Montag, 16. Dezember 2013

IMAGO-HOMINIS-Vorschau: Kommunikation in der Medizin

Ärzte führen im Laufe ihres Berufslebens rund 100.000 medizinische Gespräche mit Patienten. Die Zeit dafür ist meist knapp bemessen. Heute weiß man, wie wichtig ein guter Kommunikationsverlauf zwischen Arzt und Patient für den Therapieverlauf und den Krankheitsprozess ist. Kommunikationsmangel wird als Beziehungsstörung und Vertrauensbeeinträchtigung empfunden – und schlägt sich unweigerlich auch auf die Qualität der Behandlung nieder. Ohne das Vertrauen des Patienten können weder Ärzte noch Pfleger ihren Heilungsauftrag ausführen. 

Wie lässt sich eine geglückte Arzt-Patienten-Kommunikation aufbauen und erhalten? Welche Faktoren müssen dafür besonders berücksichtigt werden? Diesen Fragen widmet sich die kommende Ausgabe das Fachjournals Imago Hominis mit dem Schwerpunkt „Kommunikation in der Medizin“. 

Das Erstellen oder Erlernen von rein technischen Kommunikationsmodellen genügt nicht, damit es zu einer Begegnung von Menschen kommt. Was also braucht es mehr? Thomas S. Hoffmann (Fernuniversität Hagen) widmet sich einer anthropologischen Sicht auf das Phänomen Kommunikation und fragt nach den Eckpunkten einer Ethik der Kommunikation. 

In seinem Beitrag zum ärztlichen Gespräch und seiner Dynamik zeigt der Berliner Sozialpsychologe Hans-Wolfgang Hoefert auf, wie sich bestimmte Rahmenbedingungen (Arztpraxis, Krankenhaus) günstig oder ungünstig auf die Gesprächsqualität auswirken können, und welche Maßnahmen der Arzt setzen muss, damit die Erwartungen und Krankheitsvorstellungen des Patienten in die Gespräche einbezogen werden.

Die Internistin und Psychoonkologin Monika Keller (Universitätsklinikum Heidelberg) arbeitet in ihrem Beitrag heraus, auf welche speziellen Herausforderungen ärztliche Kommunikation im Bereich der Onkologie trifft. Im Mittelpunkt der Anforderungen an menschliche und professionelle Kompetenz steht eine patientenzentrierte Kommunikation, ohne die eine „heilsame Behandlung“ und Versorgung von Krebspatienten nicht denkbar ist. Anhand eines deutschlandweit seit 2008 speziell für Onkologen durchgeführten Kommunikationstrainings zeigt Keller, wie Ärzte in ihrer Kompetenz, Krebspatienten gut zu führen und sie und deren Angehörige zu begleiten, gestärkt werden können. 

Michael Peintinger, Anästhesist am Krankenhaus Göttlicher Heiland in Wien, richtet seinen Fokus auf die interkulturelle Kommunikation. Hier brauche es vonseiten des Arztes ein Wissen um unterschiedliche kulturgebundene Werthaltungen, eine kulturelle Sensibilität sowie die grundsätzliche Bereitschaft, das Wertesystem des Patienten wahrzunehmen und einzubeziehen. 

Martina Hess und Regina Hummer (Kommunikationstrainerinnen, Horizont, Wien) zeigen anhand des Fünf-Phasenmodells „Schock – Verleugnung – Aggression – Depression – Trauerarbeit“, was in Patienten nach der Konfrontation mit einer schwerwiegenden Diagnose emotional vorgeht, und geben hilfreiche, praktische Strategien für die weitere ärztliche Gesprächsführung. 

Eine Vorschau der Imago-Hominis-Ausgabe 4/2013 mit dem Schwerpunkt „Kommunikation in der Medizin“ findet sich auf http://www.imabe.org/index.php?id=1522, das Einzelheft kann um 10 Euro bezogen werden.

