Dienstag, 14. Oktober 2014

IMABE-Symposium: Die Sprache des Schmerzes verstehen, 5.12.2014 in Wien

In Österreich leiden 1,5 Millionen Menschen an chronischen Schmerzen. Die wirksame Bekämpfung von chronischem Schmerz gehört zu den großen offenen Fragen der Medizin. Um Schmerzen zu lindern, müssen Patienten individuell und in ihrer Ganzheit in den Blick genommen werden. Symptomkontrolle alleine genügt nicht. Wo liegen neue Möglichkeiten, aber auch die Grenzen der Schmerztherapie?

Hinter einer wachsenden Medikalisierung hat das Leiden am Schmerz lautlos zugenommen. Welche Rolle spielt die persönliche Geschichte und die Psyche in der Wahrnehmung, Verarbeitung und Bewältigung von Schmerz? Brauchen wir neue Kompetenzen im Umgang mit Leidenden angesichts utopischer Ansprüche eines komplett schmerzfreien Lebens? 

Namhafte Experten aus der Schmerztherapie, Psychosomatischen Medizin, Palliative Care und Ethik werden folgende Themen fokussieren:
  • Möglichkeiten und Grenzen der Schmerztherapie
  • Wege zur Entmedikalisierung des Schmerzes
  • Die psychosomatische Dimension des Schmerzes
  • Schmerz, Lebensqualität und Lebenssinn: Neue Wege der Palliative Care
  • Leid verstehen. Die Utopie einer schmerzfreien Gesellschaft
Programm und Referentenliste finden Sie hier bzw. auf der Webseite Veranstaltung. Anmeldeschluss ist der 21. November 2014.

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Studie: Stammzelltherapie löst bei Querschnittpatientin einen Tumor aus


http://thejns.org/doi/full/10.3171/2014.5.SPINE13992

Wissenschaftler warnen vor Experimenten und falschen Hoffnungen

Mit neuartigen Stammzelltherapien werden starke Hoffnungen geweckt, die Realität sieht jedoch anders aus. Im Tierversuch soll es gelungen sein, dank Injektion einer im Labor gereinigten Nasenschleimhaut einen gelähmten Hund wieder zum Laufen zu bringen. Für eine Amerikanerin, die nach einem Unfall mit 18 Jahren querschnittgelähmt war, schien dies ihr letzter Hoffnungsanker – obwohl die Autoren der Hunde-Studie ihre Arbeit nur als Grundlagenforschung sahen. Klinische Versuche mit Vorläuferzellen aus der Nasenschleimhaut gab es noch keine. Dennoch fand die zu diesem Zeitpunkt 21-Jährige US-Ärzte, die das Experiment mit ihr durchführten. Das Ergebnis: Die Behandlung hatte keinerlei positiven Effekt. Stattdessen entwickelte sich acht (!) Jahre später aus den sogenannten olfaktorischen Hüllzellen ein Tumor im Rückenmark, der bei der Rollstuhlpatientin massive Schmerzen im Rücken auslöste. Sie musste operiert werden, der histologische Befund ergab, dass sich eine unkontrollierbare Wucherung anderer Zellen am Ort der Transplantation gebildet hatte, berichten die Autoren im Journal of Neurosurgery (Oct 2014/Vol.21/No.4/618-622). Das Problem der Vorläuferzellen ist bekannt: Sie können zwar die Regeneration von Nervenzellen anstoßen, zugleich aber auch das Wachstum von Tumorzellen. 

Die Autoren des Case-Reports im Journal of Neurosurgery stellen klar, dass angesichts der Rückenmarksbehandlung ihrer Patientin, die 8 Jahre später schwere Probleme hatte, die Überwachung aller mit Zelltransplantation und neuraler Stammzellimplantation behandelten Patienten über viele Jahre beibehalten werden muss. Der erstmals publizierte Fall mit Komplikationen sollte der Scientific Community jedenfalls eine Warnung sein, so die Autoren. Prominente US-Bioethiker hatten bereits 2011 den „unredlichen Hype“ um die Stammzellenforschung kritisiert (vgl. IMABE 2011: Stammzellforschung: Prominente Bioethiker kritisieren „unredliche Hype“) und sprachen von bewusst überzogenen Versprechungen, die das „Vertrauen in die Wissenschaft untergraben“.

