Freitag, 25. März 2011

Katholische Gynäkologen heute: Bedrängnis und Bewährung

(zenit.org) Die Internationale Föderation der Katholischen Ärzte (FIAMC) hat in Rom eine Konferenz über die Würde der Mutterschaft und der Gynäkologen einberufen, die vom 31. August bis 4. September diesen Jahres im Institut Maria SS. Bambina stattfinden soll.
Dieser VIII. Kongress der katholischen Gynäkologen wird von MaterCare International organisiert, einer Vereinigung der FIAMC, die vom Päpstlichen Rat für die Pastoral im Krankendienst und von der Päpstlichen Akademie für das Leben unterstützt wird.
Ziel dieser Konferenz ist einerseits den Wert der Mutterschaft und andererseits die einzigartige Rolle der Gynäkologen und Mediziner im Dienst ihrer Verteidigung hervorzuheben.
Der Präsident von FIAMC, der spanische Arzt José Maria Simon Castellvi, erklärte gegenüber ZENIT, dass die Prioritäten der katholischen Ärzte „der Schutz des menschlichen Lebens von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod sind, sowie der Schutz der Fruchtbarkeit, da Kinder ein großes Gut sind,sowie die Förderung einer gesunden Anthropologie zwischen Ehegatten und die Gesundheitsversorgung von Müttern und Kindern."
Geburtshelfer und Gynäkologen, sowie Hebammen und anderes medizinisches Personal „sind die Finger, die das Gut des entstehenden Lebens berühren. Sie stehen an entscheidenden Momenten des menschlichen Lebens und können viel Gutes tun, aber auch viel Schaden anrichten", sagte der Arzt.
Bei der Vorstellung der Konferenz wurden die katholischen Gynäkologen als „Zeichen des Widerspruchs in der Welt der Kultur des Todes" betrachtet. „Katholische Gynäkologen sind heute wahre Helden. Sie stehen unter großem Druck. In vielen „zivilisierten" Ländern ist es leider unmöglich, ohne die Durchführung von Abtreibungen als katholischer Frauenarzt praktizieren zu können", sagte der spanische Arzt.
Der Präsident von FIAMC bedauerte die Existenz von „Gruppen und sogar internationalen Organisationen, die anstatt diese Werte zu fördern, mit medizinisch unhaltbaren Ausreden unschuldigen Menschen in der Gebärmutter das Leben auslöschen, und die Fruchtbarkeit bekämpfen, als ob dieses Kind ein Insekt wäre. Das Problem des Westens ist, dass sie die Fruchtbarkeit als eine Gefahr für den persönlichen Gesundheits- oder Sozialbereich hinstellt. Und das ist sie nicht."
Die entwickelten Länder müssten kulturelle und geistige Anstrengungen erbringen, um die eheliche Beziehung und Kinder als großes Geschenk Gottes sehen zu können. Die größten Herausforderungen, denen die katholischen Gynäkologen derzeit gegenüberstünden, seien die natürliche Regulierung der Fruchtbarkeit, der Mutterschutz und intensive Dienstleistungen, die jedoch die unfruchtbaren Ehegatten nicht ersetzen.
Simon erklärte, dass die sanitäre Versorgung von Müttern in der Dritten Welt zu den größten Sorgen von MaterCare und FIAMC gehöre, da sie dürftig oder gar unzureichend sei. „Es fehlt an allem, vor allem aber an Fachpersonal." In der Dritten Welt würden Entbindungskliniken benötigt, die sie nun anfingen zu bauen. Zum Beispiel bauten sie gerade eine Klinik in Isiolo, Kenia.
Für den Präsidenten von FIAMC gehört zu den Prioritäten, die Müttersterblichkeit zu verringern. Jeden Tag sterben Simon zufolge weltweit, vor allem in armen Ländern, 1.500 Mütter, oft verlassen und allein. "Wir können das nicht zulassen." Die heutige Medizin habe alle Werkzeuge, um Müttern und Kindern zu helfen, ohne irgendjemanden oder irgendetwas zerstören zu müssen. "Vielleicht werden Kinder im Westen nicht als Gut mit Ewigkeitswert gesehen. Dennoch ist jedes menschliche Wesen für die Ewigkeit erschaffen", sagte der Arzt.
Für weitere Informationen: www.fiamc.org

Quelle: stjosef.at vom 24. März 2011

Labels: , ,

Freitag, 18. März 2011

Präventionsprogramme für Kinder oft ineffektiv

Berlin – Präventionsprogramme für Kinder und Jugendliche in Deutschland sind oft ineffektiv und erreichen die Zielgruppe nicht. Das berichteten sieben Experten den Fachpolitikern der fünf Bundestagsfraktionen auf einer öffentlichen Anhörung der Kinderkommission (Kiko) des Deutschen Bundestages zum Thema „Prävention, Ernährung, Palliativmedizin und Hospize“.

Thomas Altgeld von der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen kritisierte in der Anhörung weniger die Vielfalt der Präventionsangebote von Krankenkassen, Trägern und Vereinen als ihre Konzentration auf Schulen und Kindertagesstätten.

„Problematisch ist, dass diese Programme häufig inhaltlich gleich formuliert und fast ausschließlich mittelschichtsorientiert sind“, sagte Altgeld. Sie erreichten die sozialen Gruppen oft nicht, die diese Angebote vorrangig ansprechen sollten.

Auch Peter Lang von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung erläuterte, dass die Eltern als erste Zielgruppe befähigt werden müssten, richtige Entscheidungen für ihre Kinder zu treffen. Aus diesem Grund fördere die Bundeszentrale auch Hebammen und Ärzte, damit diese Gruppen schon früh werdende Eltern ansprächen.