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Straßburg: Europäisches Parlament lehnt „Estrela-Bericht“ ab

Sexualkunde und Abtreibungsrecht sind keine EU-Kompetenzen

Das Europäische Parlament in Straßburg hat in seiner Plenarsitzung am 10. Dezember 2013 den Estrela-Report über die sogenannten Rechte zur sexuellen und reproduktiven Gesundheit abgelehnt. In einer Aussendung wertet die deutsche CDU/CSU-Bundestagsfraktion die Zurückweisung des Estrela-Berichts als einen wichtigen Erfolg. Dieser habe unter dem Oberbegriff der „sexuellen und reproduktiven Gesundheit“ ein Recht auf Abtreibung gefordert und dieses als Handlungsziel europäischer Politik erklärt. „Besonders die Forderung, das Recht von Ärzten und Krankenpflegern in Frage zu stellen, aus Gewissensgründen nicht an einer Abtreibung mitzuwirken, lehnen wir entschieden ab. Nach unserer festen Überzeugung darf es in einem rechtsstaatlichen Europa kein Recht auf Tötung ungeborener Kindern geben“, heißt es in der Stellungnahme (online, 12. 12. 2013). 

Der nach der portugiesischen Sozialistin Edite Estrela benannte Bericht hatte die Abtreibung als Menschenrecht, die Abschaffung der Gewissensfreiheit für medizinisches Personal sowie die Einführung einer europaweiten Sexualerziehungspflicht in Grund- und Sekundarschulen, auch ohne die Zustimmung der Eltern oder Erziehungsberechtigten gefordert. Massive Unterstützung bekam der Report von internationalen Lobbying-Institutionen u. a. der International Planned Parenthood Federation Europe (IPPF-EN), der European Women’s Lobby (EWL), der International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (ILGA) sowie der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung (DSW). 

Unter dem Schlagwort Estrela No! hatten Kritiker des Antrags zu Protesten aufgerufen. Rund 100.000 Protest-Emails landeten bei EP-Abgeordneten, mehrere Protestkundgebungen fanden vor dem Europäischen Parlament statt. Der Report sei ein Angriff auf die Grundrechte der Bürger: Die Verweigerung aus Gewissensgründen ist ein international anerkanntes Recht. Der EuGH hatte 2011 in einer Entscheidung (C-34/10) festgehalten, dass es sich bei einer befruchteten menschlichen Eizelle rechtlich um einen menschlichen Embryo handle, der geschützt werden muss (vgl. EuGH: Kein Patent auf humane embryonale Stammzellen, 2011). Es könne daher kein Recht auf Tötung von Menschen in ihrer frühen Lebensphase geben, so die Kritiker. 

Schließlich votierten die Abgeordneten mit einer knappen Mehrheit von 334 zu 327 Stimmen für einen alternativen, von der EVP eingebrachten Entschließungsantrag. Sowohl die Festlegung der Gesundheitspolitik, die Organisation des Gesundheitswesens und der medizinischen Versorgung als auch die schulische Sexualerziehung ist und bleibt alleinige Zuständigkeit der EU- Mitgliedsstaaten, heißt es in dem angenommenen Antrag. 

Der Estrela-Report galt als schnelle Gegenmaßnahme zur überraschend erfolgreichen Europäischen Bürgerinitiative One of Us: 1,86 Millionen EU-Bürger hatten 2013 in diesem bisher erfolgreichsten Volksbegehren Europas überhaupt die EU-Kommission aufgefordert, keinerlei Aktivitäten mit EU-Geldern zu fördern, die eine Zerstörung menschlicher Embryonen voraussetzen (vgl. IMABE, Februar 2013: EU: Bürgerinitiative One of Us zum Schutz des Embryos gestartet).

Quelle: IMABE-Newsletter Dezember 2013
Foto: rakoellner  / pixelio.de

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Studie: Allgemeinärzte verschreiben zu viele Medikamente mit zu wenig Nutzen

Ein Drittel aller Medikamente wird ohne wissenschaftliche Begründung verschrieben

Fast ein Drittel der Medikamente wird ohne „Evidenzbasis“ verschrieben, das heißt, dass es keinen wissenschaftlichen Nachweis für den Nutzen gibt. Das ist ein Ergebnis einer Vorabstudie (169 Patienten aus 22 allgemeinmedizinischen Praxen) der Arbeitsgruppe von Andreas Sönnichsen, Leiter des Instituts für Allgemeinmedizin und Familienmedizin an der Universität Witten/Herdecke (vgl. Pressemitteilung, online, 15. 11. 2013). 