Quelle: Imabe-Newsletter Oktober 2014

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Studie: Krankenhäuser in Versorgung von Menschen mit Demenz oft überfordert

Personalmangel führt zu unnötigen Fixierungen und Verabreichung von Schlafmedikamenten

Menschen mit Demenz sind im Krankenhaus keine Randerscheinung. „Wir befinden uns inmitten eines Paradigmenwechsels in der Versorgung älterer Menschen“, sagte Georg Pinter, Vorstand der Abteilung für Akutgeriatrie/Remobilisation am Klinikum Klagenfurt am Wörthersee, beim Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) und der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG) in Halle (vgl. Pressemitteilung, online, 30. 9. 2014). Laut Pinters Erhebungen seien mehr als 30 Prozent der 9000 Notfallpatienten am Klagenfurter Klinikum älter als 80 Jahre. Dies brauche veränderte Strukturen, die ein Eingehen auf die besonderen Bedürfnisse dieser Altersgruppe ermöglichen, so Pinter. Er plädierte für eine verstärkte Zusammenarbeit von Kliniken mit niedergelassenen Ärzten, stationärer und ambulanter Pflege, sowie einem rascheren Informationsfluss zwischen allen Behandlungsverantwortlichen. Das Behandlungsteam müsse den ganzen Menschen erfassen, in seinen körperlichen, psychologischen, sozialen und spirituellen Bedürfnissen. 

Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung lag der Anteil der über 75-jährigen stationär behandelten Patienten in Deutschland im Jahr 2012 bereits bei 25 Prozent – im Jahr 2000 waren es 18 Prozent. Doch die meisten Kliniken seien nicht auf Demenzkranke eingestellt, wie die dip-Studie Pflege-Thermometer mittels Umfrage bei über 1.800 Stations- und Abteilungsleitungen ermittelte. 

Demenzkranke entwickeln in der ungewohnten Umgebung oft Ängste. Sie versuchen, die Klinik zu verlassen, können bei Diagnose, Behandlung, Körperpflege nicht mitwirken. Sie benötigen mehr Zeit, Zuwendung und Beaufsichtigung. Doch genau da hapert es: „Acht von zehn befragten Stationen geben an, dass die Versorgung von demenzkranken Menschen vor allem nachts unzureichend gesichert ist“, sagt Studienleiter Michael Isfort (vgl. Pressemitteilung, online, 29. 8. 2014). Probleme gebe es aber auch tagsüber an den Wochenenden. „Diese Mangelsituation führt nicht selten zu unnötiger Verabreichung von Schlafmedikamenten und häufig zu fragwürdigen Fesselungen von Patienten.“ Die Zahlen sind erschreckend: Im Zeitraum von nur einer Woche wurden in den Häusern der befragten Pflegemitarbeiter rund 7.600 mal Medikamente zur Sedierung an demente Patienten verabreicht, über 1.450 mal wurden körpernahe Fixierungen vorgenommen. 

Als wichtigste Gründe für die fehlende Umsetzung von Maßnahmen – etwa die Qualifizierung von Demenzbeauftragten, die Einrichtung spezialisierter Stationen, die Schaffung einer Tagesbetreuung usw. – werden von 76,1 Prozent der Befragten finanzielle Gründe angegeben. Auch das starre Abrechnungssystem in den Kliniken lasse ein Umsteuern nicht zu. Ein zentraler Faktor ist der zunehmende Personalmangel in der Pflege: 1995 fielen statistisch gesehen auf eine Pflegekraft 48,5 Patienten, im Jahr 2012 waren es 65,3 Patienten.

Quelle: Imabe-Newsletter Oktober 2014
Foto: © Schwester Klara_pixelio.de

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Kommunikation: Nicht nur Ärzte, auch Patienten sollten besser kommunizieren

Förderung der Kommunikationskompetenzen von Patienten in End-Of-Life-Care wichtig

