Montag, 20. Januar 2014

OECD-Bericht: Österreich weltweit im Spitzenfeld von Knie- und Hüftoperationen


http://www.oecd.org/els/health-systems/Health-at-a-Glance-2013.pdf

Experten kritisieren Trend zur Operation im Vergleich zu konservativen Therapien

Künstliche Implantate zum Ersatz Arthrose-geschädigter Gelenke verbessern die Lebensqualität vieler Patienten und sind aus der modernen Medizin nicht wegzudenken. Der rasante Anstieg entsprechender Operationen wird in etlichen Ländern jedoch auch kritisch gesehen. 

Österreich nimmt mit 218 Operationen für künstliche Kniegelenke pro 100.000 Einwohner laut jüngstem OECD-Gesundheitsreport Health at a Glance 2013 (OECD Indicators DOI:10.1787/health_glance-2013-en) weltweit den Spitzenplatz ein, dicht gefolgt von Deutschland (207) und der Schweiz (205). Der OECD-Durchschnitt liegt bei 129 (DOI:10.1787/health_glance-2013-graph85-en). Zum Vergleich: In Italien liegt die Zahl bei 98 künstlichen Kniegelenken pro 100.000 Einwohner, in Polen bei 22, in Mexiko nur bei 3,5. 

Werden Patienten möglicherweise auch aus ökonomischen Gründen überbehandelt, gestützt durch ein System der „falschen finanziellen Anreize, ein Ausreizen der Abrechnungssysteme, aber auch Anspruchsdenken“, wie das Europäische Gesundheitsforum Gastein 2011 (Gesundheitswesen: Ökonomische Zwänge contra Patientenwohl?) kritisierte? 

In Deutschland wird diese Frage ebenfalls intensiv debattiert. Bernard Braun, Gesundheitswissenschaftler am Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen, untersuchte nun die Daten des Gesundheitsreports der gesetzlichen Handelskrankenkasse (hkk-Gesundheitsreport 2013) in Deutschland. Die Zahl der Operationen für künstliche Hüft- und Knieimplantate stieg demnach zwischen 2008 und 2012 um 21 bzw. 24,5 Prozent, ebenso die Revisionen und das Wechseln von Prothesen: bei Hüft-Endoprothesen ein Anstieg von 75 Prozent, bei Knie-Endoprothesen um 45 Prozent. Prothesen müssen nach rund 15 Jahren gewechselt werden, damit steigt die Zahl der Operationen automatisch mit wachsendem Patientengut. 

Ein kritischer Punkt für Braun ist die relativ geringe Inanspruchnahme von konservativen Methoden im Vorfeld, aber auch in der Nachbetreuung der Patienten (vgl. Forum Gesundheitspolitik, online, 1. 1. 2014): Dazu zählen etwa Muskelaufbau, Bewegungssport, Gewichtsabnahme zur Gelenksentlastung, die laut jüngsten Studien deutliche Schmerzentlastung bringen. Braun vermutet hier „eine Unter- und Fehlversorgung“. Auffällig sei, dass laut hkk-Daten die Patienten auch 6 Monate nach der Operation offensichtlich – gemessen an der Verordnung von Opioden – starke Schmerzen und Bewegungsprobleme haben. Der Gesundheitswissenschaftler fordert deshalb, dass an Arthrose erkrankte Patienten über konservative Behandlungsmöglichkeiten und die realistischen Erfolge einer Operation besser informiert werden.

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Studie: Bessere Arbeitsbedingungen für Pflegepersonal kommen Patient zugute


http://www.rn4cast.eu/en/pages-abstract

Multiprofessionelle Teams von Ärzten und Pflegern sind die Zukunft

Eine gute Arbeitsumgebung und eine adäquate Stellenbesetzung führen zu geringeren Komplikations- und Mortalitätsraten bei Patienten. Sie tragen auch zu einer höheren Arbeitszufriedenheit und einer geringeren Burnout-Rate beim Pflegepersonal bei. Eine nun im British Medical Journal of Quality & Safety (doi: 10.1136/bmjqs-2013-002318) veröffentlichte Querschnittsstudie aus 12 europäischen Ländern zeigt auf, in welchen Arbeitsbereichen es zur Überforderung von Pflegefachkräften in der Praxis kommt. Die Studie ist ein Zwischenergebnis aus der multilateralen Registered Nurse Forecasting Study (RN4CAST), eine der größten Pflegepersonal-Studien, die je in der EU durchgeführt wurden. 

