Dienstag, 11. Februar 2014

Studie: Stammzellen überraschend simpel durch Säure herstellbar

Neue Verjüngungskur bahnt noch einfacheren Weg zu pluripotenten Stammzellen

Stress ist gut – jedenfalls für Körperzellen, bei denen offenbar durch eine Stressreaktion die Umwandlung in den Zustand von Alleskönner-Zellen eingeleitet werden kann. Dies hat nun überraschend ein Team von Forschern aus Japan und Boston entdeckt, in Nature publiziert (2014; 505: 641–647, doi:10.1038/nature12968) und damit einen neuen, noch einfacheren Weg zu den begehrten pluripotenten Stammzellen gebahnt. Diese haben wie embryonale Zellen das Potenzial, zu unterschiedlichsten Sorten von Zellen heranzureifen, etwa als Ersatzmaterial für defektes Gewebe oder kranke Organe. Ihre Gewinnung ist jedoch ethisch unproblematisch, da keine Herstellung oder Zerstörung von Embryonen nötig ist.

Studienleiter Charles Vacanti (Harvard Medical School, Boston) und Haruko Obokata (Riken Center for Developmental Biology in Kobe/Japan) hatten aus diversen Organen neugeborener Mäuse Zellen entnommen und diese für rund 30 Minuten in einer sehr sauren Lösung (pH-Wert 5,4 – 5,8) gebadet. Nach diesem fast tödlichen Medium durften die Zellen in einer physiologischen und somit ihnen „angenehmen“ Lösung weiterwachsen. Ein Fünftel der behandelten Zellen überlebte den Säureschock. Bei einem Drittel von ihnen setzten dann umgehend große Veränderungen in der Zelle ein: Innerhalb weniger Tage wandelten sich die ursprünglich spezialisierten Körperzellen zu pluripotenten Stammzellen, also weitgehend unspezialisierten Zellen, um. Sämtliche von Experten geforderten Tests hätten gezeigt, dass der neue Zelltyp – von Obokata STAP-Zellen (stimulus triggered acquisition of pluripotency) getauft – pluripotent ist. 

Nicht nur das japanisch-amerikanische Team zeigte sich sehr überrascht, dass ein vergleichsweise einfaches Säurebad ausreicht, um spezialisierte Körperzellen in quasiembryonale Zellen umzuwandeln. Vacanti vermutet, dass eine solch drastische Umwandlung vielleicht eine natürliche Reaktion von Zellen auf einen fast tödlichen Schock sein könnte. Daher will er nun weitere Schockbehandlungen austesten, berichtet die Neue Zürcher Zeitung (online, 29. 1. 2014). Bisher gelang eine derartige Reprogrammierung nur mit vergleichsweise einschneidenden Eingriffen. Zur Herstellung sogenannter iPS-Zellen musste das interne Kommunikationsnetzwerk einer spezialisierten Zelle deutlich verändert werden. Ob die offenbar wesentlich einfacher herstellbaren pluripotenten Stammzellen auch im Rahmen klinischer Therapien einsetzbar sind, muss sich erst noch zeigen. 

In den USA zeigt sich bereits eine klare Wende in der Finanzierung der Stammzellforschung – weg von der ethisch nicht akzeptablen Methode der Zerstörung von Embryonen hin zu alternativen und wissenschaftlich aussichtsreicheren Verfahren (vgl. Forschung: USA lenken ein und fördern „ethisch saubere“ Stammzellforschung).

Foto: Screenshot Neue Zürcher Zeitung

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