Dienstag, 14. Mai 2013

Studie: Der informierte Patient kann für den Arzt zur Belastung werden


Patienten brauchen mehr Zeit und stellen mehr Forderungen als früher

Der informierte Patient ist gefragt. Doch einige Ärzte haben Schwierigkeiten mit ihm. Wie diese sich äußern und worin die Gründe liegen, hat eine Online-Studie untersucht, deren Ergebnisse nun im Deutschen Ärzteblatt besprochen werden (Dtsch Arztebl 2013; 110(18): A-870/ B-758/ C-754).

Der informierte Patient spielt eine zentrale Rolle im Gesundheitswesen und gilt als Idealbild, weil er mehr über seine Krankheit und deren Auswirkungen wissen sollte, sich dadurch stärker Therapie adhärent zeigt, und bestrebt ist, seine Lebensqualität und -erwartung zu verbessern, was aus gesundheitsökonomischer Sicht dazu beitragen sollte, Kosten zu senken. Was aber halten die Ärzte von dieser Sicht? Ihre Einstellung gegenüber dem informierten Patienten ist ambivalent, auch in Abhängigkeit persönlicher Erfahrungen, so die Ergebnisse einer in Zusammenarbeit mit dem Institut für Medizinische Psychologie der Ludwig-Maximilians-Universität München bundesweit angelegten Online-Studie, an der 539 niedergelassene Ärztinnen und Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen teilgenommen haben.

Für 65,5 Prozent der Ärzte bedeutet der neue informierte Patient keine Belastung, für 34,5 Prozent hingegen schon. Für Alexandra Rink vom Princess Margaret Hospital der University of Toronto ist dieses Drittel besonders interessant.

In der Studie kristallisierten sich laut Rink vier Hauptfaktoren heraus, weshalb diese Ärztegruppe kritisch gegenüber dem neuen Patiententypus gegenüberstand: Die Qualität der zur Verfügung stehenden Patienteninformation war ihrer Meinung nach schlechter, woraus auch eine eher negative Reaktion auf den Patienten, der sie präsentiert, resultierte. Zweitens vermissten sie eine deutliche Verbesserung der Therapie-Adhärenz. Drittens bedeuteten diese Art Patient eine Störung des Praxisablaufes, vor allem durch verlängerte Gesprächsdauer und die Zunahme der aus Sicht der Ärzte unangemessener Forderungen. Und schließlich fühlten sie viertens ihre ärztliche Autorität durch informierte Patienten infrage gestellt und ihr Selbstverständnis als Arzt beeinträchtigt: Sie sahen sich öfter eher als Dienstleister denn als Therapeut, und mussten sich rechtfertigen mit der Gefahr, dass der Patient in eine andere Praxis abwandert, wo seine Wünsche erfüllt werden. Nicht genauer spezifiziert wird in dem Beitrag, aus welchen Quellen die Patient ihre Zusatzinformationen bezogen hatten (Internet, Meinung eines zweiten Arztes, andere Patienten usw.) Wenn die Gründe dafür, dass ein Arzt Schwierigkeiten mit informierten Patienten hat, Anlass zu weiterer wissenschaftlicher Untersuchung sein sollen, wie Rink anregt, sollte dieser Aspekt mitberücksichtigt werden.

Foto: © Thommy Weiss  / pixelio.de 

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Lebensschutz: Kommt der legale Handel mit menschlichen Embryonen?

US-Bioethiker fordern im NEJM Lockerung für kommerzielle Bestellung von Embryonen

Indische IVF-Kliniken klären ihre ausländischen Kunden detailliert darüber auf, wie sie legal überzählige, tiefgefrorene Embryonen im handlichen Gepäcksstück nach Mumbai bringen können (Beispiel The Malpani Infertility Clinic), um sich dort einer IVF-Behandlung zu Dumping-Preisen zu unterziehen. Wenn also menschliche Embryonen als Ware über alle Grenzen transportiert werden dürfen, ja, wenn es sogar erlaubt ist, sie zu vernichten: Warum sollte man mit menschlichen Embryonen nicht auch Handel treiben dürfen? Es sei Zeit, „Embryonen auf Bestellung“ legal zu ermöglichen, sagen deshalb I. Glenn Cohen, Bioethiker an der Harvard Law School, und der Mediziner und WHO-Berater Eli Y. Adashi von der Brown University jüngst in einem Kommentar imNew England Journal of Medicine (2013 DOI: 10.1056/NEJMsb1215894).