In der nun vorliegenden Zwischenstudie wurde europaweite Daten von 33.659 Pflegefachpersonen in 488 Krankenhäusern ausgewertet. Am häufigsten „unerledigt“ blieb nach Aussage der Pflegekräfte das Gespräch mit Patienten (53 Prozent), gefolgt von der Entwicklung und Aktualisierung der Pflegepläne und -pfade (42 Prozent). An dritter Stelle stand die pädagogische Kommunikation mit Patienten und Angehörigen (41 Prozent). Unterm Strich zeigte sich in der von Studienleiter René Schwendimann vom Institut für Pflegewissenschaft der Universität Basel durchgeführten Auswertung: Je besser die Arbeitsumgebung in den Krankenhäusern je günstiger das Zahlenverhältnis zwischen Patienten und Krankenschwestern war und je weniger Krankenschwestern nicht-pflegerische Aufgaben durchführen mussten, desto weniger häufig berichtete das Pflegefachpersonal von „unerledigten“ Arbeiten. 

Eine wichtige Rolle spielt zudem die Teamarbeit von Ärzten und Pflegefachkräften. Eine im Journal of the American Geriatrics Society publizierte Studie (DOI: 10.1111/jgs.12268, 2013; 61, 6: 857–867) ergab, dass geriatrische Patienten signifikant besser behandelt wurden, wenn nicht nur Ärzte allein, sondern Arzt/Pflegekräfte-Teams gemeinsam für die älteren Patienten mit chronischen Erkrankungen im Einsatz waren. Die multiprofessionelle Teamorientierung und das Co-Management führten zu eindeutigen Behandlungsvorteilen.

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Europarat: „Gezielte Abtreibung von Mädchen muss verboten werden“


http://humanrightscomment.org/2014/01/15/sex-selective-abortions-are-discriminatory-and-should-be-banned/

Menschenrechtskommissar fordert hartes Vorgehen gegen Genderzid

Abtreibungen aufgrund des Geschlechts widersprechen den Menschenrechten und müssen rechtlich verboten werden. Das fordert der Menschenrechtskommissar des Europarates, Nils Muižnieks (vgl. Pressemitteilung, online, 14. 1. 2014). Muižnieks folgt damit Bemühungen auf europäischer Ebene, die gezielte Abtreibung von Mädchen, die inzwischen auch ein europäisches Problem darstellt, zu unterbinden. Die Praxis des Genderzids sei „zutiefst diskriminierend“ und perpetuiere „ein Klima der Gewalt gegen Frauen“, die unter Druck stehen, ein Ungeborenes mit falschem Geschlecht abzutreiben. 

Abtreibung allein aufgrund des „falschen“ Geschlechts ist in vielen Ländern illegal. Dennoch ist die Praxis weit verbreitet (vgl. Abtreibung: Tötung weiblicher Föten auch in Europa verbreitet). Buben zählen kulturell und traditionell in vielen Regionen mehr als Mädchen. In Teilen von Indien und China kommen inzwischen 120 bis 140 Buben auf 100 Mädchen. Ein normales Geschlechterverhältnis liegt laut WHO bei 102 bis 106 Buben zu 100 Mädchen. Laut UNFPA-Bericht von 2012 hat die „selektive Abtreibung nach Geschlecht“ (Genderzid) in Asien schon 117 Millionen Frauenleben gekostet. Allein in China und Indien seien 85 Millionen ungeborene Mädchen abgetrieben worden – trotz Wirtschaftsboom. 

Zunehmend ist aber auch Europa davon betroffen. Eine nun im Auftrag des britischen The Independent durchgeführte Auswertung der Volkszählung von 2011 zeigte erschreckende Daten: Die illegale Abtreibung weiblicher Föten wird offenbar in einigen ethnischen Gemeinschaften in Großbritannien praktiziert und hat in diesen Bevölkerungsgruppen bereits zu einem erheblichen Ungleichgewicht zwischen Burschen und Mädchen geführt (vgl. The Independent, online 14. 1. 2014). Die Analyse ergab, dass Immigrantinnen aus Afghanistan, Pakistan und Bangladesch, die in England und Wales leben, unverhältnismäßig mehr Buben zur Welt bringen, insbesondere beim zweiten Kind. Hier gebe es eine auffallende Verzerrung des Geschlechterverhältnisses zugunsten von Buben. Die Statistiker vom Imperial College sprechen von 1.400 bis 4.700 Mädchen, deren Fehlen als klares Indiz für eine vorgeburtliche Geschlechtsauswahl gilt. Im Hintergrund spielen sich dabei erschreckende Szenen von psychischer und physischer Gewalt gegen Frauen ab, wie The Independent anhand von Interviews berichtet (online, 14. 1. 2014). 

