Mittwoch, 11. Juni 2014

IMAGO HOMINIS-Vorschau: Mental Health und Arbeitswelt

Der Mensch zwischen Arbeit, Stress und Lebenssinn

Laut Angaben der Pensionsversicherungsanstalt in Österreich leidet jeder Fünfte einmal in seinem Leben an einer Depression und jeder Sechste an einer Angststörung. Die Zahl der Krankenstandstage aufgrund psychischer Erkrankungen hat sich in den vergangenen 20 Jahren beinahe verdreifacht. Eine adäquate Analyse der Fakten, Hintergründe und Auswege zum Spannungsfeld Arbeit, Lebenssinn und seelische Erkrankungen braucht einen interdisziplinären Zugang. Dies zeigte auch die hohe Resonanz für das fachübergreifende IMABE-Symposium Mental Health und Arbeitswelt. Arbeit zwischen Stress und Lebenssinn, das im November 2013 in Wien stattfand und dessen Themen nun in Imago Hominis dokumentiert sind. 

Rudolf Müller (Chefarzt, PV) legt Zahlen, Daten und Fakten zur psychischen Gesundheit österreichischer Arbeitnehmer dar. Immer mehr Menschen treten wegen psychischer Leiden krankheitsbedingt eine Frühpension an: Im Jahr 2012 erfolgten 35,1 Prozent aller Neuzugänge der Berufsunfähigkeit aufgrund psychischer Erkrankungen. Frauen sind mehr betroffen als Männer. Seit 2002 versucht die PV gezielte Reha-Programme für psychisch Kranke, die zu einer Trendabschwächung geführt haben. 

Arbeitgeber, die weiterhin nur Effizienz in Monokultur von ihren Mitarbeitern fordern, sind offenbar noch nicht im neuen Wirtschaftsleben angekommen. Anhand von 10 Thesen veranschaulicht Klaus Dörner (Psychiater, Soziologe, Hamburg) die Industrieepoche, die vom Paradigma der permanenten Beschleunigung und Effizienzsteigerung gelebt hat. Dass dies irgendwann die Grenzen, auch der psychischen Gesundheit, überschreiten musste, liege auf der Hand. Der derzeitige Umbruch zur Dienstleistungsepoche sei eine historische Chance für eine Humanisierung der Arbeitswelt. Auch die Psychiatrie müsse sich rückbesinnen auf ihre Dimension als philosophisch-anthropologische Disziplin. 

Dass das innere Bedürfnis des Menschen nach Lebenssinn keinesfalls allein durch Arbeit abgedeckt ist, betont Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz (Religionsphilosophin, Europäisches Institut für Philosophie und Religion EUPHRat, Heiligenkreuz) in ihrem Beitrag. Sie zeigt anhand von Deutungsmustern ausgehend von der Antike über das jüdisch-christliche Erbe bis in die Moderne, wie das spannungsreiche Zusammenspiel zwischen Tun und Lassen, Mühe und Gabe, Zweck und Sinn interpretiert wurde – und wie es gelingen kann.

Arbeitgeber werden zwar verstärkt in die gesetzliche Pflicht zur Prävention von Work-Related-Stress genommen. Vorschriften bleiben aber zahnlose Instrumente, wenn nicht zugleich die Überzeugung im Unternehmen wächst, dass eine neue Kultur der Arbeit die positive Entwicklung der eigenen Mitarbeiter miteinschließt. Auf dieser Basis legt Markus Schwarz (Unternehmensberater, L|B|F ADVISORS Wien) Eckpunkte einer erfolgreichen betrieblichen Vorsorge- und Gesundheitsförderung dar („salutogene betriebliche Gesundheitsförderung“) und beschreibt neben den wesentlichen Erfolgsfaktoren auch die Barrieren für diese innerbetrieblichen Programme. 

Die Imago-Hominis-Ausgabe 2/2014 mit dem Schwerpunkt „Mental Health und Arbeitswelt“ findet sich auf http://www.imabe.org/index.php?id=1522 und kann als Einzelheft um € 10,– aus dem Inland (aus dem Ausland fällt das reguläre Porto an) bezogen werden.