Damit brechen die Autoren ein letztes Tabu. Denn selbst in Ländern, wo es kaum Beschränkungen für Verfahren der assistierten Reproduktion gibt, wird noch immer der Handel mit Embryonen verurteilt, wie Michael Cook in Bioedge festhält (online, 20. 4. 2013). So habe die American Society for Reproductive Medicine (ASRM) klargestellt, dass „der Verkauf von Embryonen per se ethisch inakzeptabel ist.“

Für die NEJM-Autoren Cohen und Adashi ist es dagegen nur noch eine Frage der Zeit, bis ein klarer rechtlicher Rahmen zum Handel mit menschlichen Embryonen festgelegt sei. Schließlich gäbe es auch einen kommerziellen Samen- und Eizellenhandel, der bereits akzeptiert sei. Einen besonderen Status hätte der Embryo ohnehin nicht mehr, da Millionen von Embryonen im Zuge der künstlichen Befruchtung routinemäßig in IVF-Kliniken und Labors zerstört würden.

Erst kürzlich gab es wegen des Vorwurfs von Embryonenhandel Spannungen zwischen Polen und Deutschland: Der polnische Justizminister Jaroslaw Gowin hatte eine polnische Privatklinik beschuldigt, menschliche Embryonen für wissenschaftliche Experimente nach Deutschland verkauft zu haben (vgl. Deutsches Ärzteblatt online, 22. 4. 2013). Gowin, der wiederholt wegen provokanter Äußerungen zum Lebensschutz aufgefallen war, musste inzwischen sein Amt niederlegen.

Foto: © Arzt  / pixelio.de

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USA: Umstrittener Test soll Sterberisiko von Senioren beurteilen


12 Punkte-Test soll Ärzten als Entscheidungsgrundlage für weitere klinische Interventionen dienen

Ein Team rund um die Internistin Marisa L. Cruz von der University of California in San Francisco hat einen Test entwickelt, der die Sterbewahrscheinlichkeit von Senioren für die nächsten zehn Jahre ermitteln soll. Laut Studienleiterin Cruz sei das Ziel der Studie, „eine Kosten-Nutzen-Analyse, um zu klären, welcher Patient von welchem Eingriff profitieren könnte.“ Für den Test, der im Journal of the American Medical Association (2013;309(9):874-876. doi:10.1001/jama.2013.1184) veröffentlicht wurde, haben die Wissenschaftler die Daten von mehr als 20.000 US-Bürgern über 50 Jahren ausgewertet, die zwischen 1998 und 2008 zu ihrer Gesundheit befragt worden waren.

Die 12 Fragen des 10-Year Mortality Index for Older Adults, die der Patient beantworten muss, sind einfach. Männlich oder weiblich? Raucher? Diabetiker? Pro angekreuzte Antwort gibt es eine bestimmte Punktzahl. Gibt jemand beispielsweise an, sich beim Spaziergang um den Häuserblock schwer zu tun, bringt das zwei Punkte. Menschen zwischen 60 und 64 Jahre erhalten automatisch einen Punkt, ab 85 sieben Punkte. Raucher und Lungeinsuffizienz? Jeweils zwei Punkte usw. Wer maximal 26 Punkte erreicht, überlebt das Jahr 2023 laut Sterblichkeitsindex zu 95 Prozent nicht mehr. Bestimmt sei der Test für Patienten, die älter als 60 Jahre sind. „Jede Vorsorgeuntersuchung und jeder klinische Eingriff ist für diese Menschen riskant“, argumentiert Cruz. „Einen Eingriff sollte man nur bei den Patienten auszuführen, denen er nutzt.“

