Montag, 17. Januar 2011

"Im ersten Moment war die Diagnose niederschmetternd"

Familie Bonfert entschied sich für ihr behindertes Kind.

St. Pölten. "Wenn mir Leon nach einem anstrengenden Arbeitstag beim Nachhausekommen in die Arme läuft und ,Papa‘ ruft, geht jedes Mal die Sonne auf", erzählt Christian Bonfert und setzt etwas nachdenklich, aber auch glücklich nach: "Das wird vermutlich länger als bei unseren anderen Kindern so bleiben." Leon ist sein vierjähriger Sohn. Der Jüngste einer fünfköpfigen Kinderschar hat einen blonden Wuschelkopf – und Trisomie 21, das Down-Syndrom. Obwohl Bonfert und seine Frau Manuela bereits in der 12. Schwangerschaftswoche wussten, dass ihr Kind vermutlich behindert ist, haben sie sich dafür entschieden. Und es "der Natur überlassen, ob es abgehen oder leben soll."

"Natürlich war die Dia-gnose niederschmetternd", so der Vater, "vor allem, weil bei der ersten Untersuchung noch alles in Ordnung war." Der Verdacht auf Trisomie 21, der auf einem Screening und einer Plazentabiopsie im Wiener AKH basierte, wurde dem Paar im Beisein einer Psychologin mitgeteilt. "Die Ärzte sagten uns, dass wir bis zur 21. Woche Zeit hätten, uns zu entscheiden – und rieten uns unterschwellig zur Abtreibung."

Hofften, dass Ärzte irren

Auch die Bonferts plagten vorerst Zweifel. Würde durch ein Kind mit Down-Syndrom, das intensiverer Betreuung bedarf, der restliche Nachwuchs zu kurz kommen? Wer kümmert sich, wenn die Eltern nicht mehr können? Und vor allem: Wie läuft ein Leben mit einem Kind mit Behinderung überhaupt ab? "Daneben war da freilich noch die tiefe Hoffnung, dass die Ärzte sich geirrt haben", sagt der Vater. Denn der Rest-Unsicherheit einer pränatalen Diagnostik sei er sich stets bewusst gewesen.

Doch schon das Gespräch mit den anderen Kindern, das noch in der Nacht nach der Diagnose erfolgte, gab den Eltern Mut. "Sie haben uns aufgefangen, sodass schnell klar war, dass das Baby nicht abgetrieben werden soll", meint Christian Bonfert. "Eigentlich war das ja von Anfang an mein Grundgedanke: Mein Kind zu nehmen, wie es ist", fügt seine Frau hinzu. Als Leon dann zur Welt kam, seien sie überglücklich gewesen – und vor allem froh, dass er keine organischen Schäden hatte, wie es bei Kindern mit Down-Syndrom oft der Fall ist.

Seit damals sind vier Jahre vergangen, und Leon besucht den Kindergarten in seiner Heimatgemeinde Alland in Niederösterreich. Hier ist er in einer Integrationsgruppe mit 14 Kindern, von denen drei einen besonderen Betreuungsbedarf haben. Leon sei sehr beliebt – mit zunehmendem Alter merke der Vater jedoch, "dass vor allem im kognitiven Bereich der Abstand zu den anderen immer größer wird." Daher soll Leon später keine Integrationsklasse, sondern eine private Sonderschule in Wien-Liesing besuchen.

In derselben Schule wird gerade seine Mutter, die 46 Jahre alt ist, zur Lehrerin ausgebildet. Dass Leon Trisomie 21 hat, war die Initialzündung, dass sie außerdem die Ausbildung zur psychosozialen Gesundheitstrainerin für Kinder mit körperlichen und geistigen Behinderungen absolviert hat. Der 50-jährige Vater ist selbständig.

Für Leon beziehen die Eltern die erhöhte Kinderbeihilfe, außerdem gab es eine Förderung vom Land. Dass anderen Eltern die Entscheidung für ein behindertes Kind allein aus finanziellen Gründen nicht so leicht gefallen wäre, ist den Bonferts bewusst. "Ich hätte vermutlich anders entschieden, wenn ich 25 Jahre alt und Leon unser erstes Kind gewesen wäre", meint der Vater. Nicht zuletzt deshalb, weil viele Beziehungen durch ein Kind mit Behinderung in Brüche gingen.

Die Frage "Warum trifft es gerade uns?" sei freilich auch ihm schon in den Kopf geschossen. Sobald Christian Bonfert seinen Sohn ansieht, sei ihm allerdings klar, dass er sich heute wie damals für sein Kind entscheiden würde.

Quelle: Wiener Zeitung vom 14. Jänner 2011

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