Polypharmazie, d. h. die gleichzeitige Verordnung von mehr als fünf unterschiedlichen Arzneimitteln in einem definierten Zeitraum, ist wegen der nicht bekannten oder nicht überschaubaren Wechselwirkungen und den praktischen Schwierigkeiten, sie korrekt einzunehmen, ein generelles Problem. Nach Studien aus den Niederlanden, Österreich und anderen Ländern sind laut Sönnichsen 5 bis 10% aller internistischen Krankenhausaufnahmen von älteren Patienten auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen zurückzuführen. 

In dieser Studie wurden Patienten untersucht, denen im Durchschnitt etwa neun verschiedene Medikamente pro Tag verordnet worden waren. Im Mittel fand sich bei 2,7 Medikamenten/Patient keine wissenschaftliche Begründung für die Verordnung. Über 90% der Patienten wiesen mindestens eine unbegründete Arzneimittelverschreibung auf. Darüber hinaus fanden sich Dosierungsfehler (bei 56% der Patienten), relevante Interaktionen zwischen den Medikamenten (bei 59% der Patienten) und Verordnungen von Medikamenten, die bei alten Menschen nicht verordnet werden sollten (37% der über 65jährigen). 

Die Forschergruppe hält die Hausärzte für „überfordert“, die Medikamente kritisch zu durchforsten, vor allem wenn Patienten mit „langen Medikationslisten aus der Klinik entlassen werden oder von verschiedenen Fachärzten zurückkommen: „Wie sollen sie entscheiden, welches Medikament wirklich erforderlich ist“? Die nun anlaufende europaweite Hauptstudie der Universität Witten/Herdecke (vgl. Deutsche Apotheker-Zeitung, online, 19. 11. 2013) soll untersuchen, inwieweit eine eigens entwickelte Software den Hausärzten als Entscheidungshilfe dienen kann. Der elektronische Medikamenten-Check soll unter Berücksichtigung von Diagnosen, Laborwerten und Begleiterkrankungen usw. – Vorschläge machen, welche Medikamente am ehesten entbehrlich oder gar schädlich sind. 

Ein besseres und elektronisch verfügbares Wissen allein verhindert aber nicht verlässlich die Verordnung von unwirksamen, nicht indizierten oder zu vielen Arzneimitteln (vgl. dazu eine aktuelle Studie Journal Amercian Medical Informatics Association (JAMIA, doi: 10.1136/amiajnl- 2013-001813; vgl. auch Beubler E., Polypragmasie: Bringt E-Health die Lösung?, Imago Hominis (2010); 17(2): 121-126).

Foto:  Thommy Weiss  / pixelio.de

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Forschung: USA lenken ein und fördern „ethisch saubere“ Stammzellforschung

IMABE kritisiert Finanzierung von Embryonenzerstörung durch EU-Gelder

Das Potential für Therapien aus Stammzellen, die ethisch sauber gewonnen wurden – also ohne die Zerstörung von menschlichen Embryonen – ist offenbar so gestiegen, dass große öffentliche Geldgeber in den USA den Finanztopf für Forschungsprojekte mit menschlichen embryonalen Stammzellen (ES-Zellen) schließen, dafür aber das Geld in die Forschung mit adulten Stammzellen oder auch IPS-Zellen stecken. Im Jahr 2013 gingen bereits 90% der Förderungen des weltweit finanzkräftigsten Instituts zur Stammzellforschung, des California Institute for Regenerative Medicine (CIRM), auf das Konto von Projekten mit adulten und IPS- Zellen. Dies berichtet die Washington Post (online, 3. 12. 2013) unter Berufung auf einen aktuellen vom Charlotte Lozier-Institut publizierten Report über die Verteilung der US- Finanzförderung im Bereich Stammzellenforschung. IPS sind jene Körperzellen, die sich dank der vom Nobelpreisträger Shiman Yamanaka 2012 entwickelten Methode so zurückprogrammieren lassen, dass sie quasi-embryonale Fähigkeiten besitzen und sich prinzipiell in jedes Gewebe entwickeln können (IMABE November 2012: Stammzellen: Nobelpreis zeigt, dass ethisch sauberes Forschen erfolgreich ist). 