Andrea Lambeck von der „Plattform Ernährung und Bewegung“, konnte eine „leichte Trendwende“ zum Positiven bei der Messung des Gewichts bei Schuleingangsuntersuchungen von Kindern feststellen.

„Dennoch sehe ich die Probleme noch nicht gelöst“, sagte sie. Mindestens zwei Stunden pro Tag säßen Kinder im Durchschnitt vor dem Fernseher oder Computer, Bewegung und körperliche Anstrengung nähmen nur eine halbe Stunde pro Tag ein. Sie bestätigte die Aussage ihrer Vorredners: „Durch die bisher praktizierten Maßnahmen erreichen wir zu wenig sozial Schwache“, sagte sie.

Quelle: aerzteblatt.de vom 17. März 2011

Labels: , ,

Donnerstag, 17. März 2011

Patientenkommunikation: Schlechte Nachrichten vermitteln

"Leider habe ich keine guten Nachrichten fur Sie...“ Während der Arzt noch nach Worten sucht, ist die Welt für den Patienten zusammengebrochen. Viele Ärzte unterschatzen das. Gute Kommunikation muss im tiefsten Sinn authentisch sein, informieren und dem Patienten emotionale Stabilität geben.

„Unter einer Schock-Diagnose wie etwa Krebs bricht der Patient normalerweise emotional zusammen und ist kognitiv nicht mehr imstande, mehr Informationen aufzunehmen. Nach außen kann er ganz normal wirken, doch die Antennen sind nicht mehr auf Empfang“, erklärt Kommunikationstrainerin Martina Kohlbacher-Hess. Nicht selten beklagen sich die Patienten danach, nicht richtig aufgeklärt worden zu sein. „Bei einem gut geführten Diagnosegespräch können beide profitieren, Arzt und Betroffene“, betont Kohlbacher-Hess. Doch das will gelernt sein.

Ärzte führen im Laufe ihres Berufslebens rund 100.000 medizinische Gespräche mit Patienten. Die Zeit dafür ist in der Regel sehr knapp bemessen. Heute ist klar, welch hohen Stellenwert ein guter Kommunikationsverlauf zwischen Arzt und Patient für die Compliance und den Krankheitsprozess ist.

Mehr Gespräch

Doch nicht jeder Arzt ist von Natur aus ein Kommunikationsgenie. In der technikorientierten modernen Medizin reagieren die Protagonisten erst langsam darauf, dass gute Kommunikation und das Vertrauen zum Arzt einen erheblichen Faktor des Therapieerfolgs ausmachen. Auch Ärzte leiden unter der „Entmenschlichung“ ihrer Profession – der Trend, dass der Einsatz von medizintechnischen Untersuchungen finanziell besser abgegolten wird als die zeitliche Widmung am Patienten, ist leider ungebrochen. Immerhin wurde in der heimischen Medizinerausbildung das Fach Kommunikation vor Kurzem eingeführt.

Dass Ärzte sich bei der Vermittlung von schwierigen Diagnosen kaum eingestehen, selbst emotional betroffen zu sein, sieht Psychologin Kohlbacher-Hess, die auch als Lehrbeauftragte am Zentrum für Management und Qualität im Gesundheitswesen an der UMIT und an der DonauUniversität Krems tätig ist, als einen besonders heiklen Punkt. Die Patienten wünschen sich zunächst vor allem klare Informationen, kein Mitleid oder schonende Aussagen. Kohlbacher-Hess: „Ärzte geben zu, dass sie sich davor fürchten, schlechte Nachrichten überbringen zu müssen. Da kann es passieren, dass man dann den Patienten möglichst schnell wieder draußen haben will. Viele glauben auch, dass mithilfe von Halbwahrheiten Trauerarbeit geleistet werden könne. Das ist allerdings der falsche Weg, der oft zu Überforderung und infolge in ein BurnOut führt.“

Auch Talent benötigt Schulung

Vielfach verfügen Helfer nicht ausreichend über die nötige Erfahrung oder das Wissen, was im Kontakt mit traumatisierten Personen zu tun und besser nicht zu tun ist.

Nach Kohlbacher-Hess’ Erfahrung braucht es mehr Information und Schulung, um sich als Arzt oder Ärztin einfacher Tatsachen aus der Psychologie und der Trauerarbeit bewusst zu werden. Und: Das Erlernen von Techniken alleine genügt dabei nicht, ergänzt die Ethikerin Mag. Susanne Kummer vom Wiener Institut für medizinische Anthropologie und Bioethik (IMABE): „Ein Arzt ist ein guter Arzt, wenn er sich als Mensch gefordert weiß und sich nicht bloß in einer Rolle sieht, die er äußerlich zu erfüllen hat.“ Darin liegt der ethische Anspruch einer guten Kommunikation: „Sie muss im tiefsten Sinn authentisch sein.“ In ihren Seminaren erarbeiten KohlbacherHess und Kummer verschiedene Aspekte der Arzt-Patient-Kommunikation. Wie viel Wahrheit verträgt ein Patient? Eine Antwort lautet: Jede Wahrheit, die Frage ist nur, in welcher Form sie vermittelt wird.

Information stabilisiert

Zum einen braucht der Patient vom Arzt Information in dosierter Form. Das ist die erste Erwartung an den Arzt: Sachinformation. In einer Krise haben Betroffene kaum Zukunftsperspektiven. Da ist Information unheimlich wichtig. Sie stabilisiert. Der Arzt muss sicherstellen, ob der Patient verstanden hat, was ihm gesagt wurde. KohlbacherHess: „Ich höre oft von Patienten Klagen, dass ihnen der Arzt nicht die komplette Diagnose gesagt hat. Das erklärt sich aus einem großen Teil daraus, dass der behandelnde Arzt den emotionalen Schockzustand nicht mitberücksichtig hat.“ Später recherchieren die Betroffenen dann im Internet, anstatt den Arzt direkt zu fragen.