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Reproduktionsmedizin: Politischer Widerstand gegen Eizellenspende in Deutschland

90 Prozent der Frauen werden nach Social Egg Freezing erst gar nicht schwanger

In Deutschland haben sich die Gesundheitspolitiker dreier Bundestagsfraktionen bei der Jahrestagung des Deutschen Ethikrats zur Fortpflanzungsmedizin klar gegen eine Liberalisierung in der Frage der sog. Eizellenspende ausgesprochen, berichtet die Ärztezeitung (online, 23. 5. 2014). Für Katrin Vogler (Linke), Harald Terpe (Grüne) und Hubert Hüppe (CDU) ist die Eizellspende in Deutschland aus guten Gründen verboten. Das Gros der Frauen, so die Linken-Abgeordnete Vogler, würde nicht aus Altruismus, sondern aus wirtschaftlicher Not Eizellen spenden. Im krisengeschüttelten Spanien sei rund jede vierte Spenderin Studentin, die rund 1000 Euro „Aufwandsentschädigung“ erhält. Kritisch kommentiert wurden von den Parlamentariern neue Verfahren, die es Frauen mit mitochondrialen DNA-Erkrankungen erlauben sollen, sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen (IMABE-April 2013 Großbritannien: Kind mit drei genetischen Elternteilen rückt näher). 

Auf Ablehnung und Sorge stieß der Trend des Social Egg Freezing. Frauen wird angeboten, unbefruchtete Eizellen in jüngeren Jahren auf Vorrat einzufrieren, um später auf Abruf per künstlicher Befruchtung schwanger zu werden. Dass immer mehr Frauen Mitte 30 sind, bevor sie das erste Kind bekommen, habe gesellschaftliche Ursachen, sagte Vogler. Neue reproduktionsmedizinische Verfahren seien darauf die falsche Antwort. Hubert Hüppe verwies dazu auf deutlich erhöhte Abortraten bei Schwangerschaften, bei denen Frauen zuvor eingefrorene Eizellen eingesetzt wurden. 

Jennifer Lahl, Direktorin des Center for Bioethics and Culture, unterstreicht in einem aktuellen Beitrag die Risiken: Laut Daten der American Society for Reproductive Medicine (ASRM) spielt das Alter der Frau für die spätere Embryo-Implantationsraten eine große Rolle. Rund 90 Prozent dieser Frauen werden erst gar nicht schwanger. Frauen, die mit 30 Jahren ihre Eizellen schockgefrieren haben lassen, haben je nach Tiefkühlverfahren eine 8,9- bis 13,2-prozentige Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft. Die Rate sinkt auf 4,3 bzw. 8,6 Prozent, wenn die Eizellen einer 40-Jährigen eingelagert werden (vgl. Pressemitteilung, online, 20. 5. 2013). Die sogenannte Baby-Take-Home-Rate ist nochmals geringer (IMABE-Februar 2014 Studie: Künstliche Befruchtung wird zu leichtfertig angewendet). Lahl weist auf die Illusion hin, dass das Einfrieren von Eizellen Garantie für ein Kind sei. Hier werde mit Hoffnungen und Ängsten der Frauengespielt, schreibt Lahl in einem kritischen Beitrag zu Egg Freezing. Dahinter stünden auch starke finanzielle Interessen. 

Der Freiburger Medizinethiker Giovanni Maio hatte erst kürzlich in seinem Beitrag Schwangerschaft auf Abruf? Warum Social Egg Freezing nicht der richtige Weg ist (Imago Hominis 2014; 21(1): 12-16) die suggestive Kraft des Social Egg Freezing kritisiert, wonach man die Fortpflanzung geradezu beliebig planbar und den eigenen Wünschen verfügbar machen könne. Viele Menschen seien ihr Leben lang auf der Suche nach der noch besseren Option für ihr Leben und versäumen, sich irgendwann wirklich zu binden, erläutert Maio: „Insofern kann die Technik auch zu einer Einladung werden, in diesem Modus des Multioptionslebens zu verharren – und sich damit auch noch die letzte Chance auf ein Kind zu verbauen.“