Unter den 31 geförderten CIRM-Studien gab es 2013 nur noch eine einzige (!) mit embryonalen Stammzellen. Der Kontrast zur jüngeren Vergangenheit ist groß, zumal im Jahr 2007 das CIRM mit einem 10-Jahres-Budget von drei Milliarden Dollar als Flaggschiff für die Forschung an ES-Zellen gegründet worden war – als Reaktion auf die von Präsident George W. Bushs verfügte Beschränkung von öffentlichen Geldern für embryonale Stammzellforschung. Damals waren sämtliche CIRM- Förderungen ausschließlich in Projekte mit ES-Zellen geflossen. 

Als zweiter Indikator für eine Trendwende gilt der Bundesstaat Maryland, der ebenfalls für ein liberales Gesetz zur Stammzellenforschung steht. Maryland ist Heimat der Johns Hopkins University School of Medicine und damit ein führender Standort für die Stammzellforschung. Im Jahr 2007 finanzierte die Maryland Stammzellforschung Kommission 11 Projekte, die menschliche Embryonen-Stammzellen, und vier, die adulte Stammzellen verwendeten. 2013 gab es nur noch ein einziges embryonales Stammzellprojekt (0,1 Mill. US-Dollar) gegenüber 28 nicht- embryonalen Projekten mit einem Fördervolumen von 8 Millionen US-Dollar. 

„Amerikanische Geldgeber haben offenbar ihre Lehren gezogen und ziehen sich von den ethisch nicht vertretbaren und offenbar auch ökonomisch motivierten Pseudo-Heilsversprechen mit embryonalen Stammzellen zurück“, begrüßt IMABE-Geschäftsführerin Susanne Kummer die Entwicklungen in den USA. Umso paradoxer scheint es, wenn nun das 8. EU-Forschungsrahmenprogramm Horizon 2020 mit dem Hinweis, im Wettbewerb mit den USA mithalten zu wollen, weiterhin Steuergelder in diese Forschung investiert. „Statt sich einzugestehen, auf die ‚falsche Zelle’ gesetzt zu haben, und ebenfalls die Geldflüsse in zukunftsorientierte Projekte umzulenken, haben die EU-Staaten erneut die öffentliche Förderung der Stammzellenforschung beschlossen, die die Vernichtung von Embryonen einschließt“, kritisiert Kummer.
Österreich hat aus ethischen Gründen seinen Vorbehalt gegenüber Horizon 2020 erneuert. 

Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle hatte sich am 4. 12. 2013 in Brüssel der Stimme enthalten. Die Kommission der EU-Bischofskonferenzen (ComECE) in Brüssel betonte (vgl. Kathpress, online, 5. 12. 2013), dass „die Chance versäumt wurde, im Bereich der EU-Forschungspolitik und der Verwendung embryonaler Stammzellen den richtigen Schritt zu tun – nicht nur aus ethischen Gründen, sondern auch aus Sicht der neuen wissenschaftlichen und rechtlichen Entwicklungen sowie mit Blick auf deren Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit von Forschung.“

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OECD-Studie: Menschen reicher Länder nehmen immer mehr Antidepressiva

Vorsicht gegenüber einer Medikalisierung von Befindlichkeitsstörungen geboten

Der Trend ist eindeutig: Laut dem neuen OECD-Report Health at a Glance 2013 (Gesundheit auf einen Blick) ist der Gebrauch von Antidepressiva in den 33 OECD-Ländern in den vergangenen zehn Jahren dramatisch angestiegen. In manchen Ländern, so der Bericht, werde inzwischen mehr als einem von zehn Erwachsenen ein Antidepressivum verschrieben. Island, Australien und Kanada führten 2011 die Tabelle mit bis zu 106 Dosen je 1000 Einwohner pro Tag an, 2000 waren es dagegen nur etwa 70. 

