Forschung: Wissenschaftselite will mehr Qualität und weniger Forschungsmüll
Nobelpreisträger Schekman fordert zum Boykott der „Luxusmagazine“ Nature und Science auf
Im Forschungsbetrieb wird zu viel Unwichtiges
produziert, die Anreizsysteme von Forschungseinrichtungen und
Instituten seien oft unsinnig, Geld werde verschleudert und
schließlich Patienten geschädigt: Wissenschaftler sind bereit, darunter
auch Nobelpreisträger, öffentlich zu thematisieren, dass hier
offenbar etwas falsch läuft.
Der Biologe Randy Schekman, Medizinnobelpreisträger
von 2013, nutzte seine Auszeichnung, um den laufenden
Wissenschaftsbetrieb scharf zu attackieren. „Die Tyrannei der
Luxusmagazine muss gebrochen werden“, so Schekman in einem
Gastkommentar in The Guardian (online, 9. 12. 2013). Er richtete sich gegen die großen Journals wie Science, Nature und Cell.
Der Druck, in diesen Magazinen zu publizieren, verleite dazu, eher
angesagter statt wirklich wichtiger Forschung nachzugehen. Die
Chefredakteure seien „keine Wissenschaftler, sondern Fachleute, die
Furore machenden Studien den Vorzug geben und dabei so restriktiv
vorgehen wie Modedesigner bei Limited- Edition-Handtaschen“, sagte
Schekman. Er selbst und seine Kollegen würden ab sofort nicht mehr in
diesen Journals veröffentlichen und riefen alle Forscher zum Boykott
auf.
The Lancet hat die Debatte um die Zukunft des Wissenschaftsbetriebs im Jänner 2014 in einem einzigartigen Dossier unter dem Titel Research: increasing value, reducing waste
nun aufgegriffen. Die Autoren legen dar, wie die Qualität in der
Forschung verbessert und Verschwendung verringert werden kann How should medical science change? (dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(13)62678-1),
und zeigen auf, welche ökonomischen, politischen, sozialen und
kulturellen Faktoren eine zentrale Rolle in der Vergabe von
Forschungsgeldern spielen, wobei der Nutzen für den Patienten dabei
immer mehr ins Hintertreffen gerät (doi:10.1016/S0140-6736(13)62329-6). Die Debatte hat Spiegel online (8. 1. 2014) ausführlich dokumentiert und mit weiterführenden Links versehen.
Nobelpreisträger Schekman hatte auch am System des
sogenannten Impact Factors – die Qualität eines Journals wird daran
bemessen, wie oft seine Veröffentlichungen zitiert werden – kein gutes
Haar gelassen: „Eine Arbeit kann zitiert werden, weil sie gut ist,
oder aber weil sie provokativ, auffallend oder falsch ist“,
kritisiert der Biologe. Als Alternative favorisiert er das Modell der
Open-Access Magazine (wie das von ihm mit-herausgegebene eLife
Journal). Sie erlauben den kostenfreien Zugang zu wissenschaftlicher
Literatur und würden unter Einhaltung aller notwendigen
Qualitätskriterien fairer publizieren, da sie eine größere Anzahl an
Artikeln veröffentlichen können als die Luxusmagazine und nicht auf
Abonnenteneinnahmen angewiesen sind.
Inzwischen ist auch im British Medical Journal (2014; 348: g171)
eine Debatte losgetreten worden, ob medizinische Journals
pharmagesponserte Studien in Zukunft überhaupt noch veröffentlichen
sollen (vgl. Deutsches Ärzteblatt, online, 21. 1. 2014).
Quelle: Imabe-Newsletter Februar 2014
Foto: © Guenter Hamich / pixelio.de
Labels: Forschung, Wissenschaft
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