Der Mensch zwischen Arbeit, Stress und Lebenssinn
Laut Angaben der Pensionsversicherungsanstalt in
Österreich leidet jeder Fünfte einmal in seinem Leben an einer
Depression und jeder Sechste an einer Angststörung. Die Zahl der
Krankenstandstage aufgrund psychischer Erkrankungen hat sich in den
vergangenen 20 Jahren beinahe verdreifacht. Eine adäquate Analyse der
Fakten, Hintergründe und Auswege zum Spannungsfeld Arbeit, Lebenssinn
und seelische Erkrankungen braucht einen interdisziplinären Zugang.
Dies zeigte auch die hohe Resonanz für das fachübergreifende
IMABE-Symposium
Mental Health und Arbeitswelt. Arbeit zwischen Stress und Lebenssinn, das im November 2013 in Wien stattfand und dessen Themen nun in
Imago Hominis dokumentiert sind.
Rudolf Müller (Chefarzt, PV) legt Zahlen,
Daten und Fakten zur psychischen Gesundheit österreichischer
Arbeitnehmer dar. Immer mehr Menschen treten wegen psychischer Leiden
krankheitsbedingt eine Frühpension an: Im Jahr 2012 erfolgten 35,1
Prozent aller Neuzugänge der Berufsunfähigkeit aufgrund psychischer
Erkrankungen. Frauen sind mehr betroffen als Männer. Seit 2002 versucht
die PV gezielte Reha-Programme für psychisch Kranke, die zu einer
Trendabschwächung geführt haben.
Arbeitgeber, die weiterhin nur Effizienz in
Monokultur von ihren Mitarbeitern fordern, sind offenbar noch nicht im
neuen Wirtschaftsleben angekommen. Anhand von 10 Thesen veranschaulicht
Klaus Dörner (Psychiater, Soziologe, Hamburg) die
Industrieepoche, die vom Paradigma der permanenten Beschleunigung und
Effizienzsteigerung gelebt hat. Dass dies irgendwann die Grenzen, auch
der psychischen Gesundheit, überschreiten musste, liege auf der Hand.
Der derzeitige Umbruch zur Dienstleistungsepoche sei eine historische
Chance für eine Humanisierung der Arbeitswelt. Auch die Psychiatrie
müsse sich rückbesinnen auf ihre Dimension als
philosophisch-anthropologische Disziplin.
Dass das innere Bedürfnis des Menschen nach
Lebenssinn keinesfalls allein durch Arbeit abgedeckt ist, betont
Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz (Religionsphilosophin, Europäisches Institut für Philosophie und Religion EUPHRat, Heiligenkreuz)
in ihrem Beitrag. Sie zeigt anhand von Deutungsmustern ausgehend von
der Antike über das jüdisch-christliche Erbe bis in die Moderne, wie das
spannungsreiche Zusammenspiel zwischen Tun und Lassen, Mühe und Gabe,
Zweck und Sinn interpretiert wurde – und wie es gelingen kann.
Arbeitgeber werden zwar verstärkt in die gesetzliche
Pflicht zur Prävention von Work-Related-Stress genommen. Vorschriften
bleiben aber zahnlose Instrumente, wenn nicht zugleich die Überzeugung
im Unternehmen wächst, dass eine neue Kultur der Arbeit die positive
Entwicklung der eigenen Mitarbeiter miteinschließt. Auf dieser Basis
legt Markus Schwarz (Unternehmensberater, L|B|F ADVISORS Wien)
Eckpunkte einer erfolgreichen betrieblichen Vorsorge- und
Gesundheitsförderung dar („salutogene betriebliche
Gesundheitsförderung“) und beschreibt neben den wesentlichen
Erfolgsfaktoren auch die Barrieren für diese innerbetrieblichen
Programme.
Die Imago-Hominis-Ausgabe 2/2014 mit dem Schwerpunkt „Mental Health und Arbeitswelt“ findet sich auf
http://www.imabe.org/index.php?id=1522 und kann als Einzelheft um € 10,– aus dem Inland (aus dem Ausland fällt das reguläre Porto an) bezogen werden.
Labels: Arbeit, Imago Hominis, Lebenssinn, Mental Health, Stress