Da könnten schon einfach Dinge helfen, wie etwa nach dem ersten Gespräch zu sagen: „Kommen Sie doch in zwei Tagen wieder, bringen Sie einen Menschen mit, den Sie vertrauen, und dann besprechen wir alles Weitere in Ruhe.“ Es ist außerdem wichtig, die Angehörigen in Krisensituationen mit einzubinden und zu wissen, ob der Patient Begleitung und Stütze hat. Auch sollte der Arzt das Gespräch struktur i e r t führ en, Blickkontakt mit seinem Patienten halten und alle notwendigen Informationen verständlich vermitteln.

Emotionen berücksichtigen

Für den Patienten sind Pausen wichtig. Er muss die Möglichkeit haben, das Gesagte zu verarbeiten und Fragen zu stellen. Durch Gesprächstechniken, die leicht erlernbar sind, kann hier viel Qualität in der Arzt-PatientKommunikation eingebracht werden.

Das zweite wichtige Feld ist das Wissen um den Einfluss von Emotionen und den richtigen Umgang damit. Die Wissenschaft spricht von Gefühlsansteckung (social referenzing), damit ist gemeint, dass Gefühle und Affekte unbewusst übernommen werden, und zwar ohne von Einsicht kontrolliert zu sein. Dieses Phänomen ist gerade bei Helferberufen häufig. „Der Arzt braucht Empathie, aber er braucht auch Abgrenzung. Und vor allem muss er sich klar sein, wo seine Handlungskompetenz zu Ende ist.

Nämlich dort, wo es um die Trauerarbeit des Patienten geht. Die kann ihm niemand abnehmen – auch nicht der Arzt“, erklärt Kummer. Hier heißt es, rechtzeitig CopingStrategien einzusetzen. Was nicht bedeutet, dass Mediziner keine Gefühle zeigen dürfen: „Ein Arzt, der weint, wenn ein Patient, zu dem er eine lange Beziehung hatte, stirbt, ist ein ganz normaler Mensch.“

Quelle: Ärzte-Magazin 04/2011

Labels: ,

Präimplantationsdiagnostik: Einspruch im Namen der Menschenwürde


Der Staat kann niemanden zu der Entscheidung ermächtigen, ob ein anderer weiterleben darf oder verworfen wird. Die PID ist ein Selektionsinstrument. Ein Plädoyer des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Ernst-Wolfgang Böckenförde.

Artikel 1 des Grundgesetzes garantiert: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Ist eine gesetzliche Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID) mit dieser Garantie vereinbar - in welchem Umfang, oder steht sie zu ihr in Widerspruch? Darüber wird der Deutsche Bundestag am Donnerstag dieser Woche debattieren, und es verspricht eine grundlegende Debatte zu werden.

Aus rechtlicher wie auch ethischer Sicht sind vor allem drei Fragen von Bedeutung: Hat der Embryo, um den es bei der PID geht, teil an der Menschenwürde und an der staatlichen Achtungs- und Schutzpflicht? Stellt die PID, wenn das zu bejahen ist, eine Verletzung der Menschenwürde dar? Besteht bei einem strikten Verbot der PID ein Wertungswiderspruch zur normativen Regelung und praktischen Handhabung des Schwangerschaftsabbruchs nach Paragraph 218a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs, der so nicht hinnehmbar ist?

I. Dass menschliche Würde jedem einzelnen lebenden Menschen zukommt, ist unbestritten. Die darin anschließende, kontrovers diskutierte Frage ist die, wie weit sich diese Anerkennung menschlicher Würde in den Lebensprozess jedes einzelnen Menschen hinein erstrecken muss, damit sie auch wahr bleibt.

Ist es angängig, dass sie erst an einer bestimmten Stelle im Lebensprozess des Menschen einsetzt, dieser in den Stadien davor aber verfügbar bleibt, oder muss sie vom Ursprung an, dem ersten Beginn dieses menschlichen Lebens bestehen? Nur das Letztere kann der Fall sein, wenn das, was die menschliche Würde ausmacht, das Dasein um seiner selbst willen (Bundesverfassungsgericht) oder der Zweck an sich selbst (Kant), nicht eine inhaltsleere Deklamation werden soll.

Die Würde, die ein fertiges Wesen auszeichnet, lässt sich nicht von seinem Lebensprozess abspalten, muss diesen vielmehr mit umfassen. Nimmt man nämlich eine bestimmte Phase dieses Lebensprozesses von der Anerkennung und Achtung, die dem Menschen von seiner Würde her geschuldet ist, aus oder sucht sie prozesshaft abzustufen, weil er doch erst ein Acht- oder Sechzehnzeller sei und zur ohnehin ungewissen Nidation noch nicht gekommen sei, reißt man ein Loch in die Entwicklung des einzelnen individuellen Menschen selbst. Soll die Achtung der Würde jedem Menschen als solchem gelten, muss sie ihm von Anfang an, dem ersten Beginn seines Lebens zuerkannt werden.

Dieser erste Beginn des eigenen Lebens des sich ausbildenden und entwickelnden Menschen liegt nun aber in der Verschmelzung von Samenzelle und Ei, dem Abschluss der Befruchtung. Durch sie bildet sich ein gegenüber Samen- und Eizellen, die auch Formen menschlichen Lebens sind, neues und eigenständiges menschliches Lebewesen. Das ist heute gesicherte naturwissenschaftliche Erkenntnis. Auch die Stellungsnahme der Leopoldina - Nationale Akademie der Wissenschaften geht davon aus, dass mit der Bildung des neuen Zellkerns das vollständige individuelle menschliche Genom entstanden ist.

