Dienstag, 12. April 2011

PID: Warum der Staat kein Recht zur Menschenselektion erteilen darf

Deutscher Bundesverfassungsrichter Böckenförde: „Keine Zeugung auf Probe“

Der ehemalige deutsche Bundesverfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde hat sich in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (online, 15.3.2011) für ein striktes Verbot von Gentests an im Reagenzglas erzeugten Embryonen ausgesprochen. Die Präimplantationsdiagnostik (PID) sei ein Selektionsinstrument und missachte die Würde des Menschen. Es gebe keine „Zeugung auf Probe“, betont der Jurist. Menschliches Leben auszusortieren widerspreche dem deutschen Grundgesetz und der Menschenwürde des Embryos. In seinem Kommentar zeigt der Jurist auf, warum die Straffreiheit der Abtreibung des Kindes bei Behinderung kein Argument für die PID sein kann.

Auch eine Krankheit oder ein genetischer Defekt allein könne niemals Grund genug für eine medizinische Indikation des Schwangerschaftsabbruchs sein. "Die heute verbreitete Praxis ist ein faktischer Missbrauch der Vorschrift", erklärt er mit Bezug auf das Gesetz, das eine körperliche oder seelische Beeinträchtigung der Schwangeren als Voraussetzung für eine Abtreibung benennt. Die Korrektur sollte an einer strengeren Handhabung der Abtreibung von Behinderten und an einer stärkeren Verteidigung des Lebensrechts jedes Menschen ansetzen – statt in der Debatte eine falsche Praxis der Pränataldiagnostik (PND) als Argument für die Rechtfertigung für die PID zu missbrauchen.

Der Jurist warnt weiters davor, die Menschenwürde in „kleine Münze“ auszufalten. Wer eine bestimmte Phase des Lebensprozesses von der Anerkennung und Achtung, die dem Menschen von seiner Würde her geschuldet ist, ausnimmt oder die Würde prozesshaft abzustufen versucht, „reißt ein Loch in die Entwicklung des einzelnen individuellen Menschen selbst“. Die Anerkennung der Würde des Menschen ist an seine Existenz gebunden, nicht an Eigenschaften.

Gegen die PID spreche, dass sie nicht in Gang gesetzt werde, "um den Wunsch nach einem Kind zu erfüllen", sondern, "um den Wunsch nach einem nicht mit bestimmten genetischen Defekten behafteten, insoweit gesunden Kind zu erfüllen". Deutlicher könne nicht zum Ausdruck kommen, dass ein so entstehendes Kind "keinen Anteil an menschlicher Würde, am Dasein um seiner selbst willen hat", analysiert Böckenförde. Über den Embryo werde bei Durchführung der PID wie über eine Sache entschieden, zwischen lebenswert und lebensunwert unterschieden.

Der Deutsche Bundestag wird – nach mehrmaligen Verschiebungen - in dieser Woche erstmals über drei fraktionsübergreifende Gesetzesentwürfe zum Thema PID debattieren. Die PID ist eine ethisch umstrittene Methode, bei der im Reagenzglas erzeugte Embryonen auf Erbkrankheiten hin untersucht werden, bevor sie in den Mutterleib eingepflanzt werden. Embryonen mit vermutetem Risiko auf Erkrankungen werden vernichtet.

Quelle: IMABE-Newsletter April 2011

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