Dienstag, 14. Oktober 2014

Studie: Krankenhäuser in Versorgung von Menschen mit Demenz oft überfordert

Personalmangel führt zu unnötigen Fixierungen und Verabreichung von Schlafmedikamenten

Menschen mit Demenz sind im Krankenhaus keine Randerscheinung. „Wir befinden uns inmitten eines Paradigmenwechsels in der Versorgung älterer Menschen“, sagte Georg Pinter, Vorstand der Abteilung für Akutgeriatrie/Remobilisation am Klinikum Klagenfurt am Wörthersee, beim Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) und der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG) in Halle (vgl. Pressemitteilung, online, 30. 9. 2014). Laut Pinters Erhebungen seien mehr als 30 Prozent der 9000 Notfallpatienten am Klagenfurter Klinikum älter als 80 Jahre. Dies brauche veränderte Strukturen, die ein Eingehen auf die besonderen Bedürfnisse dieser Altersgruppe ermöglichen, so Pinter. Er plädierte für eine verstärkte Zusammenarbeit von Kliniken mit niedergelassenen Ärzten, stationärer und ambulanter Pflege, sowie einem rascheren Informationsfluss zwischen allen Behandlungsverantwortlichen. Das Behandlungsteam müsse den ganzen Menschen erfassen, in seinen körperlichen, psychologischen, sozialen und spirituellen Bedürfnissen. 

Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung lag der Anteil der über 75-jährigen stationär behandelten Patienten in Deutschland im Jahr 2012 bereits bei 25 Prozent – im Jahr 2000 waren es 18 Prozent. Doch die meisten Kliniken seien nicht auf Demenzkranke eingestellt, wie die dip-Studie Pflege-Thermometer mittels Umfrage bei über 1.800 Stations- und Abteilungsleitungen ermittelte. 

Demenzkranke entwickeln in der ungewohnten Umgebung oft Ängste. Sie versuchen, die Klinik zu verlassen, können bei Diagnose, Behandlung, Körperpflege nicht mitwirken. Sie benötigen mehr Zeit, Zuwendung und Beaufsichtigung. Doch genau da hapert es: „Acht von zehn befragten Stationen geben an, dass die Versorgung von demenzkranken Menschen vor allem nachts unzureichend gesichert ist“, sagt Studienleiter Michael Isfort (vgl. Pressemitteilung, online, 29. 8. 2014). Probleme gebe es aber auch tagsüber an den Wochenenden. „Diese Mangelsituation führt nicht selten zu unnötiger Verabreichung von Schlafmedikamenten und häufig zu fragwürdigen Fesselungen von Patienten.“ Die Zahlen sind erschreckend: Im Zeitraum von nur einer Woche wurden in den Häusern der befragten Pflegemitarbeiter rund 7.600 mal Medikamente zur Sedierung an demente Patienten verabreicht, über 1.450 mal wurden körpernahe Fixierungen vorgenommen. 

Als wichtigste Gründe für die fehlende Umsetzung von Maßnahmen – etwa die Qualifizierung von Demenzbeauftragten, die Einrichtung spezialisierter Stationen, die Schaffung einer Tagesbetreuung usw. – werden von 76,1 Prozent der Befragten finanzielle Gründe angegeben. Auch das starre Abrechnungssystem in den Kliniken lasse ein Umsteuern nicht zu. Ein zentraler Faktor ist der zunehmende Personalmangel in der Pflege: 1995 fielen statistisch gesehen auf eine Pflegekraft 48,5 Patienten, im Jahr 2012 waren es 65,3 Patienten.

Quelle: Imabe-Newsletter Oktober 2014
Foto: © Schwester Klara_pixelio.de

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