Es sind, wie Herta Däubler-Gmelin in einem nun bald zehn Jahre zurückliegenden großen Interview (Däubler-Gmelin: Würde des Embryos ist unbezweifelbar) feststellte, alle Grundvoraussetzungen und Fähigkeiten dafür vorhanden, dass ein individueller Mensch entsteht beziehungsweise sich als solcher entwickelt. Das genetische Programm der Entwicklung ist fertig vorhanden, bedarf keiner Vervollständigung mehr oder eines qualitativen Sprunges, entfaltet sich vielmehr von innen her nach Maßgabe eigener Organisation. Hier, und nicht erst irgendwann später, setzt die Würde des Menschen ein und ebenso die Verpflichtung der Rechts- und Verfassungsordnung, sich schützend vor dieses Leben und seine Entwicklung zu stellen.

II. Wenn also auch dem Embryo Menschenwürde zukommt, was folgt daraus für die PID? Ist sie - und wie weit - mit der Würde des Embryos verträglich, oder widerstreitet sie ihr?

Hier ist zunächst davor zu warnen, die Menschenwürde in „kleine Münze“ auszufalten. Die Menschenwürdegarantie ist nicht als ein solches Schutz- und Abwehrinstrument gedacht, das alle weitreichenden Beeinträchtigungen oder Verletzungen der Persönlichkeit hintanzuhalten geeignet wäre. Sie will und kann nur, um der Unantastbarkeit willen, einen elementaren Kernbestand menschlichen Seins umfassen. Wird dieser Kernbestand durch die PID betroffen und verletzt?

Bei der PID werden in vitro gezeugte Embryonen gezielt einer Untersuchung auf bestimmte genetische Anlagen und Defekte unterworfen, um sie bei deren Vorliegen der Frau nicht zu implantieren, sondern sie zu verwerfen, das heißt zu vernichten (töten). Das Ziel der PID ist mithin eine Aussonderung, aber nicht von defekten Samen- oder Eizellen, sondern von defekten Embryonen, das heißt menschlichen Lebewesen im frühesten Stadium ihrer Existenz. Sie ist ein und wirkt als Selektionsinstrument.

Es kann wenig Zweifel geben, dass die so eingesetzte PID gegen die Achtung der Menschenwürde der Embryos verstößt. Ute Sacksofsky hat dies in ihrem Gutachten für die Enquetekommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ überzeugend dargelegt. Die PID wird nicht in Gang gesetzt, um den Wunsch nach einem Kind zu erfüllen, dafür genügt die In-vitro-Fertilisation (IVF) als solche; sie wird in Gang gesetzt, um den Wunsch nach einem nicht mit bestimmten genetischen Defekten behafteten, insoweit gesunden Kind zu erfüllen.

Der in vitro gezeugte Embryo wird nicht als solcher, als Subjekt und Zweck an sich selbst anerkannt und gewollt, sondern nur abhängig von bestimmten Anlagen oder Merkmalen, die er hat oder nicht hat. Nur unter dieser Voraussetzung wird ihm die Chance zum Weiterleben und zu seiner Entwicklung als Mensch eingeräumt. Deutlicher kann nicht zum Ausdruck kommen, dass er keinen Anteil an menschlicher Würde, am Dasein um seiner selbst willen hat.

Stehen aber einem strikten Verbot der PID, das sich hieraus als Folge ergibt, nicht die Menschenwürde und das Selbstbestimmungsrecht der Eltern und insbesondere der Frau entgegen? Verbieten diese nicht ihrerseits, die Frau zu nötigen, ohne Wissen darum ein eventuell mit schweren Krankheiten oder Behinderungen behaftetes Kind zur Welt zu bringen? Dies ist, wie Ute Sacksofsky ebenfalls herausgearbeitet hat, nicht der Fall. Weder werden die Eltern oder die Frau durch ein Verbot von PID zum Objekt gemacht und instrumentalisiert, noch werden sie in ihrem Recht auf Selbstbestimmung verletzt.

Ihre Entscheidung, ob, warum und wie sie einen Kinderwunsch erfüllen wollen, ist frei und selbstbestimmt; wenn sie den gewiss nicht einfachen Weg über die IVF gehen, wollen sie gerade unbedingt ein Kind. Sie werden dann nur daran festgehalten, wenn sie ein Kind wollen, es als solches, als Subjekt und Zweck an sich selbst zu wollen und nicht nur als ein Kind mit bestimmten Merkmalen und Eigenschaften.

Aber ist der generelle Verzicht auf die PID nicht hartherzig und verständnislos gegenüber dem Leid von Eltern mit gefährdender genetischer Disposition, für die dann der Wunsch, eigene Kinder zu haben, entweder mit dem hohen Risiko schwer erkrankter oder behinderter Kinder belastet ist oder - durch Verzicht - gänzlich unerfüllt bleiben muss? Sollten deshalb nicht für sehr eng begrenzte Fälle Ausnahmen möglich sein?