Menschenrechtskommissar Muižnieks fordert die Regierungen auf, zuverlässige Daten zu sammeln und Maßnahmen zur Unterstützung von Mädchen und Frauen sowie zur Unterstreichung ihrer Gleichwertigkeit gegenüber Männern zu setzen. Er plädierte auch für eine strafrechtliche Verfolgung der gezielten Tötung weiblicher Föten in Europa: „Wir brauchen eine starke Abschreckung von dieser Praxis“, betonte der Menschenrechtskommissar.

 

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Studie: Interessenkonflikte in Leitliniengruppen führt zur Ausdehnung von Krankheitsdefinitionen


http://www.whosmydoctor.com/

Offenlegung ärztlicher Interessenkonflikte fördert Vertrauen der Patienten

Die Erklärung von Interessenskonflikten ist auf internationaler Ebene für jeden wissenschaftlich tätigen Arzt üblich. Ohne sie darf man in der Regel weder auf Kongressen vortragen, noch in Zeitschriften publizieren. Auch Zahlungen an Ärzte durch Pharmafirmen müssen laut gerichtlicher Anordnung in den USA offengelegt werden (vgl. USA: Fachjournals und Pharmafirmen beschließen gemeinsam ethische Leitlinien). Eine jüngst in PLoS publizierte Studie (DOI: 10.1371/journal.pmed.100150) nimmt die Interessenkonflikte von Personen, die Leitlinien für die Behandlung von Krankheiten wie Bluthochdruck, ADHS, Alzheimer oder Asthma ausarbeiten, unter die Lupe. Das Ergebnis: Finanzielle Verbindungen von Leitlinien-Gruppenmitgliedern zu Firmen, die Medikamente zur Behandlung der jeweiligen Krankheiten anbieten, sind eher die Regel als die Ausnahme.

Die Studie, die Daten aus den Jahren 2000 bis 2013 zu US-Experten auswerteten, die sich mit der (Neu-)Festsetzung von Definitionen und diagnostischen Kriterien befassten, belegt, dass die Industrie gezielt Beziehungen zu jenen Experten pflegt, die über die Ausweitung der Krankheitsdefinitionen und damit über die Größe des Absatzmarktes für Medikamente entscheiden. Damit wird aber der Überdiagnose – eine Diagnose mit negativer Nutzen-Schaden-Bilanz – und der Übertherapie der Weg gebahnt, resümiert das Forum Gesundheitspolitik (online, 19. 12. 2013). 

Und wie steht es um die Offenlegung eines Interessenskonflikts, wenn der Patient seinem Arzt direkt gegenübersitzt und eine konkrete Therapieempfehlung erhält? 

Patienten können einem ärztlichen Rat nicht vertrauen, wenn Ärzte ihre finanziellen Verbindungen zu Pharmaunternehmen verbergen. Ein Patient sollte deshalb aktiv vom behandelnden Arzt über potentielle Interessenskonflikte informiert werden, fordert Leana Wen, Notfallmedizinerin und Direktorin des Patient-Centered Care Research at George Washington University im British Medical Journal (2014; 348: g167). Sie rief nun eine Internet-Plattform Who is my Doctor? ins Leben. Dort haben Ärzte die Möglichkeit, freiwillig für ihre Patienten offenzulegen, welche finanzielle Verbindung sie zu Pharma- und Medizintechnik-Unternehmen haben, ob ihr Gehalt durch die Durchführung von Tests oder Verfahren aufgebessert wird usw.

Die Medizinerin begründet ihre Forderung mit Forschungsergebnissen zum Einfluss von Pharmafirmen auf das ärztliche Verhalten. 94 Prozent der Ärzte hatten einer im New England Journal of Medicine (2007; 356: 1742-1750) publizierten Studie über finanzielle oder materielle Zuwendungen von Pharma- und Medizintechnik-Unternehmen berichtet. Studien haben gezeigt, dass diese Affinitäten auch die Therapieentscheidungen beeinflussen. „Ärzte sollten dazu veranlasst werden, offenzulegen, wie persönliche Anreize Behandlungsempfehlungen im Rahmen der Einholung der Einwilligung beeinflussen können.“ Offenheit führe zu einer besseren Kommunikation, verbessere das Vertrauen und damit den Zugang zu einer besseren Versorgung, ist Wen überzeugt. 

