Großbritannien: Genderzid und Spätabtreibung von Behinderten sind diskriminierend
Politiker quer durch die Parteien fordern Überdenken der Abtreibungspraxis
In Großbritannien wachsen überparteiliche Bündnisse,
die aus Anti-Diskriminierungsgründen eine Neuregelung des Gesetzes zum
Schwangerschaftsabbruch fordern. Anlass sind vermehrte Fälle von
Spätabtreibungen von behinderten Kindern sowie das Bekanntwerden der
gezielten Abtreibung von Mädchen. Dies führt nun offenbar zu einem
kritischen Umdenken auf überparteilicher Ebene.
Das britische Abtreibungsgesetz (Abortion Act)
stammt aus dem Jahr 1967 und erlaubt den Schwangerschaftsabbruch bis
zur 24. Schwangerschaftswoche (6. Monat). Bei Behinderung des Kindes
oder Gefahr für die „mentale oder körperliche Gesundheit“ der Mutter ist
die Tötung des Ungeborenen bis zur Geburt legal. Eine Abtreibung allein
aufgrund des Geschlechts ist verboten. Im Februar 2012 wurde bekannt,
dass in der Praxis diese Gesetze umgangen wurden. Es wurde eine
lückenlose Aufklärung gefordert (vgl. IMABE-Newsletter April 2012: „Großbritannien: Skandale um Abtreibungspraxis brechen nicht ab“).
Das Verfahren gegen zwei Ärzte, die zugegeben
hatten, sich auf Wunsch der Eltern bereit erklärt zu haben, eine
Abtreibung allein aufgrund des Geschlechts (Genderzid) durchzuführen,
wurde nun jedoch von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Begründung: Es
gebe „kein öffentliches Interesse“ an der Verfolgung der Taten. Dagegen
protestierten nun 50 britische Abgeordnete verschiedenster politischer
Lager in einem offenen Brief. Sie hätten zwar sehr unterschiedliche
Meinungen über die Abtreibung. Geeint seien sie aber „in der Besorgnis“
über die Entscheidung der Staatsanwaltschaft. Wenn die gezielte Tötung
weiblicher Föten nicht strafrechtlich verfolgt würde, wäre das „ein
Schritt zurück im Kampf um die Gleichstellung der Geschlechter“, so die
Abgeordneten. Genderzid, also die geschlechtsspezifische Abtreibung, sei
„illegal“ und „verfassungswidrig“ (vgl. The Telegraph, online, 17. 9. 2013).
Gegenwind bekommen die Abgeordneten von der Leiterin der größten
Abtreibungsklinikkette in Großbritannien, Ann Furedi. Sie verteidigt die
geschlechtsspezifische Abtreibung als ein Recht der Frau. Ärzte würden
im Falle der Verweigerung eines Schwangerschaftsabbruchs bei
Geschlechterwunsch die „mentale Gesundheit“ der Frau gefährden (The Daily Telegraph, online, 18. 9. 2013).
Auch die Änderung der Praxis von Spätabtreibungen
bei Behinderung war Anlass für ein überparteiliches Bündnis. Eine
parlamentarische Kommission aus Vertretern der Konservativen, der
Labour-Partei und der Liberaldemokraten warnte in einem Bericht vor
einer „eugenischen Mentalität“, die „nicht zu einer zivilisierten
Gesellschaft“ passe. Die Regeln, nach denen Ärzte darüber entscheiden,
worin ein „erhebliches Risiko“ für eine „schwere Behinderung“ besteht,
seien „zufällig“, ohne klare gesetzliche Definition. Eltern würden zur
Abtreibung gedrängt, ohne Information über Alternativen. „Angesichts der
Veränderungen im nationalen und internationalen Recht und der
gesellschaftlichen Einstellungen, die in den vergangenen Jahren den
Blick auf Behinderung verändert haben, empfehlen wir, dass das Parlament
die Frage der Abtreibung bei Behinderung neu bewertet“ (vgl. The Daily Telegraph, online, 17. 7. 2013), fordert die Kommission.
Seit 2011 muss das britische Gesundheitsministerium
die medizinischen Gründe für Spätabtreibungen offenlegen. Im Zeitraum
zwischen 2002 und 2010 wurden rund 18.000 ungeborene Kinder nach dem
Präntalscreening wegen Verdachts auf Behinderung abgetrieben – darunter
fanden sich Indikationen wie Verdacht auf Klumpfuß, Hasenscharte oder
Downsyndrom. Die Zahl der Fälle, in denen Ärzte eine Abtreibung bis zum
9. Monat (bzw. 40. SSW) genehmigten, wird mit 2.700 Fällen pro Jahr
angegeben.
Auch in Österreich hatten jüngst Ärzte der Innsbrucker Universitätsklinik besorgt auf die steigende Zahl von Abtreibungen bei Kindern mit Fehlbildungen hingewiesen (vgl. Der Standard, online, 25. 9. 2013).
Der Leidensdruck, der durch angeborene Fehlbildungen entsteht, sei bei
den Eltern viel größer als bei den Kindern selbst. Diese seien oft
„fröhlich und zufrieden“ und kämen „in fast allen Fällen mit ihrer
Fehlbildung sehr gut zurecht“, so die auf die Korrektur von
Fehlbildungen spezialisierten Innsbrucker Chirurgen.
Weiterführende Literatur:
Genderzid: Gezielte Abtreibung von Mädchen – ein weltweites Problem, S. Kummer, in: Imago Hominis (2013); 20(1): 10-12
Pränatale Diagnostik (IMABE-INFO Juli 2013)
Genderzid: Gezielte Abtreibung von Mädchen – ein weltweites Problem, S. Kummer, in: Imago Hominis (2013); 20(1): 10-12
Pränatale Diagnostik (IMABE-INFO Juli 2013)
Quelle: IMABE-Newsletter Oktober 2013
Foto: Lara Dengs / pixelio.de
Labels: Abtreibung, Diskriminierung, Genderzid, Großbritannien, Politiker, Spätabtreibung
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