Foto:  © koya979 - Fotolia.com

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Studie: Ärzte scheuen sich, das Thema Lebensende gegenüber Patienten anzusprechen

Vorbehalte gegen End-of-Life-Care, Zeitmangel und Unsicherheit prägen das medizinische Personal

Ärzte und Pflegepersonen scheuen sich davor, mit Patienten, die an Herzinsuffizienz leiden, Gespräche über das Lebensende zu führen. Das ist das Ergebnis einer im Rahmen der Quality of Care and Outcomes 2014 Scientific Sessions in Baltimore vorgestellten neuen Studie, berichtet Medicalnewstoday (online, 4. 6. 2014). Als Begründung nannte das medizinische Personal, das Thema sei ihnen unangenehm, die Gespräche würden ohnehin wenig bringen, sie klagten aber auch über mangelnde Zeit und die eigene Unsicherheit. 

Über 5,1 Millionen US-Bürger leiden an Herzinsuffizienz. Nach Angaben der American Heart Association stirbt etwa die Hälfte dieser Patienten innerhalb von fünf Jahren nach der Diagnose. Die Wissenschaftler unter der Leitung von Shannon Dunlay, Kardiologin an der Mayo-Klinik in Rochester, Minnesota, hatten 50 Ärzte und 45 Pflegepersonen an drei Klinikstandorten befragt. Nur 12 Prozent der Ärzte und Pfleger hatten die von der American Heart Association empfohlenen Leitlinien, die ein jährliches Routine-Gespräch über End-of-Life-Care vorsieht, befürwortet. 30 Prozent hatten wenig Vertrauen in ein Gespräch bzw. das Anbieten von End-of-Life-Care. 

Unter den 52 Prozent, die angaben, End-of-Life-Care-Themen nur zögerlich zu behandeln, gaben 21 Prozent an, dass nach ihrer Wahrnehmung die Patienten nicht bereit waren, über das Thema zu sprechen. 11 Prozent der Befragten würden dem Gespräch ausweichen, weil es für sie unangenehm sei; 9 Prozent waren besorgt, dass sie den Patienten die Hoffnung nehmen würden, 8 Prozent gaben Zeitmangel als Grund für das Ausweichen vor dem Gespräch an. 

Es gibt jedoch keine Anzeichen dafür, dass Gespräche über das Lebensende Hoffnungen zerstören. Im Gegenteil: Es lindert bei den meisten Patienten und Familien Ängste, sagt Studienleiterin Dunlay. Die richtige Kommunikation sei der Schlüssel, sowohl zwischen Patienten und Angehörigen, als auch im Arzt-Pflege-Team. Dunlay plädiert dafür, End-of-Life-Gespräche innerhalb der laufenden routinemäßigen Versorgung des Patienten einzubauen. Die erste Voraussetzung dafür sei neben Ausbildung, Rahmenbedingungen und persönlicher Verantwortung die Bereitschaft, sich zeitlich und emotional einzubringen (vgl. Schenk T. M., Vom richtigen Zeitpunkt: Die Entscheidung zur palliativmedizinischen Behandlung, in: Imago Hominis 2003; 10(1): 29-35).

Foto: PeterFranz  / pixelio.de

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Österreich: 1,5 Millionen Menschen leiden an chronischen Schmerzen

IMABE-Symposium: „Schmerz: begreifen - bewältigen - behandeln“ am 5. 12. 2014 in Wien