In Deutschland wurde der Test als diskriminierend und wenig wissenschaftlich kritisiert. Der Forschungskoordinator des Leibniz-Instituts für Altersforschung, Wilfried Briest, hält den Test und die Studie, auf der er beruht, für „ethisch bedenklich“, berichtet derSpiegel Online (15. 4. 2013). „Wenn eine Auswertung von nur zwölf Fragen darüber entscheidet, ob dem Patienten eine medizinische Behandlung widerfährt oder nicht, ist das sehr diskriminierend“, sagt Briest. „Am Testende werde ich mit einem Wert konfrontiert, der mir beispielsweise eine Lebenserwartung von vier Jahren verspricht. Und was mache ich dann damit?“

Quelle: IMABE-Newsletter Mai 2013
Foto: © Thorben Wengert  / pixelio.de

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Großbritannien: Ruf nach strengeren Gesetzen für „kosmetische Eingriffe“


Expertenbericht fordert überprüfbare Qualitäts- und Sicherheitsstandards bei Anbietern

Der Brustimplantate-Skandal aus Frankreich war Mitauslöser für Großbritannien, Qualität und Sicherheit der Verfahren im Bereich der Schönheitsindustrie unter die Lupe zu nehmen. Das britische National Health Service kritisiert in einem im April 2013 vorgelegten Report den Wildwuchs unter den Anbietern und die geringen Qualitätsstandards in den Verfahren und Zulassungen der Produkte. Allen voran seien unter den „kosmetischen Eingriffen“ das Aufpolstern von Gesichtspartien durch Filler, Botox-Injektionen und Laserbehandlungen am gefährlichsten. Diese Eingriffe seien praktisch unreguliert und bräuchten dringend einen neuen Rechtsrahmen, fordert der britische Regierungsbericht, berichtet die Financial Times (online, 24. 4. 2013).

NHS-Direktor Sir Bruce Keogh zeigte sich überrascht davon, „dass heutzutage jeder als nicht-chirurgische Praktiker tätig werden könne, ohne dass je die dafür erforderliche fachliche Eignung offiziell überprüft und bestätigt worden wäre. Die chemischen Inhalte von Fillern seien nicht besser kontrolliert als eine Flasche Bodenreiniger“, so Keogh. Dementsprechend klare Regelungen fordert nun der Report: standardisierte Kontrollen für sämtliche Aspekte minimal-invasiver Eingriffe – von der Ausbildung und Zertifizierung der Anbieter bis hin zur kompletten Transparenz der Produkte hinsichtlich Herkunft, Substanz und Zulassung. Der Report empfiehlt, dass Filler eines ärztlichen Rezepts bedürfen.

Die British Association of Aesthetic Plastic Surgeons (BAAPS) begrüßte die Empfehlungen des Reports. „Mithilfe dieser Maßnahme können wir drei Fliegen mit einer Klappe schlagen: die Regelung, welche Filler auf den Markt kommen, wer sie injizieren darf und damit automatisch auch ein Werbeverbot“, sagte Rajiv Grover, Präsident der BAAPS (Pressemitteilung online, 24. 4. 2013).

Chirurgische Eingriffe im Bereich der ästhetischen Medizin wie Brustimplantate, Faceliftings oder Bauchdeckenstraffungen machen bis zu 25 Prozent des britischen Marktes bei Schönheitsoperationen aus. Der Markt der minimal-invasiven Eingriffe ist mit 75 Prozent wesentlich höher. Der Umsatz von 720 Millionen Pfund im Jahr 2005 wuchs auf 2,3 Milliarden im Jahr 2010 und soll bis zum Jahr 2015 3,6 Milliarden Pfund betragen, so die Prognose des Marktforschungsinstituts Mintel.

Seit 1. Jänner 2013 ist in Österreich das Bundesgesetz über die Durchführung von ästhetischen Behandlungen und Operationen (ÄsthOpG) in Kraft. Vorrangiges Anliegen des Gesetzgebers war es, Jugendliche zu schützen. Schönheitsoperationen dürfen bei unter 16-Jährigen nicht durchgeführt werden, außer es gibt eine medizinische Indikation. Für die Gruppe der 16- bis 18-Jährigen sind als Schutzmaßnahme vorab eine psychologische Beratung sowie eine Wartefrist zwischen Beratung und Einwilligung vorgesehen. Es wurden verschärfte Werbebeschränkungen erlassen. Maßnahmen zur Qualitätssicherung der verwendeten Produkte werden derzeit auf EU-Ebene geprüft.

