Psychosen auslösen. Bei einem langfristigen Konsum sieht NIDA- und Studienleiterin Volkow aufgrund der Datenlage außerdem die Gefahr einer Abhängigkeit: Sie entwickle sich bei 9 Prozent aller Konsumenten, bei einem Beginn im Jugendalter sogar bei 17 Prozent, bei täglichem Konsum würden 25 bis 50 Prozent abhängig (vgl. Süddeutsche Zeitung, online, 20. 6. 2014). Eine Störung der Hirnentwicklung wurde vor allem bei jenen Personen beobachtet, die als Jugendliche mit dem Cannabiskonsum begonnen hatten. Der regelmäßige Cannabis-Konsum in frühen Teenager-Jahren senkt den IQ im Erwachsenenalter, auch wenn die Jugendlichen dann als Erwachsene aufgehört hatten, Marihuana zu rauchen.
Angesichts der Daten halten es die Hirnforscher für wichtig, „die Öffentlichkeit zu warnen, dass der Konsum von Marihuana in Teenager-Jahren ein gesundheitliches, soziales und schulisches Risiko mit sich bringt“. Sie appellieren an Ärzte, mehr in der Aufklärung zu intervenieren, und warnen vor einer Legalisierung der Droge für nicht-medizinische Zwecke.

Anlässlich der Vorstellung des Weltdrogenberichts 2014 der UN-Behörde für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) in Wien am Weltdrogentag (vgl. Die Zeit, online, 26. 6. 2014) zeigte sich die UNO besorgt angesichts der weltweiten Ausbreitung von synthetischen Drogen. Die Herstellung von Amphetaminen, zu denen auch das Rauschmittel Crystal Meth gehört, habe stark zugenommen.
Laut UNODC haben 2012 weltweit rund 243 Millionen Menschen im Alter von 15 bis 64 illegale Drogen konsumiert. Der allgemeine Drogenkonsum sei zwar stabil geblieben, stark gestiegen ist aber der Konsum von Amphetaminen. Mit 34 Millionen Konsumenten sind die synthetischen Drogen („Designerdrogen“) bei ihrer Verbreitung nach Cannabis (178 Millionen Konsumenten) bereits auf Platz zwei vorgerückt (vgl. UNODC, Pressemitteilung, online, 26. 6. 2014). Die Zahl der synthetischen Drogensorten hat sich zwischen den Jahren 2009 und 2013 von 166 auf 348 Rauschmittel mehr als verdoppelt. International kontrolliert und verboten sind 234 Drogen.
In Europa wurde Cannabis im Jahr 2013 von 5,3 Prozent (18,1 Millionen) der Bevölkerung konsumiert, wobei vor allem junge Menschen davon Gebrauch machen: 14,6 Millionen der Konsumenten waren im Alter zwischen 15 und 34 Jahren (vgl. Standard, online, 27. 5. 2014).
Eine Mehrheit der Österreicher ist laut jüngster Umfrage gegen eine Cannabis-Legalisierung. Sowohl VP-Justizminister Wolfgang Brandstetter als auch SP-Gesundheitsminister Alois Stöger setzen auf Therapie und auf Prävention (vgl. Salzburger Nachrichten, online, 5. 7. 2014). Der Konsum von Suchtmitteln wie Cannabis dürfe keinesfalls erleichtert werden, so Brandstetter.

Foto:  © Susanne Schmich  / pixelio.de

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