In Österreich leiden 1,5 Millionen Menschen an chronischen Schmerzen, darunter sind rund 200.000 Schmerzpatienten mit einem sehr hohen Chronifizierungsgrad auf spezielle Schmerztherapien angewiesen. Doch es gebe kein Geld für nachhaltige Strukturveränderungen, sagte Christian Lampl, Präsident der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG) anlässlich der 22. Jahrestagung der ÖSG in Graz (Pressemitteilung online, 22. 5. 2014). „Für zeit- und zuwendungsintensive Behandlung fehlt die materielle Existenzgrundlage“, so der Linzer Neurologe Lampl. Insgesamt werden die in Österreich durch chronische Schmerzen verursachten Kosten auf 1,4 bis 1,8 Milliarden Euro jährlich geschätzt. 33 Prozent der chronischen Schmerzpatienten sind berufsunfähig, 21 Prozent werden in die Frühpension entlassen. „Frühzeitige Therapie und innovative Medikamente könnten dieser Entwicklung entgegenwirken”, so Lampl, der auch die Plattform Allianz Chronischer Schmerz Österreich mitunterstützt. 

Auch der Deutsche Ärztetag setzt sich für eine bessere schmerzmedizinische Versorgung in Praxen und Krankenhäusern ein, berichten die Salzburger Nachrichten (online, 29. 5. 2014). Der Weg zur richtigen Schmerztherapie dauert Studien zufolge in Deutschland mehr als vier Jahre. Schmerztherapien hätten auch hier noch keinen hohen Stellenwert und würden schlecht bezahlt. Zwar hätten schon mehr als 4700 Ärzte die Zusatzausbildung in Schmerztherapie, sagt die Vizepräsidentin der Bundesärztekammer Martina Wenker. Viele Patienten würden von den Angeboten aber nicht erreicht. Ab 2016 soll Schmerzmedizin nun auch Pflichtfach für Medizinstudierende werden. Nicht alle Schmerzpatienten aber müssten zum Schmerztherapeuten. Nur 5,4 Prozent, immerhin vier bis fünf Millionen Menschen allein in Deutschland, litten tatsächlich unter körperlichen und sozialen Beeinträchtigungen – mit allen negativen Konsequenzen wie sozialem Rückzug oder Depressionen. Schmerzmedizin müsse, so der Tenor des Deutschen Ärztetages, zur Querschnittsmaterie und nach dem Vorbild des Hygiene-Managements zur Pflicht in Kliniken und zum Qualitätsindikator für Krankenhäuser werden. 

SAVE THE DATE: „Schmerz: begreifen - bewältigen - behandeln“ lautet das Thema des kommenden IMABE-Symposiums 2014. Die interdisziplinäre Tagung mit namhaften Experten findet am 5. Dezember 2014 in Wien in Kooperation mit der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA), der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) und dem Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger statt. Tagungsort: Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert-Stifter-Straße 65, 1200 Wien. Genaue Programminformationen folgen in Kürze auf unsere Homepage unter Veranstaltungen.

Foto:  Patrick Wyss  / pixelio.de

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Studie: Nutzen von Mammografie-Screening-Programmen weit überschätzt

Experten fordern Abschaffung von Massenscrennings und klare Aufklärung über Risiken

In Österreich wurde das Vorsorge-Mammografie-Screening ohne Überweisung durch den Arzt seit Jahresbeginn mit großer Emphase eingeführt. Ab sofort erhalten nun 1,5 Millionen Frauen im Alter zwischen 45 und 69 Jahren – auch ohne Verdachtssymptome – alle zwei Jahre direkt eine Einladung für eine Untersuchung auf Kosten der Krankenkasse (vgl. Standard, online, 7. 5. 2014). Doch gerade diese Form des Massenscreenings gerät in Expertenkreisen immer mehr unter Beschuss. 

In Deutschland hat sich Bundesärztekammerpräsident Frank Ulrich Montgomery für eine Überprüfung des Nutzen-Risiko–Verhältnisses von Vorsorgeuntersuchungen ausgesprochen. Studien würden zeigen, dass sich die Zahl der Todesfälle durch solche Untersuchungen nur marginal senken lasse oder Patienten möglicherweise sogar geschadet wird, so Montgomery (vgl. Berliner Zeitung, online, 23. 5. 2014). 

