Studie: Negativer Einfluss auf Arzt-Patienten-Kommunikation durch elektronische Patientenakte
Ärzten brauchen Trainings, um PC-bedingte Kommunikationsdefizite auszugleichen
Am Einsatz elektronischer Datenspeicher führt kein
Weg vorbei – auch nicht in der Medizin. Gleichzeitig weiß man, dass
neben High-Tech die Kommunikation zwischen Arzt und Patient zu den
wichtigsten Determinanten der Zufriedenheit von Patienten mit ihrem
Arzt und ihrer Behandlung, ihrer eigenen Therapietreue und damit
letztlich auch des Behandlungsergebnisses bzw. der Gesundheit gehört.
Dazu zählen nicht nur das gesprochene Wort, sondern auch die
Körpersprache und der Blickkontakt. Gibt es differente Verhaltensmuster
zwischen Arzt und Patient, je nachdem, ob der Arzt am Papier notiert
oder mit dem Computer arbeitet? Ja, sagt eine nun im International Journal of Medical Informatics (2014; 83(3): 225-234, DOI: 10.1016/j.ijmedinf.2013.11.003)
erschienene Studie - und ihr Ergebnis ist ernüchternd: Wo Ärzte
elektronische Patienteninformationen und Entscheidungshilfen via
Computer und Bildschirm benützten, hatte dies einen negativen Einfluss
auf Kommunikation zwischen Arzt und Patient.
Studienleiterin Enid Montague von der Feinberg School of Medicine an der Northwestern University in Chicago und ihr Kollege Onur Asan vom Medical College of Wisconsin/Milwaukee
nahmen 100 Arzt-Patientengespräche per Videokamera auf (Alter der
Patienten zwischen 18 und 65 Jahren) und untersuchten sie auf sämtliche
kommunikativen Prozesse und Interaktionen hin. Der Fokus lag dabei auf
der Auswertung des Blickkontaktes zwischen Arzt und Patient, der als
wichtiger Motor für das Entstehen von Beziehung und Zufriedenheit gilt.
Das Ergebnis: Die Ärzte (Durchschnittsalter: 47
Jahre), die im Untersuchungsraum Zugang zur elektronischen
Patientenakte hatten, verbrachten mehr als ein Drittel der Zeit damit,
den Bildschirm anzuschauen. Gelenkt dadurch begannen auch die Patienten
auf den Monitor zu schauen, unabhängig davon, ob sie den Text auf dem
Monitor lesen oder verstehen konnten.
Dies führt zu negativen Effekten, so die
Studienautoren: Das Verhalten der Ärzte macht es für Patienten schwer,
die notwendige Aufmerksamkeit des Arztes zu wecken und zu erhalten –
ein Teil der Zufriedenheit und des Sich-Verstandenfühlens. Außerdem
bleiben für die Behandlung relevante nonverbale kommunikative Signale
unbeachtet, und auch die Fähigkeit der Ärzte, zuzuhören, zu denken und
Problemlösungen zu erwägen, ist merkbar eingeschränkt.
Studienautorin Montague hält das Sich-Verlassen auf
Effizienz via Datentechnologie für gefährlich, wenn damit die
zwischenmenschliche Beziehung im Arzt-Patienten-Verhältnis untergraben
wird. Die Abhängigkeit von der Technik würde Kommunikationsdefizite
noch steigern. Die Autoren empfehlen deshalb dringend einfache
Trainings, wie Ärzte trotz Verwendung des Computers den Augenkontakt zu
halten und damit die Dynamik der Begegnung zu verbessern lernen. Auch
Patienten sollten ermutigt werden, in ihre Patientenakte einzusehen,
wobei der Arzt diese patientengerecht erklären und erläutern sollte.
Quelle: IMABE-Newsletter April 2014
Foto: © Alexander Raths - Fotolia.com
Labels: Arzt, Kommunikation, Patient, Studie
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