OECD-Bericht: Österreich weltweit im Spitzenfeld von Knie- und Hüftoperationen
Experten kritisieren Trend zur Operation im Vergleich zu konservativen Therapien
Künstliche Implantate zum Ersatz
Arthrose-geschädigter Gelenke verbessern die Lebensqualität vieler
Patienten und sind aus der modernen Medizin nicht wegzudenken. Der
rasante Anstieg entsprechender Operationen wird in etlichen Ländern
jedoch auch kritisch gesehen.
Österreich nimmt mit 218 Operationen für künstliche Kniegelenke pro 100.000 Einwohner laut jüngstem OECD-Gesundheitsreport Health at a Glance 2013 (OECD Indicators DOI:10.1787/health_glance-2013-en)
weltweit den Spitzenplatz ein, dicht gefolgt von Deutschland (207)
und der Schweiz (205). Der OECD-Durchschnitt liegt bei 129 (DOI:10.1787/health_glance-2013-graph85-en).
Zum Vergleich: In Italien liegt die Zahl bei 98 künstlichen
Kniegelenken pro 100.000 Einwohner, in Polen bei 22, in Mexiko nur bei
3,5.
Werden Patienten möglicherweise auch aus
ökonomischen Gründen überbehandelt, gestützt durch ein System der
„falschen finanziellen Anreize, ein Ausreizen der Abrechnungssysteme,
aber auch Anspruchsdenken“, wie das Europäische Gesundheitsforum Gastein 2011 (Gesundheitswesen: Ökonomische Zwänge contra Patientenwohl?) kritisierte?
In Deutschland wird diese Frage ebenfalls intensiv debattiert. Bernard Braun, Gesundheitswissenschaftler am Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen, untersuchte nun die Daten des Gesundheitsreports der gesetzlichen Handelskrankenkasse (hkk-Gesundheitsreport 2013)
in Deutschland. Die Zahl der Operationen für künstliche Hüft- und
Knieimplantate stieg demnach zwischen 2008 und 2012 um 21 bzw. 24,5
Prozent, ebenso die Revisionen und das Wechseln von Prothesen: bei
Hüft-Endoprothesen ein Anstieg von 75 Prozent, bei Knie-Endoprothesen
um 45 Prozent. Prothesen müssen nach rund 15 Jahren gewechselt werden,
damit steigt die Zahl der Operationen automatisch mit wachsendem
Patientengut.
Ein kritischer Punkt für Braun ist die relativ
geringe Inanspruchnahme von konservativen Methoden im Vorfeld, aber
auch in der Nachbetreuung der Patienten (vgl. Forum Gesundheitspolitik, online, 1. 1. 2014):
Dazu zählen etwa Muskelaufbau, Bewegungssport, Gewichtsabnahme zur
Gelenksentlastung, die laut jüngsten Studien deutliche
Schmerzentlastung bringen. Braun vermutet hier „eine Unter- und
Fehlversorgung“. Auffällig sei, dass laut hkk-Daten die Patienten auch 6
Monate nach der Operation offensichtlich – gemessen an der
Verordnung von Opioden – starke Schmerzen und Bewegungsprobleme
haben. Der Gesundheitswissenschaftler fordert deshalb, dass an Arthrose
erkrankte Patienten über konservative Behandlungsmöglichkeiten und
die realistischen Erfolge einer Operation besser informiert werden.
Quelle: IMABE-Newsletter Jänner 2014
Labels: Hüfte, Knie, Kritik, OECD, Operation, Österreich, Therapie
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