Quelle: IMABE-Newsletter Mai 2013
Foto: © Thommy Weiss  / pixelio.de

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Studie: Frauen haben nach Abtreibung erhöhtes Risiko für psychische Erkrankung

Abtreibungsindikation „seelische Gesundheit der Frau“ ist wissenschaftlich nicht haltbar

Die Beendigung einer unerwünschten Schwangerschaft durch Abtreibung reduziert nicht das Risiko für psychische Probleme, sondern erhöht es. Das ist das Ergebnis einer im Australian and New Zealand Journal of Psychiatry erschienenen Studie (2013, 3.4. doi: 10.1177/0004867413484597), die sich mit den Auswirkungen von Abtreibung auf die seelische Gesundheit von Frauen befasste.

Die Frage nach den psychischen Folgen einer Abtreibung bei Frauen wird seit Jahren kontrovers diskutiert. Zu den methodischen Problemen kommt, dass zahlreiche Länder die Tötung des Ungeborenen gesetzlich straffrei stellen, wenn die Geburt eines Kindes einen vorhersehbaren und unabwendbaren „schweren Schaden für die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren“ bedeuten würde. Auch in Österreich besteht diese Indikation, bei der einer Abtreibung sozusagen ein therapeutisches Benefit unterstellt wird (die Abtreibung ist in diesem Fall bis zur Geburt möglich, vgl. StGB § 97 Abs 1, Z.2). Deutschland und Großbritannien haben ähnliche Regelungen. In Großbritannien wurden im Jahr 2011 186.000 von 200.000 Abtreibungen mit dem Hinweis auf den Schutz der psychischen Gesundheit der Frau durchgeführt.

Doch ist dieser „therapeutische Effekt“ auch nachweisbar? In einer Übersichtsstudie untersuchte David M. Fergusson, Direktor des Christchurch Health and Development Study (CHDS) an der University of Otago/Neuseeland den Zusammenhang von Mental Health und Abtreibung in Hinblick auf fünf Kategorien: mögliche Angstzustände, Depressionen, Alkoholmissbrauch, illegaler Drogenkonsum und Suizidalität. Das Team um Fergusson stellte fest, dass eine Abtreibung nicht mit einer Reduktion des Risikos für psychische Probleme assoziiert war. Das Gegenteil war der Fall: Nach erfolgter Abtreibung fanden sich Hinweise auf eine moderate Steigerung des Risikos insbesondere für Alkohol- und Drogenmissbrauch, aber auch für Angst und Suizidgefahr.
Die Ergebnisse bestätigen im Wesentlichen, was die weltweit umfangreichste Meta-Analyse, publiziert im British Journal of Psychiatry (2011; 199: 180-186) bereits 2011 gezeigt hatte: 10 Prozent aller psychischen Probleme bei Frauen stehen in direktem Zusammenhang mit einer Abtreibung (vgl. CMFonline, 1. 11. 2013).

Fergusson weist nachdrücklich darauf hin, dass es keine Hinweise gibt, wonach Abtreibung eine therapeutische Wirkung bei der Verringerung der psychischen Risiken hätte im Vergleich zu Frauen, die ein Kind nach unerwünschter oder ungeplanter Schwangerschaft zur Welt brachten. Es sei daher inakzeptabel für Kliniker, eine große Zahl von Abtreibungen aus Gründen zu genehmigen, für die es derzeit keine wissenschaftlichen Beweise gibt, kritisiert Fergusson, der sich selbst als „Pro Choice“-Atheist bezeichnet und in den vergangenen Jahren zahlreiche Studien über den negativen Effekt von Abtreibung auf die psychische Gesundheit publiziert hat (vgl.IMABE-Jänner 2006 Studie: Abtreibung begünstigt Entstehung von Depressionen).

