Dienstag, 12. April 2011

IMABE-Symposium: „Lebensstil und persönliche Verantwortung“, 12./13. Mai 2011 in Wien

Wie kann man Menschen dazu bringen, ihren Lebensstil nachhaltig zu verändern und gesünder zu leben? Diese Frage bereitet Medizinern, Soziologen, Gesundheitsökonomen und Politikern seit langem Kopfzerbrechen. Doch in welche Richtung soll es gehen? Aufgrund welcher Prämissen? Heute wird immer klarer, dass das Gesundheitsverhalten nicht nur durch Sachinformation und Aufklärung beeinflusst wird, sondern vor allem durch das soziale Umfeld. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Prävention? Wann soll die Solidargemeinschaft einspringen - und wie viel Verantwortung trägt jeder für sich selbst? Im Rahmen eines von IMABE in Kooperation mit dem Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger und der Österreichische Ärztekammer veranstalteten Symposiums mit dem Titel „Lebensstil und persönliche Verantwortung“ zeigen am 12. und 13. Mai namhafte Experten, in welche Richtung sich Medizin, Menschen und gesundheitsökonomische Systeme bewegen müssen, um aus der Falle der vermeidbaren Krankheiten herauszukommen.
Das interdisziplinäre Symposium findet im Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger (Kundmanngasse 21, A-1030 Wien) statt. Nähere Informationen auf http://www.imabe.org/index.php?id=1392.

Quelle: IMABE-Newsletter April 2011

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Interessenkonflikte: Was Pharmakonzerne US-Ärzten zahlen

Deutsche Arbeitsgruppe publiziert Leitlinien zu mehr Transparenz und Vertrauen

Ein Gesetz und gerichtliche Anordnungen zwingen die Arzneimittelhersteller in den USA, ihre Zahlungen an Ärzte offen zu legen. Dieser Tage nannten drei Konzerne Zahlen, berichtet das Deutsche Ärzteblatt (online, 1.4.2011). Ein Beispiel: Pfizer wurde im Oktober 2009 wegen eines Verstoßes der Tochter Pharmacia & Upjohn gegen Marketingregeln zu einer Rekordstrafe von 2,3 Milliarden US-Dollar verurteilt. Außerdem wurde der Konzern verpflichtet, künftig alle Zahlungen an US-Ärzte offen zu legen, was Pfizer nun tat.

Zwischen Januar und Dezember 2010 wurden nach Angaben des Konzerns insgesamt 177 Millionen US-Dollar an fast 200.000 “healthcare professionals”, also in erster Linie Ärzte gezahlt. Darunter fielen Rednerhonorare (im Durchschnitt 7.400 US-Dollar pro Person), Beratertätigkeiten (im Durchschnitt 6.200 US-Dollar pro Person) sowie Vergütungen für Essen (insgesamt 18 Mio. US-Dollar), Reisekosten (5,8 Mio. US-Dollar) und Fortbildungen (1,7 Mio. US-Dollar). Pfizer kündigte an, die Angaben vierteljährlich zu aktualisieren.

Klaus Lieb, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Mainz und Vorstandsmitglied der Anti-Korruptions-Ärzteinitiative MEZIS ("Mein Essen zahle ich selbst"), hat mit Vertretern verschiedener Institutionen des Gesundheitswesens eine informelle Arbeitsgruppe Interessenkonflikte in der Medizin konstituiert. Diese hat nun Leitlinien für eine angemessene Erfassung von Interessenkonflikten, den Umgang damit und deren Reduzierung im Deutschen Ärzteblatt (2011; 108(6): A 256–60) publiziert. „Generell lässt sich sagen: Je enger die einem Interessenkonflikt zugrundeliegende Beziehung ist, je größer die Entscheidungsbefugnis einer Person ist und je weitreichendere Konsequenzen eine Entscheidung haben kann, desto strikter muss der Umgang mit Interessenkonflikten sein.“

Die Verzerrungen, die in industriegesponserten Studien häufig zu finden sind, können zur Folge haben, dass der Nutzen von Arzneimitteln überschätzt und die möglichen Schäden unterschätzt werden, was für den Patienten eine Gefährdung darstellen kann. Einige Beispiele dafür hat die kritische Internetplattform Forum Gesundheitspolitik zusammengestellt.

