Montag, 19. März 2012

IMABE-Symposium: „Konfliktherd Krankenhaus: Ärzte versus Manager“, 24.5.12 in Wien

Ärzteschaft und Pflegepersonal haben ihren Beruf stets in erster Linie als spezifisch karitative Berufung verstanden. Die Aufgabe des Managements war es, die anfallenden Kosten über Politik, öffentliche Hand, Versicherungen und Spenden aufzubringen. In den letzten Jahren ist jedoch eine Trendumkehr zu verzeichnen: Krankenhäuser werden wie moderne Wirtschaftsunternehmen geführt, von denen eine ausgeglichene Bilanz gefordert wird, während die soziale Komponente in den Hintergrund tritt. Der Patient wird zunehmend als Kunde und nicht mehr als Hilfsbedürftiger betrachtet.

Dementsprechend wird das strukturelle Angebot zur Patientenversorgung nicht mehr von der Ärzteschaft nach den Bedürfnissen der Patienten vorgegeben, sondern von Managern nach ökonomischen Gesichtspunkten bestimmt. Diese Entwicklung ist für viele Ärzte, Pflegepersonen und Therapeuten belastend - und hat zu einem erheblichen Konfliktpotential zwischen Ärzteschaft und Management beigetragen.

Im Rahmen des von IMABE – Institut für Medizinische Anthropologie und Bioethik in Kooperation mit der Österreichischen Ärztekammer und der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) veranstalteten Symposiums „KONFLIKTHERD KRANKENHAUS: ÄRZTE VERSUS MANAGER“ diskutieren am 24. Mai 2012 namhafte Experten darüber, welche Weichenstellungen es braucht, um Medizin auch in Zukunft mit Qualität, Kostenbewusstsein und Menschlichkeit zu verwirklichen.

Das interdisziplinäre Symposium findet in der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65) statt. Anmeldeschluss ist der 14. Mai 2012. Programm und Anmeldeformular unter http://www.imabe.org/index.php?id=1660.

Quelle: IMABE-Newsletter März 2012

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Studie: Adulte Stammzellen bauen neues Immunsystem für Organempfänger auf

Patienten konnten nach Nierentransplantation auf Immunsuppressiva komplett verzichten

Organtransplantierte müssen lebenslang Immunsuppressiva einnehmen, da ihr Immunsystem sonst das Transplantat abstoßen würde. Die Therapie belastet die Patienten nicht nur durch die vielen Tabletten, sie kann durch Nebenwirkungen auch die Gesundheit gefährden oder sogar das Transplantat schädigen, was vor allem nach Nierentransplantationen Probleme bereitet. US-Forscher haben nun eine Methode entwickelt, die eine dauerhafte Immuntoleranz auf ein Organtransplantat induziert. Laut ihrem Bericht in Science Translational Medicine (2012; 4: 124ra28) konnten fünf von acht Patienten ein Jahr nach der Nierentransplantation die Immunsuppression komplett absetzen, berichtet das Deutsche Ärzteblatt (online, 8.3.2012).

Die Lösung, an der Suzanne Ildstad vom Institute for Cellular Therapeutics an der Universität in Louisville/Kentucky bereits seit vielen Jahren arbeitet, besteht darin, neben dem Organ eines Lebendspenders auch das Immunsystem zu transplantieren, und zwar in Form von aufbereiteten Stammzellen („facilitating cells“), die etwa ab einem Monat vor der Transplantation im Knochenmark des Empfängers ein neues Immunsystem aufbauen. Es handelt sich dabei um Blutzellen bildende Stammzellen, die auf einen Angriff des Empfängers verzichten. Die Stammzelltherapie baut einen genetischen Chimerismus aus altem und neuem Immunsystem auf.

Bei fünf der acht am Northwestern Memorial Hospital in Chicago so behandelten Patienten im Alter von 29 bis 56 Jahren sei dies gelungen, bei ihnen habe sich ein dauerhafter genetischer Chimerismus entwickelt, berichten die Autoren. Jene Patienten, bei denen das Verfahren geglückt ist, konnten bereits wenige Tage nach der OP das Spital verlassen und hatten nach zwei Wochen ein genügend starkes neues Immunsystem zur Abwehr schwerer Infektionen aufgebaut. Ob die Therapie in der Klinik praktikabel ist, soll jetzt in weiteren Studien geprüft werden.