Für eine gelungene Arzt-Patient-Beziehung ist eine gute Kommunikation entscheidend. Bei Kommunikation steht häuft die Kompetenz des Arztes im Fokus, die Rolle des Patienten wird seltener behandelt. Viele Patienten sind mit Arztgesprächen nicht zufrieden. Sie konnten nicht alle Fragen stellen, sei es, weil sie nicht den Mut dazu hatten, oder aber der Arzt Zeitknappheit signalisiert hatte. Eine Freiburger Forschergruppe um Erik Farin-Glattacker vom Institut für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg hat nun eine eigene Patientenschulung (genannt: KOKOS-Schulung) entwickelt. Das Projekt wurde vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Laut Autoren wollen chronisch kranke Patienten wissen und erlernen, was sie selbst tun können, um für sich den größten Nutzen aus einem Arztgespräch zu ziehen: in knapper Zeit die richtigen Fragen stellen, eigene Wünsche und Meinungen äußern, Feedback geben und das Arztgespräch nachbereiten. Häufig hätten sie aber den Eindruck, dass sie Befürchtungen oder auch für die Behandlung wichtige Beobachtungen eigener Symptome nicht so ausführlich einbringen zu können, wie es sinnvoll gewesen wäre. 

„Die American Medical Association schätzt, dass 80 Prozent der medizinischen Fehler auf Kommunikationsstörungen zurückzuführen sind. Verschiedene Studien belegen darüber hinaus die ökonomische Relevanz einer ungenügenden Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten und den positiven Einfluss gelungener Kommunikation auf Adhärenz und Behandlungsergebnis“, berichten die Autoren im Deutschen Ärzteblatt (2014; 111(39): A-1646 / B-1414 / C-1346) In Form von Gruppenschulungen könnten chronisch kranke Patienten und Patientinnen und deren Angehörige erlernen, zielgerichtet zu kommunizieren, kompetent aufzutreten und die knappe Zeit im Arztgespräch bestmöglich für sich nutzen. 

Wie entscheidend die Kommunikation bei schwerer Erkrankung in der Terminalphase für den Patienten ist, zeigt ein aktueller Report des Institute of Medicine (IOM) der National Academy of Sciences mit dem Titel Dying in America Das 21-köpfige Expertenteam kritisiert, dass wegen finanzieller Anreize Eingriffe durchgeführt werden, die oft „teuer sind und wenig angepasst an die Bedürfnisse, Ziele und Präferenzen der Patienten und ihrer Familien“. Die Autoren des 500-Seiten-Berichts geben Empfehlungen für eine Patienten orientierte und Patienten-Familien-Orientierte End-Of-Life-Behandlung ab. Patienten werden ermutigt, sich früh mit dem Sterben auseinanderzusetzen und ihre Wünsche zu kommunizieren. Die Empfehlungen zur geriatrischen Palliativpflege umfassen eine stärkere Integration der medizinischen und sozialen Dienste, Unterstützung für pflegende Angehörige sowie ein Aufbessern der Palliativversorgung in Pflegeheimen und häuslichen Pflegeprogrammen.

Foto: © Alexander Raths - Fotolia

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Pränatale Diagnostik: Besser informierte Frauen verzichten auf Pränataltest

Schwangere sollten über Risiko und Aussagekraft besser aufgeklärt werden

Das Angebot für pränatale Diagnostik wächst, für viele Schwangere und Paare entstehen daraus Entscheidungskonflikte, auf die sie kaum vorbereitet sind. Screenings beruhen auf dem Berechnen von Wahrscheinlichkeiten, sie bieten keine exakte Diagnose, verunsichern und stellen bei vermuteter Behinderung wie Trisomie 21 (Down-Syndrom) vor die Entscheidung für oder gegen das Kind (vgl. Die Welt, online, 26. 8. 2014). 

Das mangelnde Wissen über die tatsächliche Aussagekraft der Tests nahmen die Gynäkologin Miriam Kuppermann von der University of California/San Francisco und Kollegen zum Anlass, ein Tool für eine bessere Vorab-Information von Schwangeren zu entwickeln. Je besser die werdenden Mütter informiert waren, desto eher verzichteten sie auf pränatale Untersuchungen, so das Ergebnis der jüngst in JAMA publizierten Studie (2014;312(12):1210-1217, doi:10.1001/jama.2014.11479). 

Zwischen 2010 und 2013 wurden rund 750 Frauen, die bis zur 20. Woche schwanger waren, nach dem Zufallsprinzip auf zwei Gruppen aufgeteilt. Die einen wurden mit einem 45-minütigen computergestützten interaktiven Entscheidungsprogramm informiert. Das Programm lieferte am Ende zwar eine personalisierte Empfehlung zum Test, überließ aber den Betroffenen die Entscheidung. Die zweite Gruppe wurde auf gängige Weise informiert. Der Test war für beide Gruppen kostenlos. 