Quelle: IMABE-Newsletter April 2011

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Individualisierte Medizin: Maßgeschneiderte Medizin ist noch Science-Fiction

Furcht vor der Dominanz einer marketing- statt evidenzbasierten Medizin wächst

Unter den Schlagwörtern "individualisierte" oder "personalisierte" Medizin wird seit einigen Jahren ein verführerisches Konzept beworben. Doch diese Form der Heilkunde sei leider nicht Realität, sondern größtenteils Wunschdenken, heißt es in einer kritischen Analyse der Süddeutschen Zeitung (online, 18.3.2011). "Wer heute von personalisierter oder individualisierter Medizin spricht, redet von Science-Fiction", sagt Wolf-Dieter Ludwig, Onkologe und Vorsitzender der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft. Vieles, was unter diesem Begriff verhandelt werde, klinge zwar attraktiv, sei aber wenig oder gar nicht belegt, so Ludwig. Gerade der Nutzen der neuen Krebsmittel sei für die meisten Patienten sehr gering. Häufig wird das Überleben nur um wenige Wochen verlängert, bei gleichzeitig schweren Nebenwirkungen.

Auch in den USA mehren sich die kritischen Stimmen gegen vorgeblich maßgeschneiderte Krebstherapie. Tito Fojo und Christine Grady von den National Institutes of Health fordern eine Abkehr von der teuren Übertherapie: "Onkologen sollten sich auch dann unterstützt fühlen, wenn sie entscheiden, dass für bestimmte Patienten der unwesentliche Nutzen die Kosten nicht wert ist." Die Behandlung eines Krebspatienten mit den neuen Therapien koste 30.000 bis 90.000 Dollar, die Erfolge seien gegenüber dem Aufwand bescheiden (vgl. J Natl Cancer Inst 2009, 101:1044–1048).

Medikamente werden zugelassen, ohne dass klar ist, ob Patienten etwas davon haben. Die fragwürdige Neuausrichtung einer „individualisierten Medizin“ wird von der Politik unterstützt, obwohl sie wohl eher forschungspolitische und gesundheitspolitische Interessen propagiert und der Pharmaindustrie Einnahmen beschert als den Patienten nützt: "Manchmal muss man befürchten, dass statt evidenzbasierter Medizin die marketingbasierte Medizin dominiert", kritisiert Ludwig.

Quelle: IMABE-Newsletter April 2011

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Indien: Selektive Abtreibung von Mädchen steigt - trotz Verbots

Einfache Bestimmung des Geschlechts und leichter Zugang zu Abtreibung verschärfen das Problem

Durch die selektive Abtreibung von Mädchen geraten die Gesellschaften Chinas und Indiens zusehends ins Ungleichgewicht. Der Jungmänner-Überschuss wird in 20 Jahren bis zu 20 Prozent betragen. In Indien kommen nach den vorläufigen Daten der neuesten Volkszählung, die Ende März 2011 veröffentlicht wurden, auf 1.000 Buben unter sechs Jahren nur noch 914 Mädchen im gleichen Alter, berichtet die taz (online, 1.4.2011). 2001 lag das Verhältnis noch bei 927 Mädchen zu 1.000 Buben. Das natürliche Verhältnis Buben auf Mädchen liegt bei ca. 1,05 bei der Geburt, in Indien liegt es allerdings mittlerweile, laut CIA World Factbook, bei 1,12 Buben auf ein Mädchen. Trotz großflächiger Anzeigen, Kampagnen und dem Verbot der pränatalen Geschlechtsbestimmung hat Indien den Trend dazu nicht stoppen können. Im Gegenteil: Er hat sich in den vergangenen zehn Jahren noch verstärkt. Die Geringschätzung von Mädchen und Frauen ist nach wie vor kulturell tief verankert, obwohl der Wohlstand insgesamt gestiegen ist. Kritische Beobachter meinen, dass die pränatale Geschlechtsselektion deshalb sogar weiter zugenommen hat: Jetzt können sich mehr Eltern eine Ultraschall-Untersuchung leisten; zudem ist die Technologie zur Geschlechtsbestimmung inzwischen auch auf dem Lande verfügbar.

Autoren einer aktuellen im Canadian Medical Association Journal publizierten Studie (Mar 2011; doi:10.1503/cmaj.101368) bestätigen diesen Zusammenhang. Ihren Forschungen zufolge liegen die Ursachen des Ungleichgewichts zwischen den Geschlechtern in Indien, China oder Südkorea abgesehen von der traditionellen Bevorzugung männlicher Nachkommen in der einfachen Bestimmung des Geschlechts von Ungeborenen mithilfe von Ultraschall und im leichten Zugang zur Abtreibung.