Diese Frage ist ernst zu nehmen, und man soll sie nicht einfach damit zurückweisen, dass es kein Recht auf gesunde Kinder gibt. Aber einer positiven Antwort stehen zwei Gründe entgegen. Zum einen geht auch bei einer nur begrenzten Zulassung der PID kein Weg daran vorbei, dass hier Menschen im Embryonalstadium als Entitäten behandelt werden, über die nach wechselnden Kriterien wie über Sachen disponiert werden kann. Es wird zwischen lebenswerten und lebensunwerten Embryonen unterschieden. Dazu hat sich im Jahre 2001 kein Geringerer als der damalige Bundespräsident Johannes Rau in seiner Berliner Rede quergestellt: „Wer anfängt, zwischen lebenswert und lebensunwert zu unterscheiden, ist in Wirklichkeit auf einer Bahn ohne Halt.“

Zum anderen bedeutet eine Auflistung von Ausnahmefällen eine deutliche Diskriminierung der davon betroffenen Embryonen, die Menschen in nuce sind. Das verletzt das Benachteiligungsverbot des Artikels 3 Absatz 3 Satz 2 des Grundgesetzes, das („niemand“) nicht nur für geborene Menschen, sondern ebenso wie das Recht auf Leben („jeder“) auch für Menschen in nuce wie die Embryonen gilt. Überdies ist die Wirkung auf die betroffenen lebenden Menschen zu bedenken; es sind diejenigen, die eigentlich nicht da sein sollten, deren Leben eher als nichtlebenswert erscheint. Vermeidet man deshalb einen Katalog und stellt nur auf die besondere Schwere der genetischen Belastung ab, wird ein neues Interpretations- und Vergleichsfeld eröffnet mit Analogieschlüssen und Verhältnismäßigkeitserwägungen - ein Tor zu fortschreitender Selektion.

III. Bleibt noch die Frage, ob mit einem strikten Verbot der PID nicht ein sogenannter Wertungswiderspruch in die Rechtsordnung hineingetragen wird.

Gerade das wird vielfach vertreten. Kann nicht, so erhebt sich der Einwand, wenn sich nach geschehener Implantation bei der späteren Pränataldiagnostik (PND) erhebliche genetische Defekte oder sonstige Behinderungen herausstellen, die Schwangerschaft ohne größere Erschwernisse, wie die Praxis zeigt, nach Paragraph 218a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs gerechtfertigt abgebrochen werden, und dies noch bis kurz vor der Geburt? Damit werde dann der Embryo in vitro quasi absolut, der Embryo in utero jedoch erheblich schwächer geschützt. Das erscheint als ein Widerspruch von normativem Recht und gelebter Rechtswirklichkeit, der de facto einer Zeugung und Schwangerschaft auf Probe den Weg ebne.

Diese Argumentation klingt auf den ersten Blick eindrucksvoll. Aber sie hält nicht stand. Bei einem Verbot der PID entsteht zwar eine Spannung zur gelebten Rechtswirklichkeit, aber es besteht kein normativer Wertungswiderspruch.

Bei Abtreibungsregelung und PID handelt es sich, wie auch Johannes Rau hervorgehoben hat, um zwei vollkommen unterschiedliche Sachverhalte. Beim Schwangerschaftsabbruch besteht ein konkreter Konflikt zwischen der Schwangeren und dem in ihr heranwachsendem Kind, die beide in einzigartiger Weise („Einheit in Zweiheit“) miteinander verbunden sind: Hier wird, wie das Mehrheitsvotum der Enquetekommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ (Bundestagsdrucksache 14/9020) weiter darlegt, ein existentieller Konflikt zwischen dem Lebensrecht des ungeborenen Kindes und dem Recht der Schwangeren auf Leben und physische wie psychische Unversehrtheit entschieden, was notwendigerweise schwierige Abwägungen mit sich bringt.

An dieser Beziehung und Konstellation fehlt es bei Anwendung der PID: Bei ihr geht es nicht um einen vorhandenen Konflikt, vielmehr wird durch die IVF mit PID ein möglicher Konflikt erst bewusst geschaffen und dann antizipiert, indem eine Zeugung auf Probe geplant und durchgeführt wird. Und die Entscheidung fällt nicht konkret für oder gegen die Fortsetzung einer Schwangerschaft, sondern abstrakt im Wege selektiver Aussonderung unter verschiedenen Embryonen.

Beide Sachverhalte sind also so unterschiedlich, dass sie keineswegs einheitlich bewertet und gestaltet werden müssten. Von einem Wertungswiderspruch kann daher keine Rede sein, wenn hier strengere Regeln gelten als dort.

Gleichwohl ist eine Spannungslage gegeben. Sie liegt in dem Verhältnis von PID-Verbot und den Folgewirkungen einer nachfolgenden Pränataldiagnostik. Werden bei einer PND genetische Schäden oder andere Krankheiten festgestellt, führt das heute in der praktischen Handhabung relativ leicht zu einer medizinischen Indikation nach Paragraph 218a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs, ohne dass die weiteren Voraussetzungen dieser Vorschrift, nämlich die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren und der Umstand, dass diese Gefahr nicht auf andere, für die Schwangere zumutbare Weise abgewendet werden kann, wirklich ernst genommen werden.

Ein genetischer Defekt oder eine Krankheit allein kann nach dem Inhalt des Paragraphen 218a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs einen Schwangerschaftsabbruch niemals rechtfertigen. Die heute verbreitete Praxis ist ein faktischer Missbrauch der Vorschrift, und nur von daher kann dann die PID als „antizipierte PND“ erscheinen. Von solchem faktischen Missbrauch kann sich aber kein Argument für die Zulassung der PID ergeben. Soll die dargelegte Spannung aufgelöst werden, muss die Korrektur an der richtigen Stelle ansetzen, nämlich bei der ohnehin gebotenen stärkeren Berücksichtigung der Menschenwürde und des Lebensrechts des Embryos bei der Anwendung der Abtreibungsregelung.

Ernst-Wolfgang Böckenförde war von 1983 bis 1996 Richter des Bundesverfassungsgerichts.

Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung am 15. März 2011

Labels: , ,

Montag, 14. März 2011

IMABE-Symposium: „Lebensstil und persönliche Verantwortung“, 12./13. Mai 2011 in Wien

Wie kann man Menschen dazu bringen, ihren Lebensstil nachhaltig zu verändern und gesünder zu leben? Diese Frage bereitet Medizinern, Soziologen, Gesundheitsökonomen und Politikern seit langem Kopfzerbrechen. Doch in welche Richtung soll es gehen? Aufgrund welcher Prämissen? Heute wird immer klarer, dass das Gesundheitsverhalten nicht nur durch Sachinformation und Aufklärung beeinflusst wird, sondern vor allem durch das soziale Umfeld. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Prävention? Wann soll die Solidargemeinschaft einspringen - und wie viel Verantwortung trägt jeder für sich selbst? Im Rahmen eines von IMABE in Kooperation mit dem Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger und der Österreichische Ärztekammer veranstalteten Symposiums mit dem Titel „Lebensstil und persönliche Verantwortung“ zeigen am 12. und 13. Mai namhafte Experten, in welche Richtung sich Medizin, Menschen und gesundheitsökonomische Systeme bewegen müssen, um aus der Falle der vermeidbaren Krankheiten herauszukommen.

Das interdisziplinäre Symposium findet beim Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger (Kundmanngasse 21, A-1030 Wien) statt. Nähere Informationen auf http://www.imabe.org/index.php?id=1392.

Quelle: IMABE-Newsletter März 2011

Labels: , ,

Aktuell: Imago Hominis widmet sich „Fehlerkultur in der Medizin“

Behandlungsfehler können zu einer kritischen, existentiellen Notsituation führen. Diese trifft in erster Linie den Patienten, aber auch den Arzt. Wie kann man solche Situationen vermeiden? Wie damit umgehen, wenn der „worst case“ eingetreten ist? Negative Ereignisse werden meist nur auf juristischer und finanzieller Ebene abgehandelt. Doch das greift zu kurz. Letztlich handelt es sich in dieser Frage auch um eine ethisch-menschliche Herausforderung.

In der kommenden Ausgabe von Imago Hominis liegen nun die Vorträge der Referenten des im November 2010 veranstalteten Symposiums „Fehlerkultur in der Medizin“ vor. Die Beiträge geben einen umfassenden Überblick über die Problematik und die Zielsetzungen einer effektiven Fehlerkultur nach den Anforderungen heutiger moderner Gesundheitseinrichtungen.

Astrid Engelbrecht (Pflegedirektorin im KH Hietzing, Wien) zeigt die wichtige Rolle der Pflegenden als größter Berufsgruppe im Gesundheitswesen in der Identifizierung und Vermeidung von Fehlern auf und gibt dazu Beispiele aus der Alltagspraxis. Gabriele Cerwinka (Kommunikationstrainerin, Wien) behandelt den Umgang mit Angst, Scham und Schuld bei Fehlern und plädiert für die Schaffung einer Kommunikationsstruktur, die das Eingestehen von Fehlern zulässt. Der Unfallchirurg und jahrelange Ärztliche Leiter der Unfallabteilung des LKH Mödling, Titus Gaudernak, zeigt gemeinsam mit dem Ethiker Enrique Prat (IMABE) auf, wie das Arzt-Patienten-Verhältnis, das nach einem Fehler in die Krise geraten ist, aus prinzipien- und tugendethischer Sicht wieder hergestellt werden kann.

Markus Schwarz, Unternehmensberater in Wien, behandelt interne Strategien der Aufarbeitung von Fehlern im Team und betont, dass Strategien zum Aufbau einer echten Teamkultur unbedingt von der Führungsetage getragen sein müssen. Der Jurist Michael Memmer (Universität Wien) stellt Modelle einer Entschädigung nach Behandlungsfehlern vor, insbesondere Einrichtungen zur außergerichtlichen Konfliktlösung. Der Philosoph Clemens Sedmak (Universität Salzburg) legt Grundsätze einer Ethik in der Fehlerkultur dar. Er identifiziert drei ethische Brennpunkte, die die Entwicklung einer ethisch verantwortbaren Fehlerkultur in der Medizin ermöglichen: eine Ethik der Kommunikation, eine Ethik des Lernens und eine Ethik der Verantwortung. Die Imago Hominis-Ausgabe 1/2011 mit dem Schwerpunkt „Fehlerkultur in der Medizin“ findet sich auf http://www.imabe.org/index.php?id=1482 und kann als Einzelheft um € 10,– bezogen werden.

Quelle: IMABE-Newsletter März 2011

Labels: , ,

Placebo: Ärzte sollten positiven Effekt für Therapien stärker nutzen

Deutsche Bundesärztekammer hält Einsatz für ethisch und rechtlich vertretbar

Die Deutsche Bundesärztekammer (BÄK) empfiehlt ihren Mitgliedern, Placebos künftig gezielt noch häufiger einzusetzen. Unter der Leitung von Robert Jütte hat der Wissenschaftliche Beirat der BÄK nun eine Stellungnahme zu „Placebo in der Medizin“ in Buchform vorgelegt. Auch Pillen und Spritzen ohne geeigneten Wirkstoff helfen Studien zufolge oft – und zwar häufig ohne schlimme Nebenwirkungen und exorbitante Kosten. „Mit dem Einsatz von Placebo lassen sich erwünschte Arzneimittelwirkungen maximieren, unerwünschte Wirkungen von Medikamenten verringern und Kosten im Gesundheitswesen sparen“, sagt Jütte (Pressemitteilung BÄK, online, 02. 03. 2011). Was wie Täuschung aussieht, kann durchaus dem Wohl des Patienten dienen. Forscher haben sogar im Gehirn eine Wirkung von Placebos nachgewiesen – sie ist also nicht nur Einbildung. Allerdings haben Wissenschaftler noch keine schlüssige Erklärung. Sie vermuten, dass die Wirkung von der Lernerfahrung oder von der Erwartung der Patienten abhängt, nach dem Motto: Wenn man eine Pille nimmt, gehen die Schmerzen weg. Eine der wichtigsten Erkenntnisse der Forschung sei, „dass der Placeboeffekt hirnphysiologisch und -anatomisch lokalisierbar ist“.