Ein vom Swiss Medical Board (SMB) veröffentlichter Report plädiert nach Auswertung zahlreicher randomisierter und kontrollierter Studien überhaupt für die Abschaffung systematischer Mammografie-Screenings zur Brustkrebs-Prävention. Das Swiss Medical Board (SMB) ist eine unabhängige Einrichtung der Konferenz der Gesundheitsminister der Schweizer Kantone und der Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW). Ihr Auftrag war es, Vor- und Nachteile des Screenings anhand von Studien zu analysieren. Im New England Journal of Medicine (2014; 370: 1965-196) erläutern die SMB-Autoren Nikola Biller-Andorno (Institut für Biomedizinische Ethik, Universität Zürich) und Peter Jüni (Institut für Sozial- und Präventivmedizin, Universität Bern) ihre Ergebnisse. Nur ein bis zwei Todesfälle pro 1000 gescreenten Frauen könnten mit einem Massenscreening verhindert werden. 
Demgegenüber komme es bei 100 Frauen zu Falschbefunden. Diese führen teilweise zu „einer diagnostischen Kaskade von wiederholten Mammografien, Biopsien und Überdiagnosen von Karzinomen, die klinisch nie in Erscheinung getreten wären“, warnen die Autoren. Die Kosten seien psychisch wie monetär hoch. 

Die glaubwürdigsten Schätzungen zu den Überdiagnosen sehen die Experten in der im British Medical Journal publizierten Nationalen Kanadischen Brustkrebs-Screening-Studie (2014; 348: g366). Hier habe sich nach 25 Jahren Follow-up gezeigt, dass 106 (21,9 Prozent) von 484 Karzinomen, die durch das Screening entdeckt wurden, sich später als harmlose Tumore entpuppten. Bei fast einem Viertel der Frauen wurde „falscher Alarm“ ausgelöst. Sowohl der Befund als auch die Behandlung würden – abgesehen von den Kosten für das Gesundheitssystem – für die betroffenen Frauen eine unnötige körperliche wie auch hohe psychische Belastung bedeuten. Auch der Review der Cochrane Collaboration, der 10 Studien mit mehr als 600.000 Frauen im Alter zwischen 39 und 74 Jahren umfasst, ergebe keinerlei Evidenz für einen Effekt auf eine Reduktion der Gesamtsterblichkeit (vgl. Cochrane Database Syst Rev 2013; 6: CD001877-CD001877). Basierend auf der Datenauswertung schlägt das SMB deshalb vor, keine neuen flächendeckenden Mammografie-Screenings einzuführen. Die Empfehlung richte sich nicht gegen die medizinische Methode der Mammografie an sich, betont Biller-Andorno. Frauen, die sich aller Vor- und Nachteile der Mammografie bewusst seien, könnten selber abwägen, ob sie eine Untersuchung wollen oder nicht. Sinnvoll sei eine Mammografie sicher bei einer familiären Disposition für Brustkrebs oder bei einem auffälligen Befund. 

Scharfe Worte findet im British Medical Journal (2014; 348: g2636) Gerd Gigerenzer, Leiter des Max-Planck Instituts für Bildungsforschung in Berlin. Die Informationsprozesse im deutschen Screening-Programm seien nicht geeignet, den Frauen informierte Entscheidungen zu ermöglichen, kritisiert Gigerenzer. Er fordert Frauen und Frauenorganisationen auf, sich in Kampagnen für ehrliche Informationen zum Mammografie-Screening einzusetzen (vgl. IMABE-September 2009: 92 Prozent aller Frauen überschätzen den Nutzen der Mammografie als Mittel zur Vermeidung einer tödlich verlaufenden Brustkrebserkrankung).

Foto: Rainer Sturm  / pixelio.de

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Österreich: Bürgerinitiative gegen Euthanasie gestartet

Sorge um Ausweitung und steigende Zahl von Todesdiensten in der Schweiz und Belgien

Euthanasie und aktive Sterbehilfe bleiben auch in Österreich ein Thema. Im Herbst 2014 soll laut Regierungsübereinkommen eine parlamentarische Enquete stattfinden, die sich „mit der Möglichkeit der verfassungsrechtlichen Verankerung des Verbots der Tötung auf Verlangen und des Rechts, in Würde zu sterben“ befasst. Zudem soll eine gesetzliche Regelung den „gleichen Zugang zur Palliativmedizin“ sicherstellen. Derzeit versucht eine parlamentarische Bürgerinitiative diesem Anliegen Nachdruck zu verleihen. 

