Dienstag, 2. November 2010

Umgang mit Fehlern

Wie sage ich es meinem Patienten? Murphys Gesetz lautet in der bekannten Form: Alles, was schief gehen kann, wird auch schief gehen. Umgelegt auf die Medizin heißt das: Jeder wird früher oder später mit Fehlern und Fehlleistungen konfrontiert.

Ärzte dürfen keine Fehler machen, das haben wir schon in unserer Ausbildung gelernt. Im traditionellen Verhältnis einer Fehler-(Un)Kultur lautet deshalb nicht selten die Devise nach Bekanntwerden eines Fehlers: Besser nichts reden, Vorwürfe zurückweisen und nur noch fragen: Wo ist der Schuldige?

Für den Patienten ist trotz guter Aufklärung das Eintreten eines unerwünschten Ereignisses oft schwer zu verstehen, vor allem dann, wenn ein Schaden offensichtlich wird oder der Verdacht einer Schädigung aufkeimt. Spätestens dann steht die Fehlerkultur der Organisation auf dem Prüfstand.

Die Kommunikation mit dem Patienten

Wenn es im Rahmen einer Institution keine klaren, verbindlichen Definitionen über die verschiedenen, möglichen und unerwünschten Begleiterscheinungen einer Behandlung gibt und wenn keine Einigkeit darüber besteht, welche von diesen mit dem Patienten zu besprechen sind, dann gibt es rasch Probleme. Der Patient erwartet sich den optimalen Verlauf einer Behandlung, der Arzt wiederum geht davon aus, dass der Patient über alle Komplikationen ohnedies Bescheid weiß, und denkt vielleicht im Stillen: Jetzt ist eben eine Komplikation eingetreten, was muss ich da noch viel erklären? Folge ist, dass der Patient nicht ausreichend oder gar nicht informiert wird. Doch er schöpft häufig am Verhalten der Ärzte (der Operateur erscheint vielleicht nicht mehr) und des Pflegepersonals, am komplikationsreichen Genesungsverlauf Verdacht, dass hier etwas schief gelaufen sein muss. Ist das Vertrauensverhältnis erst einmal gestört, ist der Vertrauensverlust meist nicht wieder gut zu machen.

Sechs Kriterien einer patientenorientierten Kommunikation

Damit es nicht so weit kommt, braucht es klare Vorgaben, worin eine adäquate Fehlerkultur besteht und wie sie sich in der Kommunikation mit dem Patienten zeigen muss.

Rasches Handeln
Nach einer raschen, möglichst umfassenden Faktensammlung soll das erste Gespräch frühzeitig, innerhalb der ersten 24 Stunden erfolgen, vorausgesetzt, der Patient ist physisch und psychisch in der Lage, diese Information zu verkraften.

Vertrauen wiederherstellen
Der Patient ist in der Regel bereits verunsichert, er ahnt Schlimmes und ist entsprechend emotional aufgeladen. Es ist verständlich, dass ein vom Patienten vermutetes Ereignis, das nicht angesprochen oder entsprechend erklärt wird, einen starken Anreiz für eine Beschwerde oder Klage darstellt. Ein mitfühlendes und ehrliches Gespräch in geordneter Umgebung ist der erste und so wichtige Schritt, der oft am schwersten fällt.

Den objektiven Schaden minimieren
Hier geht es um die Zusicherung gegenüber dem Patienten, dass alles getan wird, um die Schädigung zu mildern und weitere Schäden zu vermeiden.

Mut zu Wahrheit
Die Angst davor, womöglich einen Behandlungsfehler einzugestehen und mit einer Klage rechnen zu müssen, spielt für den Arzt eine wesentliche Rolle, so dass solche Gespräche unbefriedigend verlaufen können. (Das Eingeständnis eines Fehlers kann zum Ausschluss der Haftpflichtversicherung führen!) Die ersten Erklärungen sollen sich deshalb auf Fakten beschränken: was vorgefallen ist, wie sich das Ereignis auf den Patienten auswirken wird, sowohl unmittelbar als auch hinsichtlich der Prognose. Aber keine Analysen, Vermutungen oder Schuldzuweisungen! Eine offene und ehrliche Kommunikation beinhaltet auch, dass glaubhaftes Bedauern zum Ausdruck gebracht wird.
Wenn es sich jedoch um einen offensichtlichen und eindeutig zuschreibbaren Fehler handelt, muss der Arzt diesen Fehler eingestehen und die Zusicherung abgeben, dass alles getan wird, um lückenlos aufzuklären, warum es zu diesem Fehler gekommen ist.

Bereitschaft für Fehlerwiedergutmachung zeigen
Es ist Aufgabe des Arztes, genauestens darüber zu informieren, wie eine Schadenswiedergutmachung aussehen könnte.

Angehörige mit einbeziehen
Bei Kindern geschieht das selbstverständlich immer, bei Erwachsenen nur nach Rücksprache mit dem Patienten.

Doz. Dr. Titus Gaudernak ist FA für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie in Wien

Quelle: Ärzte Woche 43/2010

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