Studie: Keine Patientenaufklärung über mögliche Fehldiagnosen bei Screenings
80 Prozent wollen mehr Information, wenngleich die Mehrheit trotz potentiellem Schaden das Service nutzen wollen
Die Sinnhaftigkeit von flächendeckenden Vorsorge-
bzw. Screening-Untersuchungen wird in den letzten Jahrzehnten
angesichts der Datenlage kontroversiell diskutiert (vgl. IMABE, 2011: Studie: Erwartungen in Nutzen von Vorsorgeuntersuchungen häufig überzogen; IMABE, 2012: Prävention: Nutzen von Mammographie-Screening fraglich).
So kommen laut Studien auf eine vor dem Brustkrebstod bewahrte Frau
etwa zehn überdiagnostizierte und überbehandelte Frauen. Falsch
positive Befunde für Krebs führen zu hohen Kosten durch unnötige
Therapien – Operationen, Chemotherapien usw. – und lösen bei den
Betroffenen große psychische Belastungen aus.
Über das Risiko von Überdiagnose und Überbehandlung
würden Patienten jedoch nicht von Ärzten aufgeklärt. Zu diesem
Ergebnis kommt eine aktuelle, in JAMA Internal Medicine publizierte Studie (doi:10.1001/jamainternmed.2013.10363).
„Überdiagnose ist das Auffinden von Pseudokrebs.
Damit sind Gewebeveränderungen gemeint, die der pathologischen
Definition von Krebs genügen, jedoch nie zu einem Tumor voranschreiten,
der Symptome verursacht oder gar tödlich ist“, sagt Odette Wegwarth,
die gemeinsam mit Gerd Gigerenzer vom Harding Zentrum für Risikokompetenz am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin die Studie geleitet hat.
Befragt wurden insgesamt 317 US-amerikanische Frauen
und Männer im Alter von 50 bis 69 Jahren – jene Altersgruppe, die
Krebsfrüherkennung am häufigsten nutzt. 83% der Befragten gaben an,
eine oder mehrere Krebsfrüherkennungsmaßnahmen regelmäßig zu nutzen,
davon wären aber nur neun Prozent von ihrem Arzt über Überdiagnose
und Überbehandlung im Vorfeld informiert worden. Der Wunsch nach
Information sei aber offensichtlich da: 80% der Befragten gab an, über
mögliche Schäden informiert werden zu wollen – und zwar bevor sie
sich einem Früherkennungsverfahren unterziehen.
Wenig rational erscheint es allerdings, dass dennoch
die Mehrheit der Befragten nicht auf eine Krebsfrüherkennung
verzichten würde. Aus der Perspektive der Patienten, die in dieser
Situation emotional verwundbar sind, ist dieses Verhalten durchaus
verständlich, erklärt Johannes Bonelli, IMABE-Direktor und Internist.
Die Studie bestätige den seit langem bekannten Nachholbedarf in der
Risikokommunikation und Schulung von Ärzten, damit sie selbst
Statistiken richtig verstehen und Patienten gut beraten können.
Quelle: IMABE-Newsletter November 2013
Labels: ärztliche Aufklärung, Fehldiagnosen, Krebs, Patient, Screening
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