Donnerstag, 21. März 2013

IMAGO-HOMINIS-Vorschau: Heilkunst versus Ökonomie

Die Spannungen zwischen Ärzten und Managern sind in den vergangenen Jahren gestiegen. Die Ärzteschaft und das Pflegepersonal haben ihren Beruf stets in erster Linie als spezifisch karitative Berufung verstanden. Die Aufgabe des Managements war es, die anfallenden Kosten über Politik, öffentliche Hand, Versicherungen und Spenden aufzubringen. In den letzten Jahren ist jedoch eine Trendumkehr zu verzeichnen: Krankenhäuser werden wie moderne Wirtschaftsunternehmen geführt, von denen eine ausgeglichene Bilanz gefordert wird. Konflikte entstehen, wo von beiden Seiten das richtige Verständnis für die Kompetenz des jeweils anderen und dessen Beitrag zur gemeinsamen Aufgabe fehlen. Die meisten Konflikte könnten im vernünftigen Dialog gelöst werden.

Einige der in der aktuellen Ausgabe von Imago Hominis vorliegenden Beiträge gehen auf das am 24. Mai 2012 zum Thema „Konfliktherd Krankenhaus: Ärzte versus Manager?“ veranstaltete Symposium (IMABE in Kooperation mit AUVA und ÖÄK) zurück.

Markus Schwarz (Egon Zehnder GmbH, Wien) führt aus, dass für die Führung eines modernen Krankenhauses vor allem drei wesentliche Kompetenzen entscheidend sind: Leadership, organisatorische Kompetenz und Fachkenntnisse, um klinische und technologische Produktionsprozesse zu steuern. Meistens sind die betriebswirtschaftlich ausgebildeten Ärzte die besseren Krankenhausmanager.

Der Gesundheitsökonom Max Laimböck (fh gesundheit, Innsbruck) analysiert in seinem Beitrag die Mängel des österreichischen Gesundheitssystems und schlägt mitunter provokante Lösungen vor. Die Angleichung der ärztlichen an die Unternehmensinteressen sei Voraussetzung für den Aufbau eines wettbewerbsfähigen Spitalssektors.

Der Schweizer Wirtschaftsethiker Christian Erk (Universität St. Gallen) behandelt in seinem Beitrag die Frage, was es bedeutet, soziale Gerechtigkeit auf Makroebene zum Maßstab der Rationierung bzw. Priorisierung im Gesundheitswesen zu machen. Eine wesentliche Weichenstellung für eine gesunde Zukunft unseres Gesundheitswesens bestehe darin, die Konzepte des „bonum commune“ und der „caritas socialis“ in das Zentrum der Reformüberlegungen zu stellen, so Erk. Wolfgang Huber (Haus der Barmherzigkeit und Synermed GmbH) und Johannes Bonelli (IMABE) plädieren dafür, den Konflikt zu lösen, indem sowohl Medizin als auch Ökonomie in den Dienst der Menschlichkeit gestellt werden. Sie zeigen, dass Wirtschaftlichkeit und Menschlichkeit einander nicht widersprechen, sondern bedingen.

Eine Vorschau der Imago-Hominis-Ausgabe 1/2013 mit dem Schwerpunkt „Heilkunst versus Ökonomie“ findet sich auf http://www.imabe.org/index.php?id=1522, das Einzelheft kann um 10 Euro bezogen werden.

Quelle: IMABE-Newsletter März 2013

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Public Health: Jede dritte Geburt im deutschen Sprachraum erfolgt per Kaiserschnitt

Alter der Frau, Zusatzversicherung und Wunsch nach Ausschluss medizinischer Risiken spielen eine Rolle

Die Rate der Kaiserschnitt-Geburten stieg in den vergangenen 20 Jahren in westlichen Ländern rasant an. Nun läuten auch in der Schweiz die Alarmglocken: Im Jahr 1998 hatte die Kaiserschnittrate noch 22,7 Prozent betragen, 2010 lag sie bereits bei 32,6 Prozent. Damit liegt die Schweiz auf gleicher Höhe wie Österreich und Deutschland (vgl. Faktencheck Gesundheit: Kaiserschnitt, Bertelsmann 2012). Hier kommt mittlerweile jedes dritte Kind per Kaiserschnitt zur Welt - vor wenigen Jahren war es nur jedes fünfte Kind.

