Seltsame Blüten in der Debatte über das Schadenersatzrecht
Die derzeitige Diskussion über pränatale Fehldiagnosen und ihre Folgen wird auf einer juristisch völlig falschen Basis geführt. (Gastkommentar)
Die Diskussion um die Haftung wegen einer fehlerhaften Pränataldiagnostik treibt seltsame Blüten. Vor allem wird sie, sofern es um die Schädigung des Embryos durch einen Diagnosefehler geht, auf einer juristisch vollkommen falschen Basis geführt. Jedem Juristen muss dies klar sein. Juristischen Laien kann man dies nicht vorwerfen, sie handelten denn wider besseres Wissen. Dies will ich nicht unterstellen. Polemik verdient in solider Diskussion keine Antwort.
Husslein auf dem Holzweg
Die Aussage des Gynäkologen Professor Peter Husslein in seinem Gastkommentar „Ärztekammer, Schutzpatronin der Schlampigen“ („Die Presse“ vom 24.1.), dass der Ministerialentwurf zur Aufhebung des Schadenersatzes bei fehlerhafter Pränataldiagnostik führe, ist, soweit es um die Gesundheitsbeeinträchtigung des Embryos geht, schlechthin falsch, und zwar unwiderlegbar. Sollte die von Husslein ins Treffen geführte Bioethikkommission seine Fehlvorstellung teilen, befände sie sich auf demselben Holzweg.
Erkennt der behandelnde Arzt am Embryo einen schon im Mutterleib behandelbaren Defekt sorgfaltswidrig nicht, oder macht er die Schwangere sorgfaltswidrig nicht darauf aufmerksam, dass eine Untersuchung von einem anderen, fachlich kompetenteren oder mit besseren Mitteln ausgestatteten Arzt vorzunehmen ist, und erleidet der Embryo dadurch Schaden, so begeht der Behandelnde durch diese Unterlassung das Delikt der Körperverletzung.
Juristische Binsenweisheit
Dass die Gesundheitsbeeinträchtigung infolge Nichtvornahme einer gebotenen Behandlung eine Körperverletzung im Rechtssinn ist, zählt zu den juristischen Binsenweisheiten. Die Haftung des sorgfaltswidrig handelnden Arztes ist nach dem Entwurf zweifellos weiter gegeben.
„Der Sinn der Pränataldiagnostik ist es nicht, Chromosomenstörungen und Fehlbildungen zu diagnostizieren und Schwangerschaften abzubrechen, sondern ,Problemkinder‘ rechtzeitig zu erkennen – und soweit es möglich ist, bereits vor der Geburt zu behandeln“, schreiben die Gynäkologen Prof. Philipp und Prof. Hafner in ihrem Leserbrief in der „Presse“ vom 24.1. Das habe auch ich, ein medizinischer Laie, immer so verstanden. Diesem Sinn steht der Ministerialentwurf nicht im Wege, er trägt ihm vielmehr Rechnung.
Haftung bleicht aufrecht
Em. o. Univ.-Prof. Dr. Rudolf Reischauer (*27.10.1941 in Salzburg) war Professor für Wirtschaftsprivatrecht an der Uni Linz und Dekan der dortigen rechtswissenschaftlichen Fakultät.
Quelle: "Die Presse" vom 02. Februar 2011
Labels: Kind als Schaden, Politik, Pränataldiagnostik
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]
<< Startseite