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Euthanasie: Palliativmediziner gegen ärztliche Suizidassistenz in Österreich

WHO-Richtlinien warnen vor positiver Darstellung des Suizids in den Medien

„Gesunde unterschätzen die Kraft der Kranken, die fast ausnahmslos trotz allem leben wollen“, betont Herbert Watzke, Leiter der Klinischen Abteilung für Palliativmedizin an der Medizinischen Universität Wien. In einem Presse-Streitgespräch (vgl. Die Presse, online, 10. 1. 2014) mit dem Philosophen Peter Kampits, Euthanasie-Befürworter und Mitglied der Bioethikkommission, warnt er vor einer Einführung der aktiven Sterbehilfe, die Ärzte zu „Handlangern“ von Suizidwilligen umfunktionieren würde (vgl. auch Gastkommentar von IMABE-Direktor Johannes Bonelli, Die Presse, online, 17. 12. 2013). Als Palliativmediziner bekennt sich Watzke zum maximalen Einsatz schmerzlindernder Medikamente am Lebensende, auch wenn diese Maßnahmen lebensverkürzend wirken. Kritisch äußert sich der Mediziner zu einer Umfrage, wonach 62 Prozent der Österreicher für aktive Sterbehilfe seien (vgl. Umfrage: Tötung durch Spritze für 62 Prozent der Österreicher kein Tabu). Angesichts der tendenziösen Frageformulierungen, in der keine Rede von einer Schmerztherapie angesichts „unerträglicher Schmerzen am Lebensende“ die Rede war, hätte auch er wohl mit „Ja“ geantwortet. 

In Österreich ist Tötung auf Verlangen mit einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren verboten. Dieses Verbot sollte zusätzlich in der Verfassung verankert werden, damit künftig für eine Änderung eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig wäre, forderte die ÖVP. SPÖ und Grüne stellen sich quer. Im Regierungsprogramm kam es zu keiner Übereinkunft, allerdings soll eine Enquete-Kommission zu Fragen rund um eine verbesserte Palliativmedizin und Sterbehilfe eingesetzt werden. 

Eine Verankerung des Verbots von Tötung auf Verlangen hält Watzke angesichts der Entwicklung in vielen anderen europäischen Ländern für sinnvoll. Als Beispiel seien Belgien und die Niederlande genannt, wo nicht nur assistierter Suizid, sondern auch die Tötung von Neugeborenen, Dementen oder Depressiven möglich ist – auch ohne deren Einwilligung, wie eine Studie zeigt: In 32 Prozent aller Euthanasie-Todesfälle in der flämischen Region Belgiens handelten die Ärzte ohne ausdrücklichen Willen des Patienten (vgl. Canadian Medical Association Journal, DOI:10.1503/cmaj.091876). Zahlreiche Studien bestätigen die Aussagen des Palliativmediziners, wonach mit Todesnähe die Zustimmung von Schwerstkranken sogar zu Intensiv- Behandlungen wächst (vgl. Studie: Mit Todesnähe wächst Zustimmung zu Intensivbehandlung) aber auch rechtzeitige Gespräche über das Lebensende zu einem Loslassen von überzogenen Therapieforderungen führen (vgl. Studie: Positiver Effekt durch Gespräche übers Lebensende bei Terminalpatienten). 

Wenn Prominente heute Beihilfe zum Selbstmord in Anspruch nehmen, würden Medien geradezu euphorisch von einem „würdevollen“ und selbstbestimmten Tod berichten, obwohl Studien klar belegen, dass dies bei gefährdeten Menschen einen Nachahmungseffekt auslösen kann (sog. „Werther-Effekt“). Aus diesem Grund hat die WHO im Jahr 2008 eigene Richtlinien zur Darstellung von Suizid in Medien erlassen. Sie fordert darin Medienschaffende auf, sowohl eine „Sensationssprache“ als auch „normalisierende Darstellung von Selbstmord als Lösung für Probleme“ zu vermeiden, ebenso eine „prominente Platzierung von Geschichten über Selbstmord“ sowie eine „explizite Beschreibung der verwendeten Methode“. Besondere Zurückhaltung sollte bei der Berichterstattung über Promi-Selbstmorde geübt werden. Umgekehrt können Medien auch einen suizidprotektiven Effekt haben (vgl. British Journal of Psychiatry 2010; 197: 234-243), etwa durch Berichte über Betroffene, die Krisensituationen konstruktiv und ohne suizidales Verhalten bewältigen konnten („Papageno-Effekt“).

