Donnerstag, 17. März 2011

Patientenkommunikation: Schlechte Nachrichten vermitteln

"Leider habe ich keine guten Nachrichten fur Sie...“ Während der Arzt noch nach Worten sucht, ist die Welt für den Patienten zusammengebrochen. Viele Ärzte unterschatzen das. Gute Kommunikation muss im tiefsten Sinn authentisch sein, informieren und dem Patienten emotionale Stabilität geben.

„Unter einer Schock-Diagnose wie etwa Krebs bricht der Patient normalerweise emotional zusammen und ist kognitiv nicht mehr imstande, mehr Informationen aufzunehmen. Nach außen kann er ganz normal wirken, doch die Antennen sind nicht mehr auf Empfang“, erklärt Kommunikationstrainerin Martina Kohlbacher-Hess. Nicht selten beklagen sich die Patienten danach, nicht richtig aufgeklärt worden zu sein. „Bei einem gut geführten Diagnosegespräch können beide profitieren, Arzt und Betroffene“, betont Kohlbacher-Hess. Doch das will gelernt sein.

Ärzte führen im Laufe ihres Berufslebens rund 100.000 medizinische Gespräche mit Patienten. Die Zeit dafür ist in der Regel sehr knapp bemessen. Heute ist klar, welch hohen Stellenwert ein guter Kommunikationsverlauf zwischen Arzt und Patient für die Compliance und den Krankheitsprozess ist.

Mehr Gespräch

Doch nicht jeder Arzt ist von Natur aus ein Kommunikationsgenie. In der technikorientierten modernen Medizin reagieren die Protagonisten erst langsam darauf, dass gute Kommunikation und das Vertrauen zum Arzt einen erheblichen Faktor des Therapieerfolgs ausmachen. Auch Ärzte leiden unter der „Entmenschlichung“ ihrer Profession – der Trend, dass der Einsatz von medizintechnischen Untersuchungen finanziell besser abgegolten wird als die zeitliche Widmung am Patienten, ist leider ungebrochen. Immerhin wurde in der heimischen Medizinerausbildung das Fach Kommunikation vor Kurzem eingeführt.

Dass Ärzte sich bei der Vermittlung von schwierigen Diagnosen kaum eingestehen, selbst emotional betroffen zu sein, sieht Psychologin Kohlbacher-Hess, die auch als Lehrbeauftragte am Zentrum für Management und Qualität im Gesundheitswesen an der UMIT und an der DonauUniversität Krems tätig ist, als einen besonders heiklen Punkt. Die Patienten wünschen sich zunächst vor allem klare Informationen, kein Mitleid oder schonende Aussagen. Kohlbacher-Hess: „Ärzte geben zu, dass sie sich davor fürchten, schlechte Nachrichten überbringen zu müssen. Da kann es passieren, dass man dann den Patienten möglichst schnell wieder draußen haben will. Viele glauben auch, dass mithilfe von Halbwahrheiten Trauerarbeit geleistet werden könne. Das ist allerdings der falsche Weg, der oft zu Überforderung und infolge in ein BurnOut führt.“

Auch Talent benötigt Schulung

Vielfach verfügen Helfer nicht ausreichend über die nötige Erfahrung oder das Wissen, was im Kontakt mit traumatisierten Personen zu tun und besser nicht zu tun ist.

Nach Kohlbacher-Hess’ Erfahrung braucht es mehr Information und Schulung, um sich als Arzt oder Ärztin einfacher Tatsachen aus der Psychologie und der Trauerarbeit bewusst zu werden. Und: Das Erlernen von Techniken alleine genügt dabei nicht, ergänzt die Ethikerin Mag. Susanne Kummer vom Wiener Institut für medizinische Anthropologie und Bioethik (IMABE): „Ein Arzt ist ein guter Arzt, wenn er sich als Mensch gefordert weiß und sich nicht bloß in einer Rolle sieht, die er äußerlich zu erfüllen hat.“ Darin liegt der ethische Anspruch einer guten Kommunikation: „Sie muss im tiefsten Sinn authentisch sein.“ In ihren Seminaren erarbeiten KohlbacherHess und Kummer verschiedene Aspekte der Arzt-Patient-Kommunikation. Wie viel Wahrheit verträgt ein Patient? Eine Antwort lautet: Jede Wahrheit, die Frage ist nur, in welcher Form sie vermittelt wird.

Information stabilisiert

Zum einen braucht der Patient vom Arzt Information in dosierter Form. Das ist die erste Erwartung an den Arzt: Sachinformation. In einer Krise haben Betroffene kaum Zukunftsperspektiven. Da ist Information unheimlich wichtig. Sie stabilisiert. Der Arzt muss sicherstellen, ob der Patient verstanden hat, was ihm gesagt wurde. KohlbacherHess: „Ich höre oft von Patienten Klagen, dass ihnen der Arzt nicht die komplette Diagnose gesagt hat. Das erklärt sich aus einem großen Teil daraus, dass der behandelnde Arzt den emotionalen Schockzustand nicht mitberücksichtig hat.“ Später recherchieren die Betroffenen dann im Internet, anstatt den Arzt direkt zu fragen.

Da könnten schon einfach Dinge helfen, wie etwa nach dem ersten Gespräch zu sagen: „Kommen Sie doch in zwei Tagen wieder, bringen Sie einen Menschen mit, den Sie vertrauen, und dann besprechen wir alles Weitere in Ruhe.“ Es ist außerdem wichtig, die Angehörigen in Krisensituationen mit einzubinden und zu wissen, ob der Patient Begleitung und Stütze hat. Auch sollte der Arzt das Gespräch struktur i e r t führ en, Blickkontakt mit seinem Patienten halten und alle notwendigen Informationen verständlich vermitteln.

Emotionen berücksichtigen

Für den Patienten sind Pausen wichtig. Er muss die Möglichkeit haben, das Gesagte zu verarbeiten und Fragen zu stellen. Durch Gesprächstechniken, die leicht erlernbar sind, kann hier viel Qualität in der Arzt-PatientKommunikation eingebracht werden.

Das zweite wichtige Feld ist das Wissen um den Einfluss von Emotionen und den richtigen Umgang damit. Die Wissenschaft spricht von Gefühlsansteckung (social referenzing), damit ist gemeint, dass Gefühle und Affekte unbewusst übernommen werden, und zwar ohne von Einsicht kontrolliert zu sein. Dieses Phänomen ist gerade bei Helferberufen häufig. „Der Arzt braucht Empathie, aber er braucht auch Abgrenzung. Und vor allem muss er sich klar sein, wo seine Handlungskompetenz zu Ende ist.

Nämlich dort, wo es um die Trauerarbeit des Patienten geht. Die kann ihm niemand abnehmen – auch nicht der Arzt“, erklärt Kummer. Hier heißt es, rechtzeitig CopingStrategien einzusetzen. Was nicht bedeutet, dass Mediziner keine Gefühle zeigen dürfen: „Ein Arzt, der weint, wenn ein Patient, zu dem er eine lange Beziehung hatte, stirbt, ist ein ganz normaler Mensch.“

Quelle: Ärzte-Magazin 04/2011

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