Ein vom Schweizer Bundesrat angeforderter wissenschaftlicher Bericht gibt für die steigende Kaiserschnittrate (vgl. Stellungnahme des Bundesrats, online 28.2.2013) mehrere Gründe an. Ein Faktor ist das Alter: Frauen über 35 Jahre brachten im Jahr 2010 am meisten Kinder per Kaiserschnitt zur Welt (42,5 Prozent). Auch eine private Spitalzusatzversicherung erhöht die Wahrscheinlichkeit eines Kaiserschnitts. In einem Privatspital ist die Wahrscheinlichkeit für eine Sectio doppelt so hoch wie in einem öffentlichen Spital. Hier dürften also auch ökonomische Gründe eine Rolle spielen.

Im wissenschaftlichen Bericht wird auch thematisiert, dass Ärzte aus haftungsrechtlichen Gründen auf Nummer Sicher gehen wollen und deshalb dem Risiko einer normalen Geburt ausweichen. Der sogenannte „Wunschkaiserschnitt“ sei aber laut Bericht ein Randphänomen. Zwar würden Schwangere „zunehmend als Kundinnen des Gesundheitssystems wahrgenommen“ und deren Selbstbestimmungsrecht geachtet. Diese würden aber laut deutschen Erhebungen (Pressemitteilung Faktencheck Gesundheit: Kaiserschnitt, Bertelsmann 2012) nur 2 Prozent der Kaiserschnitte ausmachen. Allerdings: Der Schweizer Bericht nennt „Geburtsangst“ als medizinische Indikation, ohne genau auszuweisen, wie viele der Kaiserschnitte auf allein diese – dehnbare - Indikation zurückzuführen sind.

Eine 2012 im American Journal of Obstretrics and Gynecology publizierte Studie (2012; 206: 331.e1-19) hatte errechnet, dass mit der Senkung einer Sectio-Rate auf 15 Prozent (WHO-Vorgabe) weltweit 2,32 Milliarden US-Dollar eingespart werden könnten.

Kaiserschnitt-Geburten bedeuten sowohl für Kinder als auch die Mütter erhöhte gesundheitliche Risiken. Laut WHO liegen die Komplikationsraten bei einem Kaiserschnitt ohne medizinische Indikation gegenüber natürlichen Geburten dreimal so hoch. In einer in The Lancet im Jahr 2010 veröffentlichten Studie warnte bereits die WHO vor dem steigenden Phänomen der „Wunsch-Kaiserschnitte“. (vgl. Imabe-Newsletter März 2010). Laut WHO würde eine Kaiserschnittrate von 10 bis 15 Prozent in etwa den Fällen mit zwingender medizinischer Indikation entsprechen.

Quelle: IMABE-Newsletter März 2013

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Studie: Magenverkleinerungen sind nicht per se kostensparend

Gefahr für Übergewichtige nach Magen-OP eine Essstörung zu entwickeln, ist groß

Jährlich werden in Österreich rund 2.400 chirurgische Magen-Eingriffe (bariatrische Operationen) mit dem Ziel der Gewichtsreduktion bei adipösen Patienten durchgeführt. 65 Prozent der Patienten erhalten einen Magen-Bypass, 19 Prozent eine Magenverkleinerung und elf Prozent verstellbare Magenbänder. Dass ein solcher Eingriff für den Betroffenen auch ein Erfolg wird, hängt nicht nur von einem eisernen Willen zu einer Lebensstilveränderung ab, sondern auch von der Betreuung nach der Operation, betonten Experten am 30. Ernährungskongress in Wien (vgl. Standard, online 8.3.2013). Ein besonderes Augemerk müsse man der Tatsche widmen, dass Übergewichtige nach einer Magen-OP eine Essstörung entwickeln können (vgl. Standard, online 11.3.2013), betont Johann Kinzl von der Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin in Innsbruck.

Weltweit sind 500 Millionen Menschen krankhaft fettleibig. Allein in den USA ist jeder Dritte adipös. Die Erwartungshaltung adipöser Patienten an eine Magenoperation ist groß. Die operative Verkleinerung des Magens wird seit Jahren als eine mit Sicherheit mittel- wie langfristig kostensparende Therapie für extrem Übergewichtige propagiert. Eine jüngst in JAMA Surgery veröffentlichte Studie (2013; (): 1-8. doi:10.1001/jamasurg.2013.1504) stellt diesen Aspekt nun in Frage, berichtet dass Forum Gesundheit (online 22.2.2013).

