Public Health: Präventive Medikamente kosten viel und nützen wenig
Forscher kritisieren Mangel an Realitätsbezug der Studienergebnisse
Eine „Entmedikalisierung zugunsten einer Lebensstiländerung“ forderte IMABE-Direktor Johannes Bonelli beim Symposium „Lebensstil und persönliche Verantwortung“ in Wien (siehe „Nachlese“ unten). Es sei Zeit, dass gewissenhafte Schaden-Nutzen-Analysen bei der Einnahme bestimmter weit verbreiteter Medikamenten-Therapien durchgeführt werden. Hier gebe es enormes Einsparungspotential, so der Internist, der dafür im Rahmen des IMABE-Forschungsprojekts S.O.M.® (Bonelli J., Sinnorientierte Medizin) eine eigene Methode entwickelt hat.
Dass Medikamente, die präventiv verordnet werden, in der Realität einen geringen Kosten-Nutzen-Effekt haben, zeigt nun auch eine finnische Studie, berichtet das Deutsche Ärzteblatt (online 4.5.2011) bezüglich der Arzneimittelgruppe der Bisphosphonate. Sie zählt zu den am meisten verabreichten Präventivmedikamenten, um Frakturen auf dem Boden einer Osteoporose vorzubeugen. Die Ergebnisse der im British Medical Journal (April 2011; doi: 10.1136/bmj.d2175) durchgeführten Studie unter der Leitung des Orthopäden Teppo Järvinen vom Universitätsspital in Tampere legen jedoch nahe, dass die tatsächliche Kosten-Nutzen-Relation dieser Medikamente im Alltag anders aussehen kann als in den Studien. Denn die Studienergebnisse weisen nach Meinung der Autoren „einen Mangel an Realitätsbezug“ auf. Faktoren für eine mögliche Verzerrung seien, dass Patienten der klinischen Studien oft sorgfältig für die Studie ausgewählt werden und währenddessen meist eine höhere Zuwendung durch die Betreuer erfahren als im Alltag. Die Wissenschaftler erforschten genauer, wie gut die täglich verordneten Arzneimittel dieser Art im klinischen Alltag tatsächlich sind und setzten eine Studie von 2003, die Daten über 7.411 wegen einer Hüftfraktur operierte Patienten enthält, in Korrelation zur präventiven Medikation. Am Ende ihrer Analyse kamen sie zu der Einschätzung, dass eine Medikation der 1,86 Millionen über 50-jährigen Finnen mit Bisphosphonaten lediglich 343 Frakturen verhindern würde.
Die Autoren meinen, dass es bei präventiv verordneten Medikamenten bislang keine zuverlässigen Daten über deren Kosten-Effektivität unter Alltagsbedingungen gäbe. Sie fordern, dass man solche Medikamente nicht als kosteneffektiv proklamieren sollte, bevor diese nicht in einer adäquaten Alltagssituation getestet wurden.
Quelle: Imabe-Newsletter Juni 2011
Labels: Lebensstil, Medikamente, Prävention, Public Health
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