Gefordert werden von der Bürgerinitiative An der Hand eine flächendeckende und angemessene Hospiz- und Palliativversorgung, der Ausbau palliativmedizinischer Forschung, die Sicherstellung der häuslichen Pflege und ein verfassungsrechtliches Verbot der aktiven Sterbehilfe, also der Tötung auf Verlangen (vgl. Kathpress, online, 28. 5. 2014). Auch eine Verankerung der Palliativmedizin und der Sterbebegleitung in der Ausbildung der Ärzte soll überlegt werden. Die zunächst private Initiative sammelte 13.600 Unterschriften und nahm damit die erforderliche Hürde, um offiziell auf der Internetseite des österreichischen Parlaments präsent zu sein. Dort kann man seit 30. Mai auch online bis 1. Juli unterzeichnen. 

Die Initiative sieht sich auch als Antwort auf besorgniserregende Entwicklungen in Europa. So zeigt die aktuelle Statistik aus Belgien, wo kürzlich auch das „Recht auf assistierten Suizid“ für Kinder gebilligt wurde, einen neuen Rekordstand von Euthanasiefällen: Die Zahl der Fälle stieg um 26,8 Prozent gegenüber 2012 und liegt jetzt bei 1.816 gemeldeten Personen. Das meldete die Sudpresse, eine der führenden frankophonen Tageszeitungen Belgiens (online, 28. 5. 2014): "Täglich sterben fünf Belgier durch Euthanasie", so die Headline. Die vulnerabelste Personengruppe sind Männer (51,7 Prozent) im Alter zwischen 70 und 90 Jahren (53,3 Prozent) und jene aus dem flämischen Teil (80 Prozent) Belgiens. Die Dunkelziffer der nichtgemeldeten Fälle oder jener bei dementen oder komatösen Patienten auch ohne deren Einwilligung nimmt laut Studien zu (vgl. IMABE 2014 Euthanasie: Kritiker warnen vor Pseudo-Autonomie und Ökonomisierungsdruck; IMABE 2010 Belgien: Euthanasie häufig ohne Zustimmung des Patienten). Die belgische Evaluationskommission zur Euthanasie veröffentlicht jährlich die gemeldeten Fälle, die Zahlen für 2013 sollen in Kürze offiziell verfügbar sein. 

In der Schweiz hat die umstrittene Organisation Exit nun offiziell beschlossen, künftig auch gesunde Senioren mit Selbstmord-Medikamenten zu bedienen (KIPA, online, 25. 5. 2014). Kritik an den Plänen von Exit kam von Ärztevertretern und Politikern. „Damit will die Sterbehilfe-Industrie ganz offensichtlich ihr Geschäftsmodell weiter ausdehnen“, kritisierte die Schweizer CVP-Nationalrätin Barbara Schmidt-Federer (Pressemitteilung, online 25. 5. 2014). Auch die Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW) sowie Jürg Schlup, Präsident der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) distanzierten sich von den Statutenänderungen, die den Druck auf ältere Menschen begünstigen, vorzeitig aus dem Leben zu scheiden. 

„Der Schutz des Lebens ist ein vorpolitisches Recht, es steht also über der Demokratie, und daher kann man darüber auch nicht abstimmen“, hält Kommentatorin Gudula Walterskirchen in der Presse fest (online, 2. 6. 2014). Man könne es nicht demokratischen Mehrheiten überlassen, zu entscheiden, welches Leben für erhaltenswert angesehen werde und welches nicht: „Vielmehr braucht es eine Betonung der Würde des Menschen und des Wertes des Lebens bis zuletzt.“

Foto: An der Hand

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