Quelle: IMABE-Newsletter März 2012

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Deutschland: Ältere Schmerzpatienten sind oft unterversorgt

Schmerzen machen Patienten auch psychisch zu schaffen

Eine EU-weite Studie in sechs europäischen Ländern belegt, dass knapp 70 Prozent der über 75-Jährigen unter Schmerzen leiden. 50 Prozent geben an, in ihrer Mobilität eingeschränkt zu sein (vgl. Health and Quality of Life Outcomes 2010, 8:143 doi:10.1186/1477-7525-8-143). Das auch bei den Betroffenen selbst verbreitete Vorurteil, dass Schmerz eben zum Alter gehöre, sei mit dafür verantwortlich, dass viele dieser alten Menschen keine adäquate Schmerztherapie erhalten – mit schlimmen Folgen, wie Oliver Emrich, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie anlässlich des 23. Deutschen interdisziplinären Schmerz- und Palliativkongresses (Pressemitteilung, online 15.3.2012) in Frankfurt erklärte. Häufig würden in diesen Fällen auch die mit Schmerz assoziierten objektiven Behinderungen zunehmen, berichtet der Schmerztherapeut. Die körperlichen, sozialen und psychologischen Fähigkeiten der Betroffenen würden zusätzlich beeinträchtigt. Es entstünde ein fataler Kreislauf: Die Schmerzen und ihre Auswirkungen verursachen nicht nur Leid, sondern auch Angst und Depression, die wiederum den Schmerz verstärken.

Den Folgen schlecht oder gar nicht behandelter Schmerzen werde laut Emrich zu wenig Beachtung geschenkt. „In Pflegeheimen wird, falls überhaupt, am häufigsten mit dem Aufkleben eines Schmerzpflasters reagiert.“ Es sei kaum bekannt, dass Symptome wie Depression und Angst, Schlafstörungen, Gewichtsverlust und Störungen der Kognition mit Schmerz einhergehen können, ja mitunter sich sogar als »Schmerz« phänomenologisch äußern. Ein Problem liegt darin, dass bei alten Menschen und Heimbewohnern der Schmerz kaum regelhaft erfasst wird, obwohl dies auch bei Menschen mit schweren kognitiven Beeinträchtigungen möglich wäre.

Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie, Gerhard H. Müller-Schwefe fordert eine eigene Facharztausbildung für Schmerzmedizin. Ebenso sollte Schmerzmedizin umfassend in den Leistungsverzeichnissen der Krankenkassen abgebildet sein und zu einem festen Bestandteil der Fortbildung von Haus- und Fachärzten gehören.

Quelle: IMABE-Newsleter März 2012

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Studie: Mehrzahl der Ärzte tut sich schwer bei Interpretation von Statistiken

Statistiken zur Krebsfrüherkennung führen Mediziner in die Irre


Die Diskussion rund um Nutzen und Schaden von Krebsfrüherkennungs-Untersuchungen hat in den letzten Jahren zugenommen. Laut einer im Annals of Intern Medicine nun publizierten deutsch-amerikanischen Studie (2012: 156:340-349) konnte die Mehrzahl der Ärzte relevante von irrelevanten und sogar fehlleitenden Informationen nicht unterscheiden (Pressemitteilung online, 9.3.2012). So ist zum Beispiel die Fünf-Jahresüberlebensrate laut Studienleiterin Odette Wegwarth vom Harding Center for Risk Literacy, Max Planck Institute for Human Development bei Screening-Untersuchungen ein höchst fraglicher Parameter. Denn diese verlängert sich allein durch die Früherkennung nur scheinbar – nämlich genau um die Zeit, die der Tumor früher — also in einem Frühstadium – erkannt wird. Dies als Überlebensgewinn zu verkaufen, ist schlichtweg falsch. Wenn die Diagnose z. B. eines Prostatakarzinoms im 60. Lebensjahr gestellt wird, beträgt die Lebenserwartung durchschnittlich 10 Jahre. Wenn der Tumor um Jahre später, z. B. im 67. Lebensjahr und in einem fortgeschrittenen Stadium festgestellt wird, leben die Patenten im Mittel drei Jahre, sterben also auch mit 70. Die Frühdiagnose konnte daher kein Leben „retten“. Über drei Viertel der befragten Ärzte war dieser Zusammenhang jedoch nicht bewusst.