Quelle: IMABE-Newsletter Mai 2013
Foto: © Gerd Altmann/Shapes:Graphicxtras  / pixelio.de 

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Mental Health: Soziale Probleme werden in Krankheiten umdefiniert

Scharfe Kritik am ab Mai 2013 gültigen neuen Handbuch zur Definition psychischer Erkrankungen

Die Kontroversen rund um die Neuauflage des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, kurz DSM-5, spitzen sich zu. Das neue 1000-Seiten-Nachschlagewerk für Psychiater zur Klassifizierung psychischer Erkrankungen soll bei der Jahrestagung der American Psychiatric Association, die von 18. bis 22. 5. 2013 in San Francisco stattfindet, präsentiert werden.

Der amerikanische Psychiater Allen Frances von der Duke University gilt als einer der schärfsten Kritiker des DSM-5 (vgl. IMABE-März 2012 Psychiatrie: Mediziner warnen vor Erfindung von Pseudo-Krankheiten). Frances hält das neue Handbuch für „schlampig“ und „nicht wissenschaftlich fundiert“. „Eine Petition für eine unabhängige wissenschaftliche Überprüfung, die 56 psychiatrische Organisationen unterstützt hatten, wurde einfach ignoriert“, schreibt Frances im New Scientist (online, 5. 5. 2013). Die Pharmaindustrie habe die Idee vorangetrieben, alltägliche Probleme seien psychische Krankheiten und die Folge eines chemischen Ungleichgewichts. Anstatt sichere Kriterien für den klinischen Alltag zu geben, würden „neue Erkrankungen“ eingeführt, die eine „Traumliste für Forscher“ seien und „ein Albtraum für die Patienten“. Frances kritisiert unter anderem eine zunehmende Uminterpretation normaler menschlicher Gefühle zu schweren psychischen Erkrankungen – etwa Trauer beim Verlust eines geliebten Menschen. Zwei Wochen Traurigkeit, Schlafstörungen und der Verlust von Appetit seien aber völlig normale Anzeichen bei Trauer – und keine depressive Störung, so der Psychiater.

Nun erteilte auch das US-amerikanische National Institute of Mental Health (NIMH) dem neuen Handbuch eine Absage. Man werde sich nicht an die ihrer Ansicht nach unbrauchbare Neu-Klassifizierung von Krankheiten halten, wenn es um die Vergabe von Forschungsgeldern geht, und statt dessen eigenen Nomenklaturen folgen, so NIMH-Direktor Thomas R. Insel in einem offenen Brief (online, 29. 4. 2013). Das Institut vergibt rund 1,5 Milliarden US-Dollar jährlich zur Erforschung psychischer Erkrankungen.

Das DSM-5 beeinflusst maßgeblich den Diagnoseschlüssel der WHO, den ICD-10, der auch für Ärzte und Psychologen in Österreich und Deutschland gilt – und nach dem bestimmt wird, für welche Krankheiten die Krankenkassen eine Therapie zahlen.

Wolfgang Schneider, Direktor der Rostocker Universitätsklinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin, betrachtet die seit den 1990er Jahren stetig steigenden Zahlen von Krankschreibungen wegen psychischer Erkrankungen mit großer Skepsis, berichtet das Deutsche Ärzteblatt (online, 29. 4. 2013) „Es gibt eine große Bereitschaft von Menschen, sich als psychisch belastet anzusehen und sich deswegen krankschreiben zu lassen“, so Schneider. Sie folgten dem medialen Hype um das Burn-Out-Syndrom. „Die Schwelle, ab wann Symptome als Ausdruck einer psychischen Erkrankung bezeichnet werden, sinkt. Die Diagnose einer psychischen Erkrankung wird zu schnell und zu häufig gestellt.“ Dabei würden genaue Analysen zeigen, dass die Zahl von 33 Prozent der Frauen und 25 Prozent der Männer, die innerhalb eines Jahres an einer „etablierten“ psychischen Erkrankung leiden, seit 20 bis 30 Jahren stabil ist. Soziale würden in medizinische Probleme umgewandelt, kritisiert Schneider.

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