In Indien sind die Tötung von Mädchen nach der Geburt und auch die selektive Abtreibung weiblicher Föten weit verbreitet. Zwar verbietet das Gesetz seit 1994 den Ärzten, Eltern das Geschlecht des Babys während der Schwangerschaft mitzuteilen. Doch unter der Hand wird diese - oft mit Korruption verbundene - Praxis weiterbetrieben, wie auch die neuesten Daten nahelegen. Laut Schätzung von Lancet werden in Indien jährlich 500.000 gesunde weibliche Föten abgetrieben (vgl. IMABE-Newsletter April 2006).

Quelle: IMABE-Newsletter April 2011

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PID: Warum der Staat kein Recht zur Menschenselektion erteilen darf

Deutscher Bundesverfassungsrichter Böckenförde: „Keine Zeugung auf Probe“

Der ehemalige deutsche Bundesverfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde hat sich in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (online, 15.3.2011) für ein striktes Verbot von Gentests an im Reagenzglas erzeugten Embryonen ausgesprochen. Die Präimplantationsdiagnostik (PID) sei ein Selektionsinstrument und missachte die Würde des Menschen. Es gebe keine „Zeugung auf Probe“, betont der Jurist. Menschliches Leben auszusortieren widerspreche dem deutschen Grundgesetz und der Menschenwürde des Embryos. In seinem Kommentar zeigt der Jurist auf, warum die Straffreiheit der Abtreibung des Kindes bei Behinderung kein Argument für die PID sein kann.

Auch eine Krankheit oder ein genetischer Defekt allein könne niemals Grund genug für eine medizinische Indikation des Schwangerschaftsabbruchs sein. "Die heute verbreitete Praxis ist ein faktischer Missbrauch der Vorschrift", erklärt er mit Bezug auf das Gesetz, das eine körperliche oder seelische Beeinträchtigung der Schwangeren als Voraussetzung für eine Abtreibung benennt. Die Korrektur sollte an einer strengeren Handhabung der Abtreibung von Behinderten und an einer stärkeren Verteidigung des Lebensrechts jedes Menschen ansetzen – statt in der Debatte eine falsche Praxis der Pränataldiagnostik (PND) als Argument für die Rechtfertigung für die PID zu missbrauchen.

Der Jurist warnt weiters davor, die Menschenwürde in „kleine Münze“ auszufalten. Wer eine bestimmte Phase des Lebensprozesses von der Anerkennung und Achtung, die dem Menschen von seiner Würde her geschuldet ist, ausnimmt oder die Würde prozesshaft abzustufen versucht, „reißt ein Loch in die Entwicklung des einzelnen individuellen Menschen selbst“. Die Anerkennung der Würde des Menschen ist an seine Existenz gebunden, nicht an Eigenschaften.

Gegen die PID spreche, dass sie nicht in Gang gesetzt werde, "um den Wunsch nach einem Kind zu erfüllen", sondern, "um den Wunsch nach einem nicht mit bestimmten genetischen Defekten behafteten, insoweit gesunden Kind zu erfüllen". Deutlicher könne nicht zum Ausdruck kommen, dass ein so entstehendes Kind "keinen Anteil an menschlicher Würde, am Dasein um seiner selbst willen hat", analysiert Böckenförde. Über den Embryo werde bei Durchführung der PID wie über eine Sache entschieden, zwischen lebenswert und lebensunwert unterschieden.

Der Deutsche Bundestag wird – nach mehrmaligen Verschiebungen - in dieser Woche erstmals über drei fraktionsübergreifende Gesetzesentwürfe zum Thema PID debattieren. Die PID ist eine ethisch umstrittene Methode, bei der im Reagenzglas erzeugte Embryonen auf Erbkrankheiten hin untersucht werden, bevor sie in den Mutterleib eingepflanzt werden. Embryonen mit vermutetem Risiko auf Erkrankungen werden vernichtet.