Dies wird auch illustriert am Fall des langsam wachsenden Prostatakarzinoms im hohen Lebensalter. Solche Tumoren, die zwar beim Screening entdeckt werden, aber die betroffenen Personen gesundheitlich nie beeinträchtigt hätten, können zu einer Übertherapie Anlass geben, die für solche Patienten dann ohne Nutzen ist (keine Leben werden gerettet), während sie jedoch zusätzlich dem Risiko von Nebenwirkungen wie Inkontinenz und Impotenz ausgesetzt werden.

Quelle: IMABE-Newsletter März 2012

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Psychiatrie: Mediziner warnen vor Erfindung von Pseudo-Krankheiten

Schafft das neue Psychiater-Handbuch 10 Millionen neue, aber falsche Patienten?


Steht eine neue Welle der Medikalisierung und Pathologisierung des normalen Lebens bevor? Darf man nach dem Tod eines geliebten Menschen trauern, oder muss man für behandlungsbedürftig gehalten und dann auch gleich mit einer medikamentösen Therapie beglückt werden? Seit Monaten tobt ein Streit, welche neuen psychiatrischen Krankheitsformen in das wichtigste Handbuch für Psychiater aufgenommen werden sollen – und wo die American Psychiatric Association (APA), die das Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM), veröffentlicht, schlicht zu weit geht. Gegen deren Vorhaben gibt es inzwischen nämlich massiven Widerstand. Mehr als 12.650 Mediziner haben bereits in einer Petition (Stand: 19.3.2012) gegen eine geplante Ausweitung der psychiatrischen Diagnosen protestiert.

Laut dem US-Psychiater Allen Frances (Spiegel online, 8.3.2012), Schirmherr der derzeit gültigen Ausgabe DSM-4, könnte das neue DSM-5 zehn Millionen neue, aber falsche Patienten schaffen, es sei dann kaum noch möglich, ohne geistige Störung durchs Leben zu kommen, kritisiert Frances. In der ersten Fassung von 1952 gab es 106 psychische Leiden, im aktuellen DSM-4 sind es mehr als dreimal so viele. Nun aber sollen auch "risk syndromes“, also bloße Vorstufen bzw. Risikofaktoren im psychischen Bereich aufgenommen werden. Diese könnten als Frühwarnzeichen für künftige ernste Probleme der mentalen Gesundheit interpretiert und als Startzeichen für eine frühe Behandlung genutzt werden.

Eine reichere Palette an Krankheiten könnte der Pharmaindustrie eine Steigerung des Absatzes ihrer Produkte bescheren. Tatsächlich konnten Lisa Cosgrove von der Harvard University und der University of Massachusetts und Sheldon Krimsky von der Tufts University in Boston, USA, durch eine aktuelle Publikation in PLoS Med (9(3): e1001190. doi:10.1371/journal.pmed.1001190.1001190) zeigen, dass 69 Prozent der Mitglieder der Arbeitsgruppe zu DSM-5 Verbindungen zur Pharmaindustrie offengelegt haben. Die Autorinnen betonen zugleich, dass die Offenlegung möglicher finanzieller Interessenkonflikte nicht zwingend den Einfluss der Pharmaindustrie senkt. Das zeigten Ergebnisse aus der Sozialpsychologie: Sobald ein Arzt von Pharmafirmen diverse Vergütungen für Beratertätigkeit, Fortbildung usw. bekommt, entstehen positive Haltungen gegenüber diesen Firmen, die in Entscheidungen, Begutachtungen usw. miteinfließen. Sie fordern deshalb eine komplette Entflechtung der DSM-Arbeitsgruppenmitglieder und der Pharmaindustrie, denn es brauche eine „unvoreingenommene, evidenz-basierte DSM, frei von jeglichen Interessenkonflikten“, so die Autorinnen.