Laut OECD-Report könnte auch die Finanzkrise einen Einfluss auf den steigenden Gebrauch von Antidepressiva haben. Die Verschreibungsraten in Ländern wie Spanien und Portugal, die schwer von der Wirtschaftskrise getroffen wurden, sind in den vergangenen Jahren um 20% gestiegen und lagen über dem OECD-Durchschnitt. Eine alleinige Erklärung ist die Finanzkrise jedoch nicht: In Deutschland, das weniger stark davon betroffen war, ist der Gebrauch von Antidepressiva zwischen 2007 und 2011 zwar um 46% gestiegen. Allerdings liegt Deutschland mit 50 Tagesdosen noch unter dem OECD-Durchschnitt von 56 Tagesdosen. 

„Diese Ausdehnung hat zur Besorgnis darüber geführt, ob die Verschreibungen angebracht sind“, heißt es in dem OECD-Bericht kritisch. Der Hamburger Mediziner und Sozialpsychiater Klaus Dörner hatte erst kürzlich in Wien anlässlich eines IMABE-Symposiums vor einer „Medizinisierung“ der Psychiatrie gewarnt (vgl. Salzburger Nachrichten, online, 9. 11. 2013). Wenn medizinisch gesehen die Zahl der Depressiven relativ konstant bleibt: Warum steigt dann die Verschreibung von Antidepressiva so rasant an? Die Autoren des OECD-Reports vermuten, dass Antidepressiva immer häufiger auch im Falle von milderen Erkrankungsformen – etwa bei Angstzuständen oder Sozialphobien – verordnet werden, die Therapien fielen allgemein intensiver aus. 

Diese Kritik weist die Stiftung Deutsche Depressionshilfe vehement zurück. In einer Stellungnahme (vgl. Deutsches Ärzteblatt, online, 23. 11. 2013) wertet sie die ansteigenden Verordnungszahlen als Indiz für den Abbau diagnostischer und therapeutischer Barrieren im Bereich depressiver Erkrankungen, so dass nun eben mehr Menschen behandelt werden könnten. Zurückhaltung signalisiert hingegen die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). Harmlosere Befindlichkeitsstörungen sollten nicht vorschnell zu behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankungen erklärt und dadurch medikalisiert werden, betont DGPPN-Präsident Wolfgang Maier (Pressemitteilung, online, 28. 11. 2013). Damit würde außerdem eine gerechte Verteilung der begrenzten und „gedeckelten“ Ressourcen des Gesundheitswesens erschwert, „vor allem zum Nachteil jener schwer psychisch kranken Menschen, die unbedingt einer sachgerechten medizinischen Hilfe benötigen“, warnt Maier.

Foto: Bernd Kasper  / pixelio.de

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Österreich: Töten als ärztliche Dienstleistung ist keine Option

Schutz der Menschenwürde in der Verfassung wäre ein demokratiepolitischer Meilenstein

Sollen ein Euthanasie-Verbot sowie ein Gesetzesanspruch auf palliativmedizinische Begleitung in die österreichische Verfassung? Laut Medienberichten hatten sich die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP auf dieses Vorhaben geeinigt (vgl. Wiener Zeitung, online, 29. 11. 2013). Auch die Österreichische Palliativgesellschaft fordert in einer Online-Petition eine Verankerkung des Schutzes der Menschenwürde in der Verfassung sowie einen Ausbau der palliativmedizinischen Betreuung (vgl. IMABE November 2013). 

IMABE-Direktor Johannes Bonelli, selbst jahrzehntelang als Intensivmediziner tätig, begrüßt beide Vorhaben. Ein Blick nach Belgien und die Niederlanden genüge, um zu erahnen, was es für unsere Zukunft bedeutet, wenn die Euthanasie von Staats wegen legitimiert werden soll, gibt Bonelli zu Bedenken. Als erstes Land der Welt will Belgien nun auch aktive Sterbehilfe für Minderjährige legalisieren, etwa bei Leukämie oder Hirntumoren. Der Senat gab dafür grünes Licht (vgl. RP-online, 13. 12. 2013). Das Vorhaben rief scharfe Proteste hervor: Euthanasie für Lebensmüde, aber nicht kranke Personen, für Neugeborene – und nun auch für Kinder? 

