Reproduktionsmedizin: Britische Behörde warnt vor riskantem Einsatz der ICSI-Methode
Gesundheitsrisiken bei IVF-Kindern höher als bei natürlich gezeugten Kindern
Kinder, die nach einer künstlichen Befruchtung
geboren werden, haben später höhere gesundheitliche Risiken. Davor
warnen zahlreiche Studien der vergangenen Jahre (vgl. IMABE, 2012: Studie: Höhere Fehlbildungsrate bei IVF-Kindern belegt). Insbesondere scheint das Verfahren der intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) dafür anfällig zu sein.
Statt das Verfahren wegen seiner höheren Kosten und
bekannten Nebenwirkungen restriktiv auf die indizierten Fälle
anzuwenden, wird ICSI als „bessere“ Methode von Ärzten in
Fruchtbarkeitskliniken angeraten und durchgeführt, kritisiert Lisa
Jardine, Vorsitzende der Human Fertilisation and Embryology Authority (HFEA), der obersten Regulierungsbehörde für Fortpflanzungsmedizin in Großbritannien (vgl. The Independent, online, 3. 11. 2013).
Sie warnt davor, dass Ärzte unfruchtbaren Paaren falsche Hoffnungen
machen und ihnen ICSI als quasi Rettungsanker nach vielen Fehlversuchen
an. Nach Angaben der HFEA wird in 20% der IVF-Zyklen ICSI für
„unerklärliche“ Gründe der Unfruchtbarkeit verwendet.
ICSI ist eine Variante der künstlichen Befruchtung,
bei der ein Spermium direkt ins Zytoplasma der Eizelle injiziert wird
(statt eines von vielen auf natürlichem Weg eindringen zu lassen),
häufig deshalb, weil eine schlechte Spermienqualität oder andere Gründe
männlicher Unfruchtbarkeit vorliegen. Allerdings zeige bislang keine
Studie, so Steven Fleming, Director of Assisted Conception Australia, dass ICSI tatsächlich gegenüber anderen IVF-Verfahren bei männlicher Unfruchtbarkeit einen Vorteil gebracht hätte (vgl. Bionews, online, 11. 11. 2013).
Jardine betont ebenfalls, dass die Erfolgsquote für Paare, die über
das ICSI-Verfahren versuchen, ein Kind zu bekommen, „entmutigend“ sei.
Heute wisse man außerdem, dass Buben, die nach ICSI geboren werden,
ein erhöhtes Risiko für eine niedrige Spermienzahl haben.
Jardine sieht hinter dem vermehrten Einsatz der
Methode nicht das Wohl der Patienten als Grund, sondern weil sich
Embryonen leichter herstellen lassen und Ärzte offenbar den Frauen eine
größere Chance auf eine Lebendgeburt in Aussicht stellen, zugleich
aber die Nebenwirkungen und potenziellen Risiken für das Kind, falls
es geboren wird, verschweigen. IVF-Experten fordern nun, dass die
Gesundheit des Kindes stärker im Fokus liegen müsse als der Wunsch des
Paares, ein Kind zu bekommen. Auch ökonomische Interessen – eine ICSI
bringt mehr Geld ein als ein normales IVF- Verfahren – dürften nicht
zu Lasten der Kinder oder Paare fallen.
Erst das Verfahren der künstlichen Befruchtung habe
es überhaupt ermöglicht, den „Embryo zu einem Produkt der
Fortpflanzungsindustrie“ zu machen und „Kinderwunsch zu einem
Geschäftsmodell zu entwickeln“, erklärt Susanne Kummer,
IMABE-Geschäftsführerin angesichts der Debatte in Großbritannien. „Es
ist erschreckend zu sehen, wie der Markt der Reproduktionsmedizin
Embryonen immer mehr zu einem Mittel zum Zweck degradiert und das
Wohl des Kindes offenbar zweitrangig ist“, kritisiert Ethikerin
Kummer.
Quelle: IMABE-Newsletter November 2013
Labels: Gesundheitsrisiken, Großbritannien, ICSI, IVF, Reproduktionsmedizin
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]
<< Startseite