Das Ergebnis: In der Gruppe, wo jede Schwangere personalisierte, umfassende Informationen über die Möglichkeiten und Grenzen pränataler Tests erhielt, verzichteten signifikant mehr Frauen überhaupt auf jeglichen Test (25,6 Prozent versus 20,4 Prozent). Die Nutzerinnen des Computerprogramms besaßen ferner ein generell höheres Wissen über das Schwangerschaftsgeschehen. Insbesondere wussten sie signifikant besser über das Abortrisiko einer Fruchtwasserentnahme Bescheid oder über Risikoangaben, ein Kind mit einer Trisomie 21 zu gebären (58,7 Prozent versus 46,1 Prozent). Einen invasiven Test nach einem Screening ließen in dieser Gruppe schließlich nur 5,9 Prozent vornehmen, während es in der Normalversorgungsgruppe 12,2 Prozent der Teilnehmerinnen waren. 

Die Autoren plädieren dafür, Maßnahmen zu setzen, um werdende Mütter klarer über Vor-und Nachteile der zahlreichen – und kostspieligen – pränatalen Tests zu informieren Die Entscheidung für oder gegen eine Untersuchung sollte tatsächlich auf einem Informed Consent beruhen. Es wird deutlich, dass Schwangere heute „keine ausreichende Beratung“ über Möglichkeiten und Einschränkungen der Untersuchung erhalten. Pränataldiagnostik sei „nicht für jeden geeignet“, der „Verzicht auf Tests ist eine vernünftige Wahl“, schreiben die Autoren. Weiterführender Link: IMABE-Info Pränatale Diagnostik.

Foto:  © Der Arzt - Fotolia

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Deutschland: Ärzteverbände gegen Zulassung von ärztlich assistiertem Suizid

IMABE-Geschäftsführerin kritisiert: Suizidgesetz schützt Ärzte, nicht aber Patienten

Die Lehrstuhlinhaber für Palliativmedizin in Deutschland haben sich geschlossen gegen den ärztlich assistierten Suizid ausgesprochen. In einer Stellungnahme bekräftigten sie, dass eine solche Beihilfe keine ärztliche Aufgabe sei, berichtet das Deutsche Ärzteblatt (online, 9. 10. 2014). Eine Gesetzesänderung zur Ermöglichung eines ärztlich assistierten Suizids sei keine adäquate Antwort auf Leiden. Die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin unterstützt den Appell. Damit stellen sich die Palliativmediziner u. a. offen gegen ihren in Lausanne und früher in München tätigen Kollegen, Gian Domenico Borasio. Dieser hatte einen Gesetzesentwurf vorgelegt, wonach es Ärzten erlaubt sein sollte, Suizidwilligen bei der Selbsttötung Beihilfe zu leisten. Auch die Österreichische Palliativgesellschaft hat gemeinsam mit dem Dachverband Hospiz, der Caritas, dem Roten Kreuz und der Vinzenzgruppe in einer an die Enquete „Sterben in Würde“ gerichteten Stellungnahme gefordert, dass Palliativbetreuung flächendeckend ausgebaut werden müsse. Tötung auf Verlangen oder Beihilfe zur Selbsttötung lehnen sie entschieden ab (vgl. Tiroler Tageszeitung, online, 9. 10. 2014). 

„Positiv ist, dass man sich nun öffentlich mit tabuisierten Themen wie Krankheit, Sterben, Tod auseinandersetzt. Es wird auch ein Bedarf an Weiterbildung für Ärzte und Pfleger in der Begleitung und Behandlung Schwerkranker deutlich“, sagt Ethikerin Susanne Kummer. „Die Antwort auf einen therapeutischen Übereifer, der nicht Leben, sondern Sterben verlängert, kann aber nicht darin bestehen, die Tötung oder Hilfe zur Selbsttötung der Leidenden als individuelles Recht einzufordern“, betont die IMABE-Geschäftsführerin. Es wäre fatal, wenn Selbstmord zu einem logischen Akt der Selbstbestimmung umdefiniert würde. „Eine menschliche Medizin zeige sich in der „professionellen Kompetenz, Therapien zurückzufahren, wo keine Aussicht auf Heilung besteht“, „Therapieziele zum Wohle des Patienten ändern zu können“, die „Schmerzlinderung zu verbessern, dem Sterbenden als Mitmenschen beizustehen und ihn nicht alleine zu lassen“, so Kummer. 