Die Autoren unter der Leitung von Jonathan P. Weiner, Direktor des Center for Population Health Information Technology an der Johns Hopkins Universität untersuchten in einer Langzeitstudie über 6 Jahre (2002 bis 2008) 29.820 Personen, die wegen ihrer Adipositas operiert worden sind, und verglichen ihre gesundheitliche Versorgung und deren Kosten mit denen von Angehörigen einer nicht operierten Vergleichsgruppe, die in gesundheitlicher Sicht ähnliche Charakteristika aufwiesen (z. B. Betroffenheit von Übergewicht). Das Ergebnis: Die Gesundheitsausgaben der operierten Personen waren bis zum dritten Jahr der Untersuchung größer als die Kontrollgruppe der Nicht-Operierten. In den weiteren Jahren glichen sich die Ausgaben an. Die Ausgaben der bariatrisch operierten Personen für Medikamente und Arztbesuche waren zwar niedriger, jene für stationäre Behandlung aber höher als in der Kontrollgruppe. Letztere entstanden überwiegend durch unerwünschte und zum Teil erst nach Jahren auftretenden Komplikationen der am häufigsten angewandten Operationstechnik, der so genannten laparoskopischen Operation.

Die Autoren fordern, dass die Indikation einer bariatrischen Operation sich viel mehr daran messen sollte, ob dadurch ein Benefit zu erwarten ist. Das bloße Argument, sie sei kostensparend, entspricht nicht den Tatsachen und kann somit nicht ausschlaggebend für eine Indikationsstellung sein. Zum patientenbezogenen Nutzen und zu den Entscheidungskriterien für eine Operation gehört für die Forscher auch das "well-being" der betroffenen Personen.

Quelle: IMABE-Newsletter März 2013
Foto:  © birgitH / PIXELIO

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Schmerz: Art der Aufklärung beeinflusst maßgeblich den Behandlungserfolg

Ärzte sollten sich der therapeutischen Effekte ihre Worte deutlicher bewusst werden

Das Thema chronischer Schmerz betrifft in Österreich mindestens 1,5 Millionen Menschen. Jeder elfte Europäer leidet täglich an Schmerzen. Einer europäischen Studie zufolge ist rund ein Drittel aller chronischen Schmerzpatienten überhaupt unbehandelt. Die moderne Schmerzmedizin stößt derzeit noch oft an ihre Grenzen - teils aus Unwissenheit, auch der Kollegen aus der Ärzteschaft, teils aufgrund offener Fragen, die die Wissenschaft noch nicht klären konnte. Immer deutlicher zeigt sich in Studien aber, dass die Art der Aufklärung sowie die Einstellung des Mediziners und des Patienten zentral den Placebo- und Nocebo-Effekt und damit den Erfolg oder Misserfolg von Schmerztherapien erheblich beeinflussen, erklärte Hans-Georg Kress, Vorstand der Abteilung für Spezielle Anästhesie und Schmerztherapie an der Medizinischen Universität Wien anlässlich des 17. Internationalen Wiener Schmerzsymposiums (Presseaussendung, online 1.3.2013). Sie machen rund 30 Prozent allen ärztlichen Erfolges aus.

Aktuelle Studien zeigen, dass die Placebo-Wirkung viel mehr umfasst als bloße Einbildung auf psychologischer Ebene. „Moderne, bildgebende Verfahren haben die Placebo-Wirkung nun auch auf biologischer Ebene sichtbar gemacht. Sonst wurde dieser Effekt nur mithilfe von Medikamenten ausgelöst“, erklärt Kress, derzeit Präsident der Europäischen Schmerzföderation (EFIC). Verschreibt ein Arzt ein Medikament also mit den Worten „das wird Ihnen jetzt bestimmt helfen“, ergänzt er die schmerzstillende Wirkung des Präparats insofern, als im Gehirn erst gar kein Schmerzsignal entsteht. Umgekehrt kann eine negative Erwartungshaltung Angst und Schmerzempfindlichkeit schüren.