Quelle: IMABE-Newsletter April 2011

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Deutschland: Ärzte besorgt über exzessiven Medienkonsum Heranwachsender

USA-Experten warnen vor Facebook-Depression bei Jugendlichen

Kinder- und Jugendärzte sind besorgt über die Fernseh- und Internetnutzung von Heranwachsenden. „Der Medienmissbrauch mit all seinen psychosozialen und gesundheitlichen Folgen ist eine neue Herausforderung“, hieß es beim Jahreskongress des Deutschen Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, berichtet die Nachrichtenagentur dapd (11.03.2011). Allerdings wolle man die Medien nicht generell verteufeln: „Erst die Dosis macht das Gift“, sagte Tagungsleiter Uwe Büsching. Dass Kinder und Jugendliche sich vielfach nicht mehr direkt zum Spielen treffen, verändere das Sozialverhalten gegenüber früher. Folgen seien u. a. mangelnde Fähigkeiten der Konfliktbewältigung. Zudem gebe es einen Zusammenhang zwischen exzessivem Internetkonsum einerseits, und zunehmender Dickleibigkeit sowie sinkender Sportlichkeit von Heranwachsenden andrerseits. Zur Begründung ihrer Sorge verwiesen die Fachmediziner auf Zahlen des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen. Demnach besitzen inzwischen mehr als 60 Prozent aller Jugendlichen einen eigenen Fernseher und etwa 70 Prozent verfügten über einen eigenen Computer. Diese Geräte nutzen beispielsweise 15-jährige Mädchen täglich mehr als sechs Stunden, bei gleichaltrigen Buben seien es sogar rund 7,5 Stunden.

In den USA warnen Kinder- und Jugendärzte inzwischen auch vor „Cyber-Mobbing“ und vor dem trügerischen Bild, das Netzwerke wie Facebook Jugendlichen vermitteln, berichtet Focus (online, 1.4.2011). Die Menschen sind scheinbar immer glücklich, beliebt, aktiv und attraktiv. Dies verstärkt bei depressiv gestimmten Kindern noch das Gefühl der Einsamkeit und Traurigkeit. US-Experten sprechen sogar schon von „Facebook-Depression“ (vgl. O'Keefe G., Chrildren's Healthcare Medical Associates). Sie haben einen Medienleitfaden herausgegeben, der den Einfluss sozialer Netzwerke auf Kinder, Jugendliche und Familien kritisch beleuchtet.

Quelle: IMABE-Newsletter April 2011

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Studie: Terminalpatienten wollen mehr Lebensqualität, aber nicht länger leben

Umdenken gefordert: Patienten als Person und seine Familie mehr fokussieren

Eine Umfrage bei über 9.000 Menschen in sieben europäischen Ländern zeigt, dass die Mehrheit im Fall einer Krebserkrankung am Lebensende dessen Qualität verbessern, das Leben aber nicht verlängern will. Die Untersuchung (online, 28.3.2011) wurde im Rahmen des EU-Projektes PRISMA von Forschern des King’s College London durchgeführt und kürzlich präsentiert. Ziel der PRISMA-Forschungsgruppe ist es, mehr Augenmerk auf die Lebensqualität parallel zu möglicherweise lebensverlängernden Behandlungen zu richten und die Forschung zu Bedürfnissen von Krebskranken in der Terminalphase zu intensivieren.

Von den 9.339 Menschen, die in Deutschland, Großbritannien, Belgien, Polen, Spanien, Italien und den Niederlanden telefonisch über ihre Erwartungen an die Pflege am Lebensende befragt wurden, hatten 70 Prozent den Tod eines Verwandten oder nahen Freundes bereits miterlebt. Mehr als die Hälfte hatte sich selbst um diese Personen gekümmert. 10 Prozent der Befragten litt selbst an einer schweren Krankheit. Das Ergebnis: 71 Prozent gaben an, sie wollten die Lebensqualität ihrer noch verbleibenden Zeit heben; 4 Prozent wollten die Zeit des Lebens noch verlängern, während für 25 Prozent beides gleichermaßen wichtig schien. In allen Ländern zählten „Schmerzen“, gefolgt von „anderen zur Last zu fallen“ zu den größten Sorgen.

Die Palliativmedizinerin des King’s College und wissenschaftliche Leiterin von PRISMA, Irene Higginson, warnte alle, die mit der Pflege für schwerstkranke Menschen betraut sind, über medizinische Maßnahmen – so wichtig sie auch sein mögen – die Auswirkungen der Krankheit selbst auf die Person und deren Familie zu vergessen. Ein Umdenken in Richtung Erfassung von Symptomen, sozialen und spirituellen Bedürfnissen sei dringend nötig, um auf die Prioritäten von Patienten und Familien adäquat reagieren zu können, betonen die Mediziner.

Quelle: IMABE-Newsletter April 2011

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