Foto:  © Jens Goetzke / PIXELIO

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Österreich: Kritik am VfGH-Urteil zur Samenspende für lesbische Paare


www.vfgh.gv.at

Familienbischof: Kinder haben Recht auf Mutter und Vater

Sollen lesbische Paare in Österreich mithilfe einer Samenspende und Fortpflanzungsmedizin Kinder bekommen können? Ja, sagt der Verfassungsgerichtshof (VfGH) in seinem jüngsten Urteil (10. 12. 2013, G 16/2013 und G 44/2013). Es sei verfassungswidrig und diskriminierend, wenn lesbische Frauen in Lebensgemeinschaft von der Erfüllung eines Kinderwunsches ausgeschlossen werden, so die Begründung (Pressemitteilung, online, 17. 1. 2014).
„Mit diesem Urteil wird das derzeit in Österreich geltende Fortpflanzungsmedizingesetz im Kern ausgehebelt – mit weitreichenden Folgen“, kritisiert IMABE-Geschäftsführerin Susanne Kummer. Bislang war die Inanspruchnahme der künstlichen Befruchtung laut FMedG Paaren verschiedenen Geschlechts vorbehalten, unter der Voraussetzung, dass das Paar medizinisch zeugungsunfähig war. Doch weder Lesben noch homosexuelle Männer sind krank, sie sind prinzipiell zeugungsfähig. Auch heterosexuelle, gesunde Paare hatten nach § 2 Abs. 2 des FMedG kein Recht auf künstliche Fortpflanzung. Von einer Diskriminierung Homosexueller könne daher keine Rede sein, betont Kummer.
Mit dem jüngsten Urteil löst der VfGH die Zeugung von Menschen durch künstliche Befruchtung als solche komplett aus dem Kontext medizinisch indizierter Behandlung heraus: „Hier geht es nicht mehr um die Fortpflanzung im Kontext von Medizin, sondern um die Medizin als Gehilfe individueller Wunscherfüllung.“ Dass sich der VfGH beeilte zu betonen, dass damit nicht automatisch ein Recht auf ein Kind für homosexuelle Paare oder alleinstehende Frauen entstünde, hält Kummer für symptomatisch (vgl. Die Presse, online, 17. 1. 2014). Klar ist: „Sobald das erste homosexuelle Männerpaar auf den Gleichheitsgrundsatz pocht und via Eizellenspende und Leihmutter auch zu einem Kind kommen will, oder eine alleinstehende Frau für ihr Glück ein Kind braucht und dies per Klage durchsetzen will, lässt sich mit einem neuen Gesetz zur Kindererzeugung kein Verbot für diese Fälle mehr schlüssig argumentieren.“ Selbst VfGH- Präsident Gerhart Holzinger gab zu, dass mit einer solchen Klage „in naher Zukunft zu rechnen ist“ (vgl. Kleine Zeitung, online, 17. 1. 2014).
Völlig außer Acht gelassen werden dabei die Rechte der Kinder, kritisiert Kummer. „Das vorsätzliche Splitten von sozialer und biologischer Elternschaft im Zuge von fortpflanzungsmedizinischen Techniken wie jetzt Samen- und später wohl auch Eizellenspenden missachtet insbesondere die Rechte des Kindes.“
SPÖ und Grüne zeigen sich über das VfGH-Urteil erfreut, ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter kündigte an, eine „ausgewogene Lösung“ finden zu wollen. Familienbischof Klaus Küng erfüllt das Gerichtsurteil „mit Sorge“. Ein „Kinderwunsch“ sei nur dann legitim, wenn er auch die Wünsche des Kindes ernst nimmt. Und Kinder wünschten sich und hätten auch das Recht auf Vater und Mutter. Mit der Ausweitung bestehe die Gefahr, „wesentliche Elemente des Lebens zum Gegenstand der Selbstverwirklichung zu machen, ohne die Menschenwürde eines anderen ernst zu nehmen“, so der Familienbischof in einer Stellungnahme gegenüber Kathpress (online, 17. 1. 2014).
Die entsprechenden Bestimmungen im Fortpflanzungsmedizingesetz sind mit dem VfGH-Urteil – wie vom Obersten Gerichtshof (OGH) nach einer Klage zweier Frauen in gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaft, die sich in Österreich per Samenspenden ihren Kinderwunsch erfüllen wollen, beantragt – aufgehoben. Dem Gesetzgeber wurde eine Frist bis 31. Dezember 2014 eingeräumt, um das Gesetz zu novellieren.

Quelle: IMABE-Newsletter Jänner 2014
Foto: www.vfgh.gv.at

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