Quelle: IMABE-Newsletter März 2012

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Australien: Philosophen-Plädoyer für postnatale Kindestötung sorgt für Debatte

IMABE weist auf offenen Widerspruch der Fristenlösung hin


Soll man Neugeborene töten dürfen? Ja, sagen zwei italienisch australische Philosophen. Sie plädieren im Journal of Medical Ethics (doi:10.1136/medethics-2011-10041) für die Tötung von Säuglingen, wenn diese schwere körperliche oder geistige Schäden haben. Neu sind derlei extreme Thesen und Argumente nicht, wohl aber die internationale Debatte, die sie um das Thema ausgelöst haben (vgl. Süddeutsche Zeitung online, 5.3.2012). Der australische Bioethiker Peter Singer (vgl. Imabe-Newsletter Juni 2011: Umstrittene Auszeichnung: Kritik an Ethik-Preis für Philosophen Singer. Giordano-Bruno-Stiftung ehrt Utilitaristen, der Menschenaffen mehr Würde zuspricht als Behinderten), ihr „geistiger Ahnherr“, vertritt schon seit den 1980er Jahren diese Position und bezeichnet sie als „konsequent“: Warum, so der Utilitarist Singer, soll ein Kind im Rahmen der Fristenregelung oder – wie in Österreich bei bestimmten Indikationen erlaubt bis knapp vor der Geburt – legal abgetrieben werden können, nach der Geburt aber nicht?

„Eines muss man den australischen Konsequenzialisten zu Gute halten: Sie machen auf den offenen Widerspruch im Umgang mit dem Recht auf Leben aufmerksam. Denn jedwede Frist, ab wann eine Abtreibung straffrei ist, unterliegt der Willkür“, konstatiert Susanne Kummer, stv. IMABE-Geschäftsführerin. Das würde sich auch in der österreichischen Praxis widerspiegeln: So werden in Österreich auch Spätabtreibungen im Falle der eugenischen Indikation durchgeführt, wobei manche der abgetriebenen Kinder erst nach der Geburt sterben. „Es ist höchste Zeit, auch diese menschenverachtende Praxis in Österreich zu diskutieren“, fordert Kummer.

Die beiden Italiener, Alberto Giubilini und Francesca Minerva, tätig an der University of Melbourne, schlagen in die Kerbe Singers und argumentieren klassisch utilitaristisch: Zwar wollen sie sich nicht auf einen Zeitpunkt festlegen, bis zu dem Kindstötungen zu erlauben wären. Aber in allen Fällen, bei denen Abtreibung erlaubt ist, sollte auch die Tötung nach der Geburt statthaft sein, also auch bei gesunden Kindern. Argumente für eine „Abtreibung nach der Geburt“ können die unzumutbaren „Kosten für die potentiellen Eltern“ sein, sozial, psychisch oder wirtschaftlich. Die Interessen der Geborenen wiegen mehr als der Ungeborenen oder Säuglinge: Letztere hätten ohnehin noch kein Selbstbewusstsein und damit keine „Ziele“ oder „wohlentwickelten Pläne“ im Gegensatz zu den Erwachsenen. Personsein und ein damit verknüpftes Lebensrecht würden Föten, Säuglingen, aber auch Behinderten oder Dementen fehlen.

Der Arzt, nicht als Helfer, sondern als Todbringer – dagegen wehren sich inzwischen immer mehr Ärzte. Auch aktuelle Daten aus Deutschland sprechen dazu eine traurige Sprache: Laut Statistischem Bundesamt wurden im Jahr 2011 offiziell 109.000 Kindestötungen durchgeführt, in 97 Prozent der Fälle handelte es sich dabei offenbar um gesunde Kinder.

Quelle: IMABE-Newsletter März 2012

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