Die Experten des Wissenschaftlichen Beirats halten die bewusste Anwendung von Placebo in der therapeutischen Praxis für ethisch und rechtlich vertretbar. Voraussetzung sei aber, dass in dem jeweiligen Einzelfall keine geprüfte wirksame (Pharmako-)therapie vorhanden ist, es sich um relativ geringe Beschwerden handelt und Aussicht auf Erfolg einer Placebobehandlung bei dieser Erkrankung besteht. Vgl. dazu auch: Imago Homins, Schwerpunkt: Placebo (2006) http://www.imabe.org/index.php?id=367.

Quelle: IMABE-Newsletter März 2011

Labels: , ,

Adipositas: Teurer chirurgischer Eingriff statt Lebensstiländerung?

Übergewichtige wollen Fettsucht immer häufiger per Skalpell loswerden

Übergewichtige Briten wenden sich immer häufiger an den Chirurgen, um ihre Fettsucht zu überwinden. Die Spitalsaufnahmen sind im vergangenen Jahr um 30 Prozent gestiegen und haben erstmals die 10.000-Marke überschritten. Meist handelte es sich dabei um Magenverkleinerungen, die allein in den Jahren 2008/09 um 70 Prozent (!) auf 7.200 Fälle gestiegen sind, berichtet die britische Zeitung The Independent (online, 25. 02. 2011). Die Kosten für den Eingriff liegen für privat Zahlende zwischen 5.000 und 15.000 Pfund (€ 8.500 bis € 25.000). Die Operation ist mit zahlreichen Risiken verbunden (Komplikationen, Depression etc.). Das britische staatliche Gesundheitssystem (NHS) übernimmt die Kosten wie in anderen europäischen Ländern aber nur in besonders gravierenden Fällen (Body Mass Index bei mindestens 40 bzw. bei 35 im Falle von Folgeerkrankungen).

Laut britischem Gesundheitsministerium kostet die Fettsucht das NHS jährlich 4 Milliarden Pfund (fast 7 Milliarden Euro). Chirurgen meinen, dass die steigenden Kosten gedämpft werden könnten, wenn die Operation leichter verfügbar wäre – unter der Voraussetzung, dass zuvor alle Möglichkeiten der Gewichtsreduktion ausgeschöpft worden sind. Tatsache ist, dass das Magenband ein einträgliches Geschäft ist. Tam Fry vom staatlichen National Obesity Forum (NOF) sieht diese Entwicklung kritisch: Die Zahlen zeigten, dass Menschen zunehmend ihr Vertrauen in medizinische Lösungen setzten, obwohl es eigentlich um ein Problem des Lebensstils gehe. Jene Patienten, die die Kriterien für den Eingriff nicht erfüllen, greifen zu Tabletten. Der Umsatz in diesem Segment stieg innerhalb von 10 Jahren um das 11-fache auf 1,45 Millionen Britische Pfund.

Quelle: IMABE-Newsletter März 2011

Labels: , ,

Umfrage: Locked-in-Syndrom-Patienten sind glücklich

Bestmögliche Pflege wirkt sich wohltuend auf Glück und Lebensdauer der Patienten aus

Das Schicksal von Patienten mit dem seltenen Locked-In-Syndrom erscheint extrem schwer zu ertragen: Sie sind vollständig gelähmt, verfügen aber gleichzeitig über einen wachen, voll funktionsfähigen Geist. Eine Erhebung der belgischen Coma Science Group bestätigt nun, was Fachleute seit langem betonen: Viele der im eigenen Körper Eingeschlossenen sind durchaus glücklich, trotz ihrer schwierigen Lebensumstände.

Die französische Patientenorganisation Association du locked-in-syndrome (ALIS) hatte 168 Mitglieder eingeladen anhand von Fragebögen ihr Lebensglück und ihre Lebensqualität zu beurteilen. Die im British Medical Journal Open (doi:10.1136/bmjopen-2010-000039) veröffentlichten Ergebnisse sind überraschend: 72 Prozent der Betroffenen, die sich oft nur noch über Bewegungen der Augen der Außenwelt mitteilen können, bezeichneten sich selbst als glücklich, die anderen 28 Prozent konnten sich mit ihrer Situation nicht abfinden. Nur sieben Prozent der befragten Patienten sagten, dass sie lieber tot wären, wie Mediziner um den Neurologen Steven Laureys der Universitätsklinik Lüttich berichten. Von den Patienten, deren Antworten ausgewertet wurden, lebten zwei Drittel mit einem Partner zusammen, und 70 Prozent von ihnen waren gläubig.

Die Auswertung des Fragebogens habe gezeigt, dass „bestmögliche Pflege“ sich auf lange Sicht wohltuend auf das Befinden und die Lebensdauer der Patienten auswirke, stellten die Mediziner fest. Das Ergebnis der Studie sei auch in der Diskussion um Sterbehilfe für Locked-in-Patienten zu berücksichtigen, so die Autoren.