Ein Blick auf den US-Bundesstaat Oregon, wo es Ärzten seit 1997 erlaubt ist, Beihilfe zum Suizid zu leisten, beunruhige zutiefst, erklärt Kummer. So habe sich die Zahl der Patienten, die sich seit 1998 mit ärztlicher Unterstützung das Leben nahmen, laut aktuellem Death with Dignity Act-Report bis 2013 verfünffacht (16 auf 75), 2 von 1.000 Todesfällen gingen im 3,9 Millionen Einwohner zählenden Oregon bereits auf ärztlich-assistierten Suizid zurück. Als Hauptgrund geben die Betroffenen nicht, wie man meinen würde, unerträgliche Schmerzen an. Für 93 Prozent lag der Wunsch nach Suizid in der Angst vor einem „Verlust von Autonomie“ und damit die Sorge, eine Last für andere zu werden; 89 Prozent sagten, sie seien „weniger in der Lage, an Aktivitäten teilzuhaben, die dem Leben Freude geben“; 73 Prozent fürchteten einen „Verlust an Würde“. 

Auch die Haltung der Ärzte veränderte sich: Von zwei Krebspatienten, die nur über die staatliche Armen-Krankenversicherung Medicaid verfügten, wird berichtet, dass ihnen per amtlichem Schreiben die zu teure Chemotherapie verweigert, gleichzeitig aber angeboten wurde, einen assistierten Suizid als Alternative zu bezahlen. Beide wollten aber leben und behandelt werden. Erst als der Fall von Randy Stroup an die Öffentlichkeit kam, wurde ihm eine Chemotherapie zugestanden (vgl. Daily Telegraph, online, 20. 2. 2009). In rund 17 Prozent der Fälle stellten die Ärzte entgegen der gesetzlichen Kriterien auch bei chronischen Erkrankungen ohne infauste Prognose Bewilligungen für eine Beihilfe zur Selbsttötung aus. 

„Entgegen aller Beteuerungen der Suizid-Befürworter zeigt das Beispiel Orgeon klar: Eine Legalisierung der medizinisch assistierten Selbsttötung untergräbt das Vertrauensverhältnis zwischen Ärzten und Patienten. Das Gesetz schützt vielleicht die Ärzte, sicher aber nicht die vulnerable Gruppe der Patienten und seelisch Verzweifelten. Und es schafft neue Graubereiche statt Transparenz“, betont Ethikerin Kummer.

Auch in der Schweiz ist die Zahl der Menschen, die über Organisationen wie Exit oder Dignitas Beihilfe zum Suizid in Anspruch nehmen, in den letzten 10 Jahren kontinuierlich angestiegen (vgl. Imabe 2014: Schweiz: Exit will assistierten Suizid auch lebensmüden Gesunden anbieten): im Jahr 2012 waren es 508 Schweizer und 172 Ausländer. Auch in den Niederlanden ist die Hilfe zur Selbsttötung erlaubt, sie wird meist von Hausärzten ausgeführt. Die Zahl der assistieren Suizide und der Fälle von „Tötung auf Verlangen“ ist laut dem aktuellen Jahresbericht der Regionalen Prüfungskommissionen Regionale Toetsingcommissies Euthanasie um 15 Prozent gegenüber 2012 gestiegen und betrug knapp 5.000 Fälle (vgl. NiederlandeNet, online, 30. 9. 2014). Das sind 13 Todesfälle pro Tag. Laut einer im Fachjournal Lancet publizierten Studie (doi:10.1016/S0140-6736(08)61345-8) werden 23 Prozent aller Euthanasie-Todesfälle aber erst gar nicht gemeldet – obwohl das niederländische Gesetz dies vorschreibt. In Belgien starben 2012 1.816 Personen durch Beihilfe zur Selbsttötung oder Euthanasie (vgl. Imabe Juni 2014: Österreich: Bürgerinitiative gegen Euthanasie gestartet). Großes Aufsehen erregte zuletzt der Fall eines 52-jährigen Sexualstraftäters. Ihm wurde Beihilfe zum Suizid wegen „unerträglicher psychischer Qualen“ gewährt.

Quelle: Imabe-Newsletter Oktober 2014
Foto: © Dan Race - Fotolia

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