Studie: Epigenetische Veränderungen erhöhen Krankheitsrisiko bei IVF-Kindern
Wissenschaftler fordern intensivere Erforschung der Folgen der künstlichen Befruchtung
Die jüngste Auswertung der britischen Millennium Cohort Study, die in Human Reproduction (doi: 10.1093/humrep/des398)
publiziert wurde, zeigt, dass im Reagenzglas gezeugte Kinder im Alter
von fünf Jahren zwei bis vier Mal häufiger unter Asthma leiden als ihre
natürlich gezeugten Altersgenossen.
In der prospektiven Studie sind über 18.000 Kinder
aus ganz Großbritannien eingeschlossen, die alle zwischen den Jahren
2000 und 2002 geboren wurden. Zu den Kindern liegen detaillierte
Angaben u. a. zu Asthmasymptomen und Asthmamedikamenten vor.
Studienleiterin Claire Carson von der University of Oxford und
ihre Kollegen haben aufgrund umfangreicher Daten das Asthmarisiko der
Kinder berechnet. Wie die Analyse nun zeigt, hatten Kinder, deren
Zeugung länger als ein Jahr auf sich warten ließ – dies gilt als Zeichen
einer verminderten Fruchtbarkeit –, insgesamt ein höheres Asthmarisiko
als Kinder von normal fertilen Eltern. Für Kinder, die auf natürlichem
Weg gezeugt wurden und deren Mutter allenfalls eine hormonelle
Stimulation hatte durchführen lassen, war der Unterschied allerdings
gering. Das bedeute, so Carson, dass die errechnete Risikoerhöhung vor
allem durch die IVF-Kinder bedingt sei. Die Frage nach einer kausalen
Beziehung sei damit aber noch nicht geklärt, räumt die Epidemiologin
ein.
Der Schweizer Kardiologie Urs Scherrer vom Inselspital Bern
betrachtet die Ergebnisse der britischen Korrelationsstudie skeptisch.
Allerdings fordert auch er angesichts eigener Studien verstärkte
Untersuchungen und genaue Information zur langfristigen Gesundheit nach
künstlicher Befruchtung, die auch aus ethischer Sicht geboten seien.
In einer in Circulation (2012; 125: 1890-1896)
publizierten Studie ging Scherrer der Frage nach, ob die
In-vitro-Fertilisation das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen
erhöht. Die epigenetische Veränderung der Regulation von Genen kann
Krankheiten begünstigen. Das Ergebnis seiner Studie: Von 122 im Schnitt
12 Jahre alten Kindern hatten die 65 IVF-Kinder im Vergleich mit den
57 auf natürlichem Weg Entstandenen eine steifere Arm-Arterie, und ihre
Halsschlagader war verdickt. Zudem war ihr Blutdruck im
Lungenkreislauf bei reduziertem Sauerstoffdruck erhöht. Dafür, dass
diese signifikant pathologischen Veränderungen mit dem Verfahren der IVF
und nicht mit anderen Faktoren zusammenhängen, gibt es laut Scherrer
gute Argumente. So zeigte sich eine gestörte Gefäßregulation nur bei
Kindern nach IVF. Normal gezeugte Geschwister von IVF-Kindern waren
dagegen frei davon. Und auch Kinder, deren Mütter sich «nur» hormonell
stimulieren ließen, schnitten bei den Tests unauffällig ab.
Für Scherrer sind diese Ergebnisse laut NZZ (online 12. 12. 2012)
„potenziell beunruhigend“ – und das gleich mehrfach. Da
kardiovaskuläre Erkrankungen sehr häufig seien, wäre schon eine geringe
Risikoerhöhung bedeutsam, warnt der Kardiologe. Zudem dürften
epigenetische Phänomene, die auch vererbt werden können, bei der
Krebsentstehung eine Rolle spielen. Scherrer fordert deshalb eine
prospektive Kohortenstudie, die die lebenslangen Auswirkungen der
In-vitro-Fertilisation untersucht.
Quelle: IMABE-Newsletter Jänner 2013
Labels: Epigenetik, Folgen, IVF, Künstliche Befruchtung
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