„Wer meint, ein Verbot der Euthanasie schränke die Autonomie des Individuums ein oder würde gar Ärzte zu einer Lebensverlängerung um jeden Preis zwingen, operiert mit einem wirklichkeitsfremden Autonomiebegriff bei Schwerkranken. Hier geschieht eine Umdefinierung des ärztlichen Auftrags, gegen die wir uns entschieden wehren“, so Bonelli. Aus standesethischer Sicht ist für den Mediziner klar: Die ärztliche Unterstützung einer Selbsttötung ist nicht nur eine individuelle Angelegenheit, sondern trifft die gesamte Ärzteschaft. „Niemals kann es Aufgabe des Arztes sein, den Tod als professionelle Dienstleistung anzubieten“, betont der Internist. Aus dem Recht auf Selbstbestimmung könne kein Recht auf Selbsttötung abgeleitet werden und schon gar nicht das Recht bzw. die Pflicht des Arztes zur Tötung seiner Patienten.

Die Identität des eigenen Berufsethos lassen sich die Ärzte sicher nicht von außen aufoktroyieren. „Es wäre zu fragen, wie eine andere Berufsgruppe (z. B. die Polizei oder das Militär) reagieren würde, wenn man von ihnen verlangen würde, Selbstmordwillige zu exekutieren.“ Studien zeigen außerdem, dass das Hauptmotiv für den Todeswunsch nicht körperlicher Schmerz ist, sondern ein psychisches Problem wie Depression, Hoffnungslosigkeit und Angst. Die Antwort auf Depressionen und Hoffnungslosigkeit könne aber nicht Tötung sein, sondern medizinische Hilfe, Beratung und Beistand. 

Der vorzeitige Tod als Dienstleistung für alle, ausgeführt von staatlich geprüften Fachleuten – ist das die Zukunft des Sterbens? „Offenbar fühlen sich Mediziner zunehmend selbst als Herren über Leben und Tod ihrer Patienten“, warnt der Internist. Laut einer Regierungsstudie leisten niederländische Ärzte in 25% der Fälle aktive Euthanasie bei Patienten, die gar nicht darum gebeten hatten. Sie hätten eine „zu geringe Lebensqualität“ oder „unerträgliches Leiden“, so die Begründung. „Hier bahnt sich eine Herrschaft von Menschen über Menschen an, die letztlich das Vertrauen zwischen Arzt und Patient, zwischen Eltern und Kindern zerrüttet“, kritisiert der IMABE-Direktor. 

Bonelli plädiert außerdem für eine „Entwirrung der Begriffe“: Es gebe Handlungen mit Tötungsabsicht – also Sterbehilfe im Sinne der Euthanasie – durch Verabreichung eines Medikaments oder durch Unterlassung gebotener therapeutischer Maßnahmen. Diese seien ethisch niemals rechtfertigbar, weil sie direkt auf den Tod des Patienten abzielen. Davon zu unterscheiden seien medizinisch-therapeutische Handlungen, die in erster Absicht dem Patienten das Leben erleichtern, etwa durch eine Schmerztherapie. Dass dabei negative Effekte auftreten können – etwa Sepsis unter Chemotherapie oder die Reduktion der Lebensdauer aufgrund schädigender Nebenwirkungen bei hoch dosierten Schmerzmitteln usw.) ist ein allgemein ethisch anerkanntes Prinzip. „Die Aufgabe des Arztes ist nicht Sterbehilfe im Sinne von Tötung, sondern Lebenshilfe im Sinne von Schmerzlinderung und Beistand“, betont der Arzt. 

Bonelli sieht eine klaren Auftrag: „Was wir brauchen, ist eine neue Kultur des Sterbens und der Leidensbewältigung. Diese Kultur kann nicht darin bestehen, den Tod als professionelle Dienstleistung einzufordern. Hier schlägt die Sterbekultur in eine Kultur des Todes um. Diese ist freilich gegen den Menschen selbst gerichtet, denn wenn das absolute Tötungsverbot aufgehoben wird, dann wird gleichzeitig auch die bedingungslose soziale Verpflichtung gegenseitiger Fürsorge gerade für die Schwächsten unserer Gesellschaft aufgehoben.“

Foto: Jens Goetzke  / pixelio.de 

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