Euthanasie: Palliativmediziner gegen ärztliche Suizidassistenz in Österreich
WHO-Richtlinien warnen vor positiver Darstellung des Suizids in den Medien
„Gesunde unterschätzen die Kraft der Kranken, die 
fast ausnahmslos  trotz allem leben wollen“,   betont Herbert Watzke, 
Leiter der Klinischen Abteilung für Palliativmedizin an der Medizinischen   Universität Wien. In einem Presse-Streitgespräch (vgl. Die Presse, online, 10. 1. 2014)
  mit dem Philosophen Peter Kampits, Euthanasie-Befürworter und Mitglied
    der Bioethikkommission, warnt er vor einer Einführung der aktiven  
Sterbehilfe, die Ärzte zu   „Handlangern“ von Suizidwilligen  
umfunktionieren würde (vgl. auch Gastkommentar von IMABE-Direktor  
Johannes Bonelli, Die Presse, online, 17. 12. 2013).
  Als   Palliativmediziner bekennt sich Watzke zum maximalen Einsatz  
schmerzlindernder Medikamente am   Lebensende, auch wenn diese Maßnahmen
  lebensverkürzend wirken. Kritisch äußert sich der Mediziner   zu einer
  Umfrage, wonach 62 Prozent der Österreicher für aktive Sterbehilfe 
seien  (vgl. Umfrage:   Tötung durch Spritze für 62 Prozent der Österreicher kein Tabu).
  Angesichts der tendenziösen Frageformulierungen, in der keine Rede von
  einer   Schmerztherapie angesichts „unerträglicher Schmerzen am  
Lebensende“ die Rede war, hätte auch er   wohl mit „Ja“ geantwortet. 
In Österreich ist Tötung auf Verlangen mit einem 
Strafrahmen von  sechs Monaten bis zu fünf   Jahren verboten. Dieses 
Verbot sollte  zusätzlich in der Verfassung verankert werden, damit   
künftig für eine  Änderung eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig wäre, 
forderte die ÖVP. SPÖ  und Grüne   stellen sich quer. Im 
Regierungsprogramm kam es zu keiner  Übereinkunft, allerdings soll eine 
  Enquete-Kommission zu Fragen rund  um eine verbesserte 
Palliativmedizin und Sterbehilfe eingesetzt    werden. 
Eine Verankerung des Verbots von Tötung auf 
Verlangen hält Watzke  angesichts der Entwicklung   in vielen anderen 
europäischen Ländern für  sinnvoll. Als Beispiel seien Belgien und die  
 Niederlande genannt, wo  nicht nur assistierter Suizid, sondern auch 
die Tötung von Neugeborenen,    Dementen oder Depressiven möglich ist – 
auch ohne deren Einwilligung,  wie eine Studie zeigt: In   32 Prozent 
aller Euthanasie-Todesfälle in  der flämischen Region Belgiens handelten
 die Ärzte ohne   ausdrücklichen  Willen des Patienten (vgl. Canadian Medical Association Journal,   DOI:10.1503/cmaj.091876).
    Zahlreiche Studien bestätigen die Aussagen des Palliativmediziners, 
 wonach mit Todesnähe die   Zustimmung von Schwerstkranken sogar zu  
Intensiv- Behandlungen wächst (vgl. Studie: Mit Todesnähe   wächst Zustimmung zu Intensivbehandlung) aber auch   rechtzeitige Gespräche über das Lebensende zu einem Loslassen von überzogenen Therapieforderungen   führen (vgl. Studie: Positiver Effekt durch Gespräche übers Lebensende bei Terminalpatienten). 
Wenn Prominente heute Beihilfe zum Selbstmord in 
Anspruch nehmen,  würden Medien geradezu   euphorisch von einem 
„würdevollen“ und  selbstbestimmten Tod berichten, obwohl Studien klar  
 belegen, dass dies  bei gefährdeten Menschen einen Nachahmungseffekt 
auslösen kann (sog.    „Werther-Effekt“). Aus diesem Grund hat die WHO 
im Jahr 2008 eigene Richtlinien zur Darstellung   von Suizid in Medien
  erlassen. Sie fordert darin   Medienschaffende auf, sowohl eine  
„Sensationssprache“ als auch „normalisierende Darstellung von    
Selbstmord als Lösung für Probleme“ zu vermeiden, ebenso eine  
„prominente Platzierung von   Geschichten über Selbstmord“ sowie eine  
„explizite Beschreibung der verwendeten Methode“.   Besondere  
Zurückhaltung sollte bei der Berichterstattung über Promi-Selbstmorde  
geübt werden.   Umgekehrt können Medien auch einen suizidprotektiven  
Effekt haben (vgl. British Journal of   Psychiatry 2010; 197: 234-243),
  etwa durch Berichte   über Betroffene, die Krisensituationen  
konstruktiv und ohne suizidales Verhalten bewältigen   konnten  
(„Papageno-Effekt“).
Quelle: IMABE-Newsletter Jänner 2014
Foto:  © Jens Goetzke / PIXELIO
Labels: Assistierter Suizid, Euthanasie, Österreich, Palliativmedizin, Suizid, WHO




0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]
<< Startseite