Euthanasie: Wie autonom sind Suizidwillige, Neugeborene und Demente?
 Freiburger Medizinethiker Maio fordert Trendumkehr zu einer „Kultur des Beistands und der Sorge“
Freiburger Medizinethiker Maio fordert Trendumkehr zu einer „Kultur des Beistands und der Sorge“Vor 10 Jahren hatten die Niederlande als erstes Land weltweit die aktive Sterbehilfe legalisiert. Seit 1 März 2012 bieten in Holland auch „ambulante Todesteams“ ihre Dienste an, ebenso wurde die erste „Euthanasie-Klinik“ des Landes eröffnet – scharf kritisiert von Ärzten der Königlichen Niederländischen Ärztevereinigung (KNMG), die die Arzt-Patienten-Beziehung fundamental gefährdet sehen (vgl. IMABE-Newsletter Februar 2012). Der Antrag der Lobby-Gruppe Right to Die in den Niederlanden, die ein „Recht auf Selbsttötung“ für alle Menschen ab 70 Jahre einforderte – egal, ob diese gesund oder krank sind – wurde nun aber im Oberhaus des niederländischen Parlaments mit breiter Mehrheit abgelehnt (vgl. Europa-Online 9.3.2012).
In Belgien gilt Euthanasie ebenfalls seit 2002 als  unter bestimmten  Bedingungen straffrei, inzwischen wird sie auch bei  Neugeborenen und Depressiven  angewandt. Die Zahl der Euthanasiefälle  bei dementen oder komatösen Patienten –  auch ohne deren Einwilligung –  nehmen laut Studien zu (vgl. IMABE-Newsletter  Juni 2010: Belgien:  Euthanasie häufig ohne Zustimmung des Patienten).
In der Schweiz, wo der assistierte Suizid erlaubt ist, setzen immer mehr  Sterbewillige auf Suizidhilfe. Das Schweizer Bundesamt für Statistik   legte nun erstmals einen Bericht über den assistierten Suizid aus den  Jahren  1998 bis 2009 vor. Demnach stieg die Zahl der Personen, die  begleiteten  Selbstmord in Anspruch nahmen, von weniger als 50 im Jahr  1998 auf knapp 300 im  Jahr 2009 an. Dabei kamen auf 1000 Todesfälle 4,8  begleitete Suizide, berichtet  die NZZ (online  27.3.2012). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte  (EGMR)  hatte in einem Streit um Beihilfe zum Suizid klar entschieden,  dass der Staat  nicht zu Selbstmord-Beihilfe verpflichtet ist (vgl.  IMABE-Newsletter Jänner  2011: Kein Recht auf  Suizid, sagt Europäischer Menschengerichtshof).
Angesichts der „trügerischen Autonomie“ plädiert der Freiburger  Medizinethiker Giovanni Maio in Die Welt (online,  27.3.2012)  für eine Trendumkehr, in der eine „Kultur des Beistands“ und „der   Sorge“ gestärkt werden solle. Wenn Prominente heute Beihilfe zum  Selbstmord in  Anspruch nehmen, würden Medien geradezu euphorisch von  einem „würdevollen“ und  selbstbestimmten Tod berichten. Hinter diesem  „Pathos der Freiheit“, der die  Entscheidung zum Suizid als Ausdruck der  Autonomie abfeiert, stecke Angst,  Verdrängung und Leugnung, dass es  zum Wesen des Menschen gehöre, lebenslang auf  die Hilfe Dritter  angewiesen zu sein, so Maio, selbst Arzt. Die Erfahrung von   Hospizbegleitern und Palliativmedizinern zeige, dass sehr Kranke  „Zuversicht,  Trost und neue Perspektiven“ durch andere brauchen – und  nicht Unterstützung zum  Selbstmord.
Dass terminale Sedierung keine Euthanasie darstellt, legt  IMABE-Geschäftsführer Enrique Prat in einem Kommentar in der  Österreichischen Ärztezeitung (online  25.3.2012)  differenziert dar. Sedierung zur Schmerzlinderung am Lebensende  kann  ethisch gerechtfertigt sein, auch dann, wenn diese Maßnahmen den   Sterbeprozess geringfügig verkürzen können. Zum Loslassen am Ende des  Lebens  gehöre aus medizinischer Sicht auch, dass man „auf sinnwidrige  Maßnahmen  verzichten darf und soll“, so Prat.
Quelle: IMABE-Newsletter 2012
Labels: Assistierter Suizid, Autonomie, Demenz, Euthanasie, Neugeborene



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