Offenbar gäbe es eine Tendenz bei Medizinern, mögliche Nebenwirkungen zu betonen, um nicht nachträglich für mangelnde Aufklärung belangt werden zu können. „Doch man kann das auch positiv verpacken, indem betont wird, dass ein hoher Prozentsatz der Patienten positiv darauf anspricht.“ Aussagen des Arztes wie „Das wird jetzt wehtun“ würden sein Handeln mit einem deutlichen Nocebo-Effekt versehen. Angesichts der Tatsache, dass selbst eine kurze Information von rund 90 Sekunden beim Patienten auch nach vier Tagen noch einen Effekt entwickeln kann, der mindestens acht Tage anhält, sollten sich Ärzte „der Bedeutung von flapsig dahingesagten Sätzen bewusst sein, um den Effekt der Schmerztherapie nicht kleinzureden“, betonte Kress (vgl. Kurier, online 1.3.2013). Bei vielen Ärzten müsse erst das entsprechende Bewusstsein dafür geschaffen werden, welchen gewollten oder ungewollten starken therapeutischen Effekt allein das ärztliche Verhalten haben kann. Nähere Informationen über medizinische und ethische Aspekte des Einsatzes von Placebo-Effekten finden sich in der IMABE-Info Placebo).

Quelle: IMABE-Newsletter März 2013
Foto:  © Gerd Altmann / PIXELIO

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PID: Deutschland erlaubt Selektion von Embryonen ab Februar 2014

Schwammige Indikationen und fehlende Kontrolle öffnen Markt für PID, sagen Kritiker

Es war ein letztes Aufgebot: Im Herbst 2012 hatten deutsche Abgeordnete von CDU/CSU, Grünen, SPD und Linken noch versucht, die Verordnung zur umstrittenen Präimplantationsdiagnostik zu verhindern (vgl. September 2012: Deutschland: Politiker kritisieren PID-Verordnung als nicht gesetzeskonform). Nun stimmte nach monatelangem Streit das Bundeskabinett der Verordnung zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik (PIDV Bundesgesetzblatt Jahrgang 2013 Teil I Nr. 9, 25. Februar 2013) von Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) zu. Die Verordnung tritt per 1.2.2014 in Kraft. Bis dahin bleibt die Präimplantationsdiagnostik (PID), die in dafür eigens zugelassenen Zentren nach Bewilligung durch eine achtköpfige Ethikkommission mit Zweidrittel-Mehrheit durchführt werden darf, noch verboten. Danach dürfen auch in Deutschland künstlich erzeugte Embryonen mittels PID auf schwere Erbkrankheiten untersucht und aussortiert werden.
Bereits im Juli 2011 hatte der Bundestag nach emotionaler Debatte ohne Fraktionszwang der begrenzten Zulassung der PID bei einem grundsätzlichen Verbot zugestimmt. Anders als von Minister Bahr vorgesehen, werden Zentren keinen Rechtsanspruch auf Zulassung haben. Die Zulassung soll davon abhängig gemacht werden, ob es überhaupt einen Bedarf gibt. Laut Schätzungen dürften in Deutschland, wenn die strengen Regeln eingehalten würden, ohnehin nur 250 bis 400 Paare jährlich die PID in Anspruch nehmen. Die Forderung von PID-Kritikern überhaupt nur zwei bis drei Zentren zuzulassen – was für den Bedarf völlig ausreichend gewesen wäre –, wurde aber vom FDP-Gesundheitsminister abgelehnt. Damit bleibt die Sorge, dass eine höhere Zahl an PID-Zentren (und damit ein wachsender Markt) auch eine Ausweitung der Indikation für einen Embryonencheck mit sich bringt.
Außerdem ist nicht vorgesehen, dass die Spruchpraxis der Ethikkommissionen erfasst wird. Die Ethikkommissionen müssen bei einer Erlaubnis für eine PID bloß den Begründungstyp melden (elterliche Vorbelastung, Risiko für Tot- oder Fehlgeburt). Was sie dann aber genau unter einer „schwerwiegenden Erbkrankheit“ verstehen, bleibt unbenannt. Damit, so Kritiker, werden künftige Aussagen darüber, ob in Deutschland PID hinsichtlich der Indikationen zurückhaltend oder ausufernd eingesetzt wird, spekulativ bleiben müssen.
Im Informationsvideo Minenfeld PID. Was Präimplantationsdiagnostik mit unseren Kinder macht melden sich Betroffene und Experten kritisch zur PID zu Wort, unter ihnen IMABE-Geschäftsführerin Susanne Kummer. Das sechsminütige von Jugend für das Leben produzierte Video ist online unter http://pid.youthforlife.net/ abrufbar. Fakten, Daten und ethische Bewertung der PID finden sich auch in der IMABE-Info zur Präimplantationsdiagnostik 2012.

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