Österreich: Behörde verbietet Gründung eines „Sterbehilfe“-Vereins
Palliativgesellschaft und Hospiz fordern bessere Ausbildung und Rechtsanspruch auf palliativmedizinische Betreuung
Die Schweiz gilt vielen Euthanasie-Befürwortern als
Vorbild. Nun versucht eine österreichische Gruppe, ein erstes Pendant
zum Schweizer Selbsttötungsverein Dignitas zu gründen. Doch die Landespolizeidirektion Wien untersagte erwartungsgemäß die Gründung des Vereins Letzte Hilfe – Verein für selbstbestimmtes Sterben und begründete dies mit dem grundsätzlichen Verbot der „Mitwirkung am Selbstmord“ (§78 Strafgesetzbuch, StGB) sowie mit der Europäischen Menschenrechtskonvention. Die Betreiber der Vereinsgründung stammen aus dem Umfeld der Initiative Religion ist Privatsache, berichtet der Standard (online, 20. 3. 2014).
Laut österreichischem Recht ist jemand, der „einen anderen dazu
verleitet, sich selbst zu töten, oder ihm dazu Hilfe leistet“ mit einer
„Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen“.
Eytan Reif von der Initiative Religion ist Privatsache kritisiert den
§78 StGB als „anachronistisch“, „ideologisch motiviert“ und
„verfassungswidrig“ (vgl. Presseaussendung, 21. 3. 2014).
Die Initiatoren haben bereits Berufung eingelegt. Unterstützt wurde
der Vorstoß, ein „Tötung auf Verlangen“-Modell in Österreich zu
legalisieren, auch von NEOS-Vorsitzendem Matthias Strolz (vgl. Die Presse, 28. 3. 2014).
Dass die Debatte um die Legalisierung des Tötens auf
Verlangen ausgerechnet dann geführt wird, wenn Österreich nach Ansicht
von Experten noch nicht einmal seine Hausaufgaben in Sachen
Palliativversorgung erfüllt hat, sorgt für Kritik. So müsste erst einmal
der Plan zur abgestuften Palliativ- und Hospizversorgung von 2004
umgesetzt werden. Während schon relativ viele Palliativbetten vorhanden
sind, fehlt es noch an der mobilen Betreuung, hieß es bei der vom Dachverband Hospiz (DVHÖ) und von der Österreichischen Palliativgesellschaft (OPG) veranstalteten Enquete in Wien (vgl. Wiener Zeitung, online, 1. 4. 2014).
Karl Bitschnau, DVHÖ-Vizepräsident forderte einen
Rechtsanspruch auf notwendige Hospiz- und Palliativversorgung – und
zwar unabhängig von der finanziellen Situation. Ist das finanzierbar?
Ja, meinte OPG-Präsident und Palliativmediziner Herbert Watzke von der
Medizinische Universität Wien: Palliative Care könne sich selbst
finanzieren – unter anderem durch das Geld, das man durch Unterlassen
von unnötigen Therapien am Lebensende einsparen würde. Während die
Palliativpflege schon seit 16 Jahren zur Pflegeausbildung gehört,
sickert sie erst langsam ins Medizinstudium ein. Erst kürzlich hat der
Pionier der Palliativausbildung in Europa, Gian Domenico Borasio (Universität Lausanne) anlässlich seines Vortrags in Wien
betont, dass das Ernstnehmen von Palliative Care einen
Paradigmenwechsel im Gesundheitswesen einläuten würde: Weg vom
ökonomischen Denken, von reiner Schmerzsymptomkontrolle und
therapeutischem Übereifer hin zu einer patientenorientierten Betreuung,
die die psychosoziale und spirituelle Dimension des Menschen in Lehre
und Forschung integriert. Borasio plädiert deshalb für eine bessere
Ärzteausbildung: „Jetzt wäre es wirklich an der Zeit, dass
Palliativmedizin auch in Österreich zum Pflichtfach wird“, so der
Palliativmediziner in einem ausführlichen Interview in der Wiener Zeitung (online, 4. 4. 2014).
Quelle: IMABE-Newsletter April 2014
Foto: © R. B. / pixelio.de
Labels: Hospiz, Österreich, Palliativmedizin, Sterbehilfe
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]
<< Startseite