Quelle: IMABE-Newsletter März 2011

Labels: , ,

EU-Parlament: Zulassung von künstlicher Befruchtung ohne Altersgrenze abgelehnt

Zugang zur Schwangerschaftsabbruch soll jedoch erleichtert werden

Das EU-Parlament hat einen Antrag zurückgewiesen, der Mitgliedstaaten eine Zulassung künstlicher Befruchtung ohne Altersbegrenzung erlauben soll. Zwar stimmten die Abgeordneten in Brüssel für einen Vorschlag zur Beseitigung von Diskriminierungen im Zusammenhang mit künstlicher Befruchtung. Allerdings lehnten sie es ab, Altersgrenzen als Diskriminierung einzustufen, berichtet das Deutsche Ärzteblatt (online, 08. 03. 2011).

Der Antrag, der von Abgeordneten der Linken und Liberalen ausging, forderte von den 27 Mitgliedstaaten Maßnahmen, um bei der künstlichen Befruchtung „die Diskriminierung von Frauen aufgrund ihres Familienstandes, der sexuellen Ausrichtung“ sowie der „ethnischen oder kulturellen Herkunft“ zu beseitigen. Damit sollen Ungleichbehandlungen in einzelnen EU-Ländern aufgehoben werden. In einer weiteren Abstimmung plädierte das Parlament dafür, dass Frauen den gleichen Zugang zu reproduktiver Medizin haben müssten wie Männer. Frauen müssten die Kontrolle über ihre Rechte beim Thema Fortpflanzung haben, hieß es. Dazu gehöre etwa auch ein leichter Zugang zu Empfängnisverhütung und Abtreibung.

Der gesundheitspolitische Sprecher der christdemokratischen Fraktion (EVP), Peter Liese, äußerte Kritik an dem Vorschlag. „Eine Altersgrenze bei der künstlichen Befruchtung ist aus medizinischen und ethischen Gründen sinnvoll“, betonte Liese. Ab einer bestimmten Altersgrenze stiegen die Risiken für Mutter und Kind. Vor allem die ab einem bestimmten Alter notwendige Eizellspende für die Mutter sei riskant. Zudem verstoße der Eizellhandel, der praktisch nur gegen Bezahlung stattfinde, gegen die Prinzipien der Europäischen Grundrechtscharta. Die Festsetzung der Bedingungen für künstliche Befruchtung sollte den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen bleiben.

Quelle: IMABE-Newsletter März 2011

Labels: , ,

Politik: Deutscher Ethikrat gespalten in der Frage der Präimplantationsdiagnostik

Ruf nach Abschaffung nationaler Bioethik-Kommission wird laut

Für die Entscheidung über ein Verbot von Genchecks an im Reagenzglas erzeugten Embryonen vor Einsetzung in die Gebärmutter erhält der Deutsche Bundestag keine klare Empfehlung: Auch der Deutsche Ethikrat zeigt sich in seiner Stellungnahme zur Präimplantationsdiagnostik (PID) tief gespalten, berichtet u. a. die Süddeutsche Zeitung (online, 08. 03. 2011). Während 13 der 26 Ratsmitglieder eine eng begrenzte Zulassung der PID befürworten, sind 11 gegen diesen Vorschlag, ein Mitglied zeigte sich unentschieden, ein anderes gab ein Sondervotum ab.

Mehrere Abgeordnete äußerten die Befürchtung, dass die geteilte Stellungnahme den Abgeordneten kaum eine Entscheidungshilfe sein wird. Der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn stellte das Gremium überhaupt in Frage: „Es stellt sich einmal mehr die Frage, wozu es einen Ethikrat braucht. Letzten Endes fasst er die gesellschaftliche Debatte zusammen, nicht weniger, aber auch nicht mehr“, sagte Spahn. Am Ende entscheide der Bundestag. Vertreter des Ethikrats selbst verteidigten dagegen das gespaltene Votum.

Die Debatte über die Sinnhaftigkeit eines Ethikrates lässt sich eins zu eins auf Österreich übertragen. IMABE-Geschäftsführer Enrique Prat hat bereits mehrfach auf die Grundproblematik dieses Gremiums hingewiesen (vgl. Die Presse, 24. 08. 2007): Das Ziel, eine breite öffentliche Diskussion über medizinethische und biotechnologische Themen anzuregen, habe die Bioethikkommission auch in ihrer Neuauflage seit 2007 nicht geschafft. Hinzu kämen die fragwürdige Zusammensetzung und der Auswahlmodus der Kommissionsmitglieder, der für die moralische Qualität ihrer Stellungnahmen nicht irrelevant sei. „Das Problem der fachlichen Zusammensetzung einer Bioethikkommission ist deshalb sehr groß, weil es eine wertneutrale Wissenschaft nur auf dem Papier gibt und ein wertneutraler Wissenschaftler nicht einmal denkbar ist. Dass diese Berater direkt von dem zu beratenden Politiker, dem Bundeskanzler, ernannt werden ohne eine von der Öffentlichkeit kontrollierbare Auswahlprozedur, wirft ein schlechtes Licht auf die Unabhängigkeit des Gremiums“, so Prat.

Bioethikkommissionen könnten damit bloß zum Feigenblatt der jeweiligen Regierung werden, wenn es eigentlich darum ginge, politisch auch unpopuläre und einschneidende Regelungen im Einsatz der Biotechnologie für Zwecke der Forschung, der Heilbehandlung und der menschlichen Reproduktion zu finden. Das Mandat des 25-köpfigen Gremiums läuft im Herbst 2011 aus. Eine komplette Umformung, wenn nicht gar Abschaffung, sollte in Erwägung gezogen werden, so Prat zu aktuellen Debatte.

Quelle: IMABE-